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Kernbrennstoffsteuergesetz mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig

BVerfG 13.4.2017, 2 BvL 6/13

Außer­halb der durch das Grund­ge­setz vor­ge­ge­be­nen Kom­pe­tenz­ord­nung ha­ben Bund und Länder kein Steu­er­er­fin­dungs­recht. Dem Bun­des­ge­setz­ge­ber fehlte die Ge­setz­ge­bungs­kom­pe­tenz für den Er­lass des Kern­brenn­stoff­steu­er­ge­set­zes (Kern­brStG).

Der Sach­ver­halt:
Nach dem Kern­brStG vom 8.12.2010 un­ter­lag Kern­brenn­stoff, der zur ge­werb­li­chen Er­zeu­gung von elek­tri­schem Strom ver­wen­det wurde, der Be­steue­rung. Das Kern­brStG sollte Be­steue­rungs­vorgänge er­fas­sen, bei de­nen die sich selbst­tra­gende Ket­ten­re­ak­tion vor dem 1.1.2017 aus­gelöst wurde. Bei der Steuer han­delte es sich nach Auf­fas­sung des Ge­setz­ge­bers um eine "Ver­brauch­steuer i.S.d. AO". Steu­er­schuld­ner wa­ren die Be­trei­ber von Kern­kraft­wer­ken. Die Steu­er­ein­nah­men aus der Kern­brenn­stoff­steuer be­tru­gen für den Bun­des­haus­halt in den Jah­ren 2011 bis 2016 ins­ge­samt über 6,2 Mrd. €.

Die Kläge­rin des Aus­gangs­ver­fah­rens hatte im Jahr 2011 in den Re­ak­tor ei­nes von ihr be­trie­be­nen Kern­kraft­werks neue Brenn­ele­mente ein­ge­setzt, eine sich selbst­tra­gende Ket­ten­re­ak­tion aus­gelöst und nach ent­spre­chen­der Steu­er­an­mel­dung einen Steu­er­be­trag i.H.v. rund 96 Mio. € ab­geführt. Dar­auf­hin er­hob sie Klage ge­gen die Steu­er­an­mel­dung. Das FG setzte das Ver­fah­ren aus und legte dem BVerfG die Frage vor, ob das Kern­brStG vom 8.12.2010 mit dem GG ver­ein­bar ist. Das BVerfG hat dies ver­neint.

Die Gründe:
Das Kern­brStG vom 8.12.2010 ist mit Art. 105 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG un­ver­ein­bar und nich­tig. Denn dem Bun­des­ge­setz­ge­ber fehlte die Ge­setz­ge­bungs­kom­pe­tenz zu sei­nem Er­lass.

In­ner­halb der durch Art. 105 und Art. 106 GG vor­ge­ge­be­nen Ty­pus­be­griffe steht es dem Ge­setz­ge­ber of­fen, neue Steu­ern zu "er­fin­den" und be­ste­hende Steu­er­ge­setze zu verändern. Die Zu­wei­sung von Ge­setz­ge­bungs­kom­pe­ten­zen an Bund und Länder durch Art. 105 GG i.V.m. Art. 106 GG ist ab­schließend. Der ein­fa­che Ge­setz­ge­ber darf nur sol­che Steu­ern einführen, de­ren Er­trag durch Art. 106 GG dem Bund, den Ländern oder Bund und Ländern ge­mein­schaft­lich zu­ge­wie­sen wird. Ein freies Steu­er­er­fin­dungs­recht kommt we­der dem Bund noch den Ländern zu.

Die Kern­brenn­stoff­steuer ist eine Steuer im fi­nanz­ver­fas­sungs­recht­li­chen Sinne, denn sie ist ohne in­di­vi­du­elle Ge­gen­leis­tung zur De­ckung des all­ge­mei­nen Fi­nanz­be­darfs er­ho­ben wor­den. Sie ent­spricht aber nicht dem Ty­pus der Ver­brauch­steuer gem. Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG. Die Be­steue­rung des un­ter­neh­me­ri­schen Ver­brauchs ei­nes rei­nen Pro­duk­ti­ons­mit­tels ist mit einem ge­setz­ge­be­ri­schen Kon­zept, im Wege der Ver­brauch­steuer auf die pri­vate Ein­kom­mens­ver­wen­dung Zu­griff zu neh­men, re­gelmäßig nicht zu ver­ein­ba­ren.

Der Ver­stoß des Kern­brStG ge­gen Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG führte so­mit zur Nich­ti­gerklärung des Ge­set­zes. Zwar kann die Not­wen­dig­keit ei­ner verläss­li­chen Fi­nanz- und Haus­halts­pla­nung es ge­bie­ten, von ei­ner Rück­wir­kung der Ent­schei­dung ab­zu­se­hen. Die Not­wen­dig­keit ei­ner verläss­li­chen Fi­nanz- und Haus­halts­pla­nung kann al­ler­dings nur Gel­tung be­an­spru­chen, wenn der Ge­setz­ge­ber sich auf seine Fi­nanz- und Haus­halts­pla­nung ver­las­sen durfte. Dies war im Hin­blick auf die von An­fang an mit er­heb­li­chen fi­nanz­ver­fas­sungs­recht­li­chen Un­si­cher­hei­ten be­las­tete Kern­brenn­stoff­steuer al­ler­dings nicht der Fall.

Hin­ter­grund:
So­weit die Se­nats­mehr­heit das Kern­brStG für ver­fas­sungs­wid­rig hielt, stimm­ten die Rich­ter Hu­ber und Müller dem zwar im Er­geb­nis, nicht je­doch in der Begründung zu.

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