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Steuerberatung

Kinderfreibetrag: Widerspruch gegen die Übertragung bei Trennung

BFH 8.11.2017, III R 2/16

Der Über­tra­gung des BEA-Frei­be­trags nach § 32 Abs. 6 S. 8 EStG auf den an­de­ren El­tern­teil kann nach § 32 Abs. 6 S. 9 Alt. 2 EStG der El­tern­teil, bei dem das min­derjährige Kind nicht ge­mel­det ist, re­gelmäßig er­folg­reich wi­der­spre­chen, wenn er das Kind nach einem - übli­cher­weise für einen länge­ren Zeit­raum im Vor­aus fest­ge­leg­ten - weit­ge­hend gleichmäßigen Be­treu­ungs­rhyth­mus tatsäch­lich in der ver­ein­bar­ten Ab­folge mit einem zeit­li­chen Be­treu­ungs­an­teil von jähr­lich durch­schnitt­lich 10 % be­treut.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist Mut­ter zweier min­derjähri­ger Söhne, die in ih­rem Haus­halt in Deutsch­land le­ben und dort ge­mel­det sind. Sie ist seit Ok­to­ber 2011 vom Kinds­va­ter ge­schie­den. Mit ih­rer für das Streit­jahr 2013 ab­ge­ge­be­nen Ein­kom­men­steu­er­erklärung hatte sie je­weils für beide Söhne den Ab­zug des dop­pel­ten Frei­be­trags für den Be­treu­ungs- und Er­zie­hungs- oder Aus­bil­dungs­be­darf (BEA-Frei­be­trag) be­an­tragt. Die Ver­an­la­gung wurde zunächst an­trags­gemäß durch­geführt.

Auf­grund ei­nes behörden­in­ter­nen Da­ten­ab­gleichs er­fuhr das Fi­nanz­amt, dass der Kinds­va­ter im Rah­men sei­ner Ein­kom­men­steu­er­ver­an­la­gung für 2013 der Nicht­gewährung des auf ihn ent­fal­len­den BEA-Frei­be­trags wi­der­spro­chen und das Wohn­sitz­fi­nanz­amt sei­nem Ein­spruch ab­ge­hol­fen hatte. Dar­auf­hin änderte die Behörde den Ein­kom­men­steu­er­be­scheid der Steu­er­pflich­ti­gen für 2013 gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und zog für beide Kin­der je­weils nur noch den ein­fa­chen BEA-Frei­be­trag i.H.v. 1.320 € je Kind vom Ein­kom­men ab.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Auch die Re­vi­sion der Kläge­rin vor dem BFH blieb er­folg­los.

Gründe:
Das FG hat zu­tref­fend ent­schie­den, dass die Vor­aus­set­zun­gen nach § 32 Abs. 6 S. 1 Alt. 2, S. 8 u. 9 EStG für die Über­tra­gung der BEA-Frei­beträge des Kinds­va­ters auf die Kläge­rin nicht vor­lie­gen, da der Wi­der­spruch des Kinds­va­ters ge­gen die Über­tra­gung sei­ner BEA-Frei­beträge nach § 32 Abs. 6 S. 9 Alt. 2 EStG begründet ist.

Nach § 32 Abs. 6 S. 9 EStG schei­det eine Frei­be­tragsüber­tra­gung aus, wenn die­ser wi­der­spro­chen wird, weil der El­tern­teil, bei dem das Kind nicht ge­mel­det ist, Kin­der­be­treu­ungs­kos­ten trägt oder das Kind re­gelmäßig in einem nicht un­we­sent­li­chen Um­fang be­treut. Das Merk­mal der re­gelmäßigen Be­treu­ung in einem nicht un­we­sent­li­chen Um­fang i.S.d. § 32 Abs. 6 S. 9 Alt. 2 EStG ist im Ge­setz nicht näher erläutert und wurde vom BFH bis­lang auch nicht näher de­fi­niert.

Nach Auf­fas­sung der Fi­nanz­ver­wal­tung ist ein nicht nur ge­le­gent­li­cher Um­gang mit dem Kind maßge­bend, der er­ken­nen lasse, dass der El­tern­teil die Be­treu­ung mit ei­ner ge­wis­sen Nach­hal­tig­keit wahr­nehme, d.h. fort­dau­ernd und im­mer wie­der in Kon­takt zu dem Kind stehe. Bei nur kurz­zei­ti­gem, an­lass­be­zo­ge­nem Kon­takt (z.B. zum Ge­burts­tag, zu Weih­nach­ten und zu Os­tern) liege eine Be­treu­ung in un­we­sent­li­chem Um­fang vor. Von einem nicht un­we­sent­li­chen Um­fang der Be­treu­ung ei­nes Kin­des sei ty­pi­scher­weise aus­zu­ge­hen, wenn eine ge­richt­li­che oder außer­ge­richt­li­che Ver­ein­ba­rung über einen re­gelmäßigen Um­gang an Wo­chen­en­den und in den Fe­rien vor­ge­legt werde (BMF-Schrei­ben v. 28.6.2013, BStBl I 2013, 845, Rz 9).

