Das BVerfG entschied mit Urteil vom 17.12.2014 (Az. 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, S. 50), dass die bisherigen Regelungen zur erbschaftsteuerlichen Begünstigung von Betriebsvermögen nach §§ 13a, 13b ErbStG a. F. jeweils in Verbindung mit der Steuertarifregelung nach § 19 Abs. 1 ErbStG nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Der Gesetzgeber wurde aufgefordert, bis 30.06.2016 eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen. Dem kam er allerdings erst mit dem Erbschaftsteueranpassungsgesetz 2016 vom 04.11.2016 nach.
Eine Alleinerbin nach ihrer am 28.08.2016 verstorbenen Tante, die ihr ausschließlich Privatvermögen hinterließ, vertrat die Auffassung, dass in der Zeit vom 01.07.2016 bis zur Veröffentlichung des Erbschaftsteueranpassungsgesetzes vom 09.11.2016 keine Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Erbschaftsteuer bestand, da der Gesetzgeber nicht innerhalb der ihm vom BVerfG gesetzten Frist eine Neuregelung getroffen hatte. Die rückwirkende Anwendung der Neuregelung auf den 01.07.2016 sei - so die Alleinerbin - verfassungsrechtlich unzulässig.
Der BFH verneint hingegen mit Urteil vom 06.05.2021 (Az. II R 1/19, DStR 2021, S. 2632) eine zeitliche Lücke in der Anwendbarkeit der Regelungen des Erbschaftsteuergesetzes. Die durch das BVerfG gesetzte Frist bis 30.06.2016 stelle lediglich die Verpflichtung des Gesetzgebers dar, eine Neuregelung zu schaffen, wirke sich aufgrund der unbefristeten Fortgeltungsanordnung aber bei verspäteter Einführung einer Neuregelung nicht auf die Fortgeltung des bisherigen Erbschaftsteuerrechts aus.
Hinweis: Darüber hinaus, so der BFH, betreffen die Neuregelungen im Erbschaftsteuerrecht die Behandlung von Betriebsvermögen. Die in dem Urteilsfall einschlägigen Normen zum Erbschaftsteuertarif, die auch das Privatvermögen betreffen, seien jedoch nicht rückwirkend geändert worden. Daher musste der BFH in dem Streitfall nicht darüber entscheiden, ob er die rückwirkende Neuregelung für verfassungsrechtlich zulässig hält.