Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Mutter zweier minderjähriger Söhne, die in ihrem Haushalt in Deutschland leben und dort gemeldet sind. Sie ist seit Oktober 2011 vom Kindsvater geschieden. Mit ihrer für das Streitjahr 2013 abgegebenen Einkommensteuererklärung hatte sie jeweils für beide Söhne den Abzug des doppelten Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA-Freibetrag) beantragt. Die Veranlagung wurde zunächst antragsgemäß durchgeführt.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auch die Revision der Klägerin vor dem BFH blieb erfolglos.
Gründe:
Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 6 S. 1 Alt. 2, S. 8 u. 9 EStG für die Übertragung der BEA-Freibeträge des Kindsvaters auf die Klägerin nicht vorliegen, da der Widerspruch des Kindsvaters gegen die Übertragung seiner BEA-Freibeträge nach § 32 Abs. 6 S. 9 Alt. 2 EStG begründet ist.
Nach § 32 Abs. 6 S. 9 EStG scheidet eine Freibetragsübertragung aus, wenn dieser widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut. Das Merkmal der regelmäßigen Betreuung in einem nicht unwesentlichen Umfang i.S.d. § 32 Abs. 6 S. 9 Alt. 2 EStG ist im Gesetz nicht näher erläutert und wurde vom BFH bislang auch nicht näher definiert.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist ein nicht nur gelegentlicher Umgang mit dem Kind maßgebend, der erkennen lasse, dass der Elternteil die Betreuung mit einer gewissen Nachhaltigkeit wahrnehme, d.h. fortdauernd und immer wieder in Kontakt zu dem Kind stehe. Bei nur kurzzeitigem, anlassbezogenem Kontakt (z.B. zum Geburtstag, zu Weihnachten und zu Ostern) liege eine Betreuung in unwesentlichem Umfang vor. Von einem nicht unwesentlichen Umfang der Betreuung eines Kindes sei typischerweise auszugehen, wenn eine gerichtliche oder außergerichtliche Vereinbarung über einen regelmäßigen Umgang an Wochenenden und in den Ferien vorgelegt werde (BMF-Schreiben v. 28.6.2013, BStBl I 2013, 845, Rz 9).
Nach Auffassung des BFH kann das Merkmal einer regelmäßigen Betreuung insbesondere dann als erfüllt angesehen werden, wenn sich ein minderjähriges Kind entsprechend eines - üblicherweise für einen längeren Zeitraum im Voraus festgelegten - weitgehend gleichmäßigen Betreuungsrhythmus tatsächlich in der vereinbarten Abfolge bei dem Elternteil, bei dem es nicht gemeldet ist, aufhält.
Ob dieser Elternteil sein minderjähriges Kind auch in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut, erfordert eine Gesamtschau unter Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalls. Die Beurteilung kann hierbei von einer Vielzahl nach Lage des Falles naturgemäß auch unterschiedlich zu gewichtenden Faktoren abhängen. Diese sind insbesondere die Häufigkeit und Länge der Kontakte zwischen dem widersprechenden Elternteil und dem Kind, die ihrerseits durch das Alter des Kindes und die Distanz zwischen den Wohnorten des Elternpaares beeinflusst werden.
Aus Gründen der Vereinfachung hat der BFH dabei grundsätzlich keine Bedenken, bei einem zeitlichen Betreuungsanteil von jährlich durchschnittlich 10 % im Regelfall das Merkmal einer Betreuung in einem "nicht unwesentlichen Umfang" als erfüllt anzusehen, wobei weitere Indizien in diesem Fall im Übrigen regelmäßig vernachlässigt werden können. Denn § 32 Abs. 6 S. 9 Alt. 2 EStG fordert lediglich, dass das Kind von dem Elternteil, bei dem es nicht gemeldet ist, regelmäßig in einem "nicht unwesentlichen" Umfang betreut wird.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze hatte das FG den Widerspruch des Kindsvaters gegen die Übertragung seiner BEA-Freibeträge zutreffend als begründet angesehen, da es rechtsfehlerfrei angenommen hatte, der Kindsvater habe seine Söhne in der erforderlichen Regelmäßigkeit in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut. Auch lag die Voraussetzung einer Betreuung in einem nicht unwesentlichen Umfang vor. Denn der Kindsvater hat seine Söhne an jedem zweiten Wochenende von Freitagnachmittag bis Sonntagabend sowie während der Hälfte der Ferienzeiten betreut, womit der durchschnittliche zeitliche Betreuungsanteil des Kindsvaters im Streitjahr jedenfalls deutlich über 10 % lag.
Dieses Ergebnis ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Gesetzgeber selbst geht in § 1606 Abs. 3 BGB von der Gleichwertigkeit der Unterhaltsleistung durch Zahlung von Geldbeträgen und der durch persönliche Betreuung aus. Für einen wirksamen Widerspruch i.S.d. § 32 Abs. 6 S. 9 EStG war es auch ausreichend, dass der Kindsvater der Übertragung seines BEA-Freibetrags im Rahmen eines Einspruchs gegen seinen Einkommensteuerbescheid widersprochen hatte. Denn § 32 Abs. 6 S. 9 EStG legt selbst keine besondere Form für den Widerspruch fest, so dass jedenfalls die Einreichung eines zulässigen Einspruchs gegen den Einkommensteuerbescheid ausreichend ist.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.