Nach Auf­fas­sung des BFH kann das Merk­mal ei­ner re­gelmäßigen Be­treu­ung ins­be­son­dere dann als erfüllt an­ge­se­hen wer­den, wenn sich ein min­derjähri­ges Kind ent­spre­chend ei­nes - übli­cher­weise für einen länge­ren Zeit­raum im Vor­aus fest­ge­leg­ten - weit­ge­hend gleichmäßigen Be­treu­ungs­rhyth­mus tatsäch­lich in der ver­ein­bar­ten Ab­folge bei dem El­tern­teil, bei dem es nicht ge­mel­det ist, aufhält.

Ob die­ser El­tern­teil sein min­derjähri­ges Kind auch in einem nicht un­we­sent­li­chen Um­fang be­treut, er­for­dert eine Ge­samt­schau un­ter Würdi­gung al­ler ob­jek­ti­ven Umstände des Ein­zel­falls. Die Be­ur­tei­lung kann hier­bei von ei­ner Viel­zahl nach Lage des Fal­les na­tur­gemäß auch un­ter­schied­lich zu ge­wich­ten­den Fak­to­ren abhängen. Diese sind ins­be­son­dere die Häufig­keit und Länge der Kon­takte zwi­schen dem wi­der­spre­chen­den El­tern­teil und dem Kind, die ih­rer­seits durch das Al­ter des Kin­des und die Dis­tanz zwi­schen den Wohn­or­ten des El­tern­paa­res be­ein­flusst wer­den.

Aus Gründen der Ver­ein­fa­chung hat der BFH da­bei grundsätz­lich keine Be­den­ken, bei einem zeit­li­chen Be­treu­ungs­an­teil von jähr­lich durch­schnitt­lich 10 % im Re­gel­fall das Merk­mal ei­ner Be­treu­ung in einem "nicht un­we­sent­li­chen Um­fang" als erfüllt an­zu­se­hen, wo­bei wei­tere In­di­zien in die­sem Fall im Übri­gen re­gelmäßig ver­nachlässigt wer­den können. Denn § 32 Abs. 6 S. 9 Alt. 2 EStG for­dert le­dig­lich, dass das Kind von dem El­tern­teil, bei dem es nicht ge­mel­det ist, re­gelmäßig in einem "nicht un­we­sent­li­chen" Um­fang be­treut wird.

Nach Maßgabe die­ser Grundsätze hatte das FG den Wi­der­spruch des Kinds­va­ters ge­gen die Über­tra­gung sei­ner BEA-Frei­beträge zu­tref­fend als begründet an­ge­se­hen, da es rechts­feh­ler­frei an­ge­nom­men hatte, der Kinds­va­ter habe seine Söhne in der er­for­der­li­chen Re­gelmäßig­keit in einem nicht un­we­sent­li­chen Um­fang be­treut. Auch lag die Vor­aus­set­zung ei­ner Be­treu­ung in einem nicht un­we­sent­li­chen Um­fang vor. Denn der Kinds­va­ter hat seine Söhne an je­dem zwei­ten Wo­chen­ende von Frei­tag­nach­mit­tag bis Sonn­tag­abend so­wie während der Hälfte der Fe­ri­en­zei­ten be­treut, wo­mit der durch­schnitt­li­che zeit­li­che Be­treu­ungs­an­teil des Kinds­va­ters im Streit­jahr je­den­falls deut­lich über 10 % lag.

Die­ses Er­geb­nis ist auch ver­fas­sungs­recht­lich nicht zu be­an­stan­den. Denn der Ge­setz­ge­ber selbst geht in § 1606 Abs. 3 BGB von der Gleich­wer­tig­keit der Un­ter­halts­leis­tung durch Zah­lung von Geld­beträgen und der durch persönli­che Be­treu­ung aus. Für einen wirk­sa­men Wi­der­spruch i.S.d. § 32 Abs. 6 S. 9 EStG war es auch aus­rei­chend, dass der Kinds­va­ter der Über­tra­gung sei­nes BEA-Frei­be­trags im Rah­men ei­nes Ein­spruchs ge­gen sei­nen Ein­kom­men­steu­er­be­scheid wi­der­spro­chen hatte. Denn § 32 Abs. 6 S. 9 EStG legt selbst keine be­son­dere Form für den Wi­der­spruch fest, so dass je­den­falls die Ein­rei­chung ei­nes zulässi­gen Ein­spruchs ge­gen den Ein­kom­men­steu­er­be­scheid aus­rei­chend ist.

Link­hin­weis:

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