Der Sachverhalt:
Der Sohn des Klägers hatte im August 2009 im Alter von 18 Jahren eine Berufsausbildung zum Kfz-Mechatroniker begonnen. Die Ausbildung beendete er allerdings bereits im November 2009 wieder. In der Folge begann der Sohn im Dezember 2009 eine Berufsausbildung im Betrieb seines Vaters. Dieses Ausbildungsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag im März 2010 beendet. Eine im August 2011 begonnene Ausbildung zum Maler wurde ebenfalls nach gut neun Monaten beendet. Im Juni 2012 begann der Sohn des Klägers eine erneute Ausbildung zum Maler und Lackierer.
Der Kläger erklärte, er und sein Kind hätten sich aufgrund eines plötzlichen Todesfalls innerhalb des engsten Familienkreises in einer besonderen Ausnahmesituation befunden. Infolge des Traumas habe sein Sohn sich von Juni bis August 2010 in stationärer und von September bis Ende November 2010 in teilstationärer Behandlung in einer Klinik für Psychiatrie befunden. Er reichte ein Attest über eine festgestellte mittelgradige depressive Episode ein. Infolgedessen sei sein Sohn weder in der Lage gewesen sich bei einer Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden noch ein Ausbildungsverhältnis oder eine sonstige Arbeitsstelle anzutreten oder fortzusetzen. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG sei teleologisch dahingehend auszulegen, dass es im andauernden Krankheitsfall für die Gewährung des Kindergeldes nicht auf die Meldung bei der Agentur für Arbeit ankommen könne.
Das FG wies die Klage überwiegend ab. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der sache die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Für den Monat Juli 2011 war Kindergeld zu gewähren, da wegen der im August 2011 begonnenen Lehre bereits Ausbildungsbemühungen für den Monat Juli 2011 angenommen werden konnten. Allerdings hatte die Familienkasse für den Zeitraum von April 2010 bis Juni 2011 zu Recht die Festsetzung des Kindergeldes nach § 70 Abs. 2 EStG aufgehoben und das Kindergeld gem. § 37 Abs. 2 AO zurückgefordert.
Eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG kam nicht in Betracht. Der Sohn des Klägers war in den streitigen Monaten nicht als Arbeitssuchender gemeldet. Entgegen der Ansicht des Klägers, bleibt die Meldung als Arbeitssuchender auch dann Voraussetzung für eine Berücksichtigung, wenn das Kind aufgrund einer Erkrankung arbeitsunfähig ist. Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, wonach die Meldung als Arbeitssuchender bei einer Agentur für Arbeit zwingende Voraussetzung der Berücksichtigung ist. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergibt sich zudem, dass sie typisierend unterstellt, dass das beschäftigungslose Kind arbeitsfähig und -willig ist und verzichtet demgemäß auf eine nähere Erforschung dieser Umstände.
Für eine Berücksichtigung nach 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG fehlte es am Nachweis der Behinderung. Danach besteht für ein volljähriges Kind ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Nach der BFH-Rechtsprechung ist ein Mensch behindert, wenn seine körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX). Eine solch schwerwiegende dauerhafte Erkrankung war den vorgelegten Unterlagen nicht zu entnehmen. Allerdings hat die Frage, ob ein arbeitsunfähig erkranktes Kind trotz fehlender Meldung als Arbeitssuchender nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG berücksichtigungsfähig ist, grundsätzliche Bedeutung.
Linkhinweis:
- Der Volltext des Urteils ist erhältlich unter www.nrwe.de - Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW.
- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.