Der Sachverhalt:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht die Kindergeldfestsetzung für das Kind A aufgehoben hat. Die Klägerin ist die Mutter von A (geb. 1998). A befand sich vom 1.8.2016 bis 8.6.2017 in einer Ausbildung. Sie unterbrach die Ausbildung krankheitsbedingt. Im Zeitraum Juni 2017 bis einschließlich Juli 2018 war sie erkrankt.
Die Familienkasse hob per Bescheid hinsichtlich des Zeitraums der Erkrankung die Festsetzung des Kindergeldes auf und forderte den überzahlten Betrag von ca. 2.500 € zurück. Eine Berücksichtigung sei zwar grundsätzlich möglich, wenn ein Kind wegen einer Erkrankung gehindert sei, sich um einen (neuen) Ausbildungsplatz zu bemühen. Dies erfordere aber eine schriftliche Erklärung des Kindes, dass es gewillt sei, sich unmittelbar nach Genesung um eine Ausbildung zu bemühen. Eine solche Erklärung könne aber keine Rückwirkung entfalten, sondern wirke erst ab Eingang bei der Familienkasse. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage. A habe während der gesamten Dauer ihrer Erkrankung das Ziel behalten, eine neue Ausbildung zu beginnen und sich auch um eine Ausbildung ernsthaft bemüht.
Das FG gab der Klage statt. Die beim BFH anhängige Revision der Familienkasse wird dort unter dem Az. III R 13/20 geführt.
Die Gründe:
Entgegen der Auffassung der Familienkasse steht der Klägerin Kindergeld für ihre Tochter A gem. §§ 62, 63 i.V.m. § 32 Abs. 4 EStG für den Streitzeitraum September 2017 bis einschließlich Juli 2018 zu.
A ist nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. c EStG zu berücksichtigen. Gem. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. c EStG wird ein Kind berücksichtigt, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen kann. So liegt der Fall hier. Für die Berücksichtigung als Kind ohne Ausbildungsplatz i.S.v. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. c EStG ist es nach der Rechtsprechung erforderlich, dass es dem Kind trotz ernsthafter Bemühungen nicht gelungen ist, eine Berufsausbildung zu beginnen oder fortzusetzen. Neben diesem objektiven Tatbestandsmerkmal erfordert die Regelung des § 32 Abs. 4 Nr. 2 lit. c EStG für die Gewährung von Kindergeld darüber hinaus als subjektives Tatbestandsmerkmal, dass das Kind ausbildungswillig ist. Ausbildungswillig in diesem Sinne sind Kinder, wenn sie für den frühestmöglichen Zeitpunkt eine Berufsausbildung anstreben.
Im Streitfall hat A ihre Ausbildung krankheitsbedingt abgebrochen und sich anschließend durch Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz bemüht. Es kann offen bleiben, ob unter Berücksichtigung der Erkrankung der A diese Bewerbungs-Bemühungen als ernstlich einzuordnen sind. Denn eine Berücksichtigung ist jedenfalls auch dann möglich, wenn das Kind - wie im Streitfall - infolge einer Erkrankung daran gehindert ist, sich ernstlich um eine Berufsausbildung zu bemühen. Zweck der Vorschrift ist die Gleichstellung der "Kinder ohne Ausbildungsplatz" mit den in Ausbildung befindlichen Kindern nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 lit. a EStG, weil ein Kind nach Nr. 2 lit. c finanziell ebenso abhängig ist und in typisierender Betrachtungsweise davon ausgegangen wird, dass dem Kindergeldberechtigten regelmäßig Unterhaltsaufwendungen in einer Höhe erwachsen, die die Gewährung von Kindergeld rechtfertigen. Nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 lit. c EStG soll ein Kind also nicht deshalb benachteiligt werden, weil es trotz ernsthafter Bemühungen - u.U. jahrelang - keinen Ausbildungsplatz findet.
Ein Anspruch auf Kindergeldfestsetzung besteht auch dann, wenn das Kind seine Ausbildung wegen einer Erkrankung unterbrechen muss. Hat ein Kind einen Ausbildungsplatz und ist ausbildungswillig, ist aber aus objektiven Gründen zeitweise nicht in der Lage, die Ausbildung fortzusetzen, ist es ebenso zu behandeln wie ein Kind, das sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, einen solchen aber nicht findet und deshalb nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 lit. c EStG zu berücksichtigen ist. Nichts anderes kann dann gelten, wenn eine Ausbildung wegen einer Erkrankung nicht begonnen oder gesucht werden kann. Auch für solche Fälle gilt die Regelung des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. c EStG. A war ausweislich der ärztlichen Bescheinigung im Streitzeitraum nicht in der Lage, sich um eine Ausbildung zu bemühen bzw. eine Ausbildung zu beginnen. Es ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass A im Streitzeitraum ausbildungswillig war.
Ein Anspruch auf Kindergeld besteht auch dann, wenn das Kind infolge einer Erkrankung daran gehindert ist, sich ernstlich um eine (neue) Berufsausbildung zu bemühen.