Der Sachverhalt:
Kläger und Beigeladene sind seit Dezember 1997 geschieden. Ihr im Februar 1992 geborener gemeinsamer Sohn lebte bis zum Ende seiner Schulausbildung im Sommer 2011 im Haushalt der Beigeladenen, die das alleinige Sorgerecht hatte und auch das Kindergeld bezog. Seit dem Wintersemester 2011/2012 studiert der Sohn in einer anderen Stadt.
Den im Februar 2013 gestellten Antrag des Klägers, das Kindergeld zu seinen Gunsten festzusetzen, da der Sohn den Haushalt der Beigeladenen im Dezember 2011 verlassen habe und er - der Vater - die höhere Unterhaltsrente zahle, lehnte die Familienkasse ab.
Das FG wie die hiergegen gerichtete Klage ab. Das Kind lebe weiterhin im Haushalt der Mutter. Das Gericht stützte sich dazu auf ein Schreiben des Kindes an die Kindergeldkasse, wonach es sich jedes zweite Wochenende in der Wohnung der Mutter aufgehalten und auch die Sommerferien dort verbracht habe. Es verzichtete auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch Vernehmung des Kindes, weil das Kind erklärt hatte, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen.
Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Gründe:
Das Kind hat kein Zeugnisverweigerungsrecht, weil sich die Mitwirkungspflicht volljähriger Kinder in Kindergeldsachen auch auf das finanzgerichtliche Verfahren erstreckt.
Nach § 68 Absatz 1 S. 2 EStG haben volljährige Kinder in Kindergeldsachen umfassende Mitwirkungspflichten. Daher gilt der Grundsatz, dass Angehörige, also auch volljährige Kinder, nach § 84 Abs. 1 FGO i.V.m. § 101 AO zur Verweigerung der Aussage berechtigt sind, ausnahmsweise nicht im Kindergeldprozess. Volljährige Kinder sind dementsprechend im finanzgerichtlichen Verfahren verpflichtet, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Diese Mitwirkungspflicht erstreckt sich auf alle für die Kindergeldzahlung maßgebenden Sachverhaltselemente, insbesondere - wie hier - auf die Haushaltszuordnung, also auf die Tatsachen, nach denen sich bestimmt, ob ein Kind noch dem Haushalt eines Elternteils zuzuordnen ist.
Das FG folgte der Ansicht des FG Münster (Urteil v. 16.3.2007 - 9 K 4803/05 Kg), dass der durch § 68 Abs. 1 Satz 2 EStG angeordnete Ausschluss des Zeugnisverweigerungsrechts eines volljährigen Kindes sich auf das Verwaltungsverfahren beschränke und im finanzgerichtlichen Verfahren nicht gelte. Denn die Beweisaufnahme im finanzgerichtlichen Verfahren werde durch die §§ 81 bis 89 FGO geregelt. Dort enthalte § 84 FGO einen uneingeschränkten Verweis auf § 101 AO, d.h. ohne dessen Einschränkung durch § 68 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 EStG.
Der Senat folgt allerdings der Ansicht von Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 84 FGO Rz 1, Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler (HHSp), § 84 FGO Rz 16 und Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, § 68 EStG Rz 7, dass die Mitwirkungspflicht des § 68 Abs. 1 Satz 2 EStG sich auch auf das finanzgerichtliche Verfahren erstreckt. Diese Auffassung steht demnach im Einklang mit der Gesetzessystematik, denn § 84 FGO verweist hinsichtlich des Zeugnisverweigerungsrechts nicht auf die Regelung in §§ 383 bis 385 ZPO, sondern auf §§ 101 bis 103 AO, um die Einheitlichkeit des Zeugnisverweigerungsrechts für das Steuerverwaltungsverfahren und das Gerichtsverfahren zu gewährleisten (Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 84 FGO Rz 1; Schallmoser in HHSp, § 84 FGO Rz 4).
Die Mitwirkungspflicht volljähriger Kinder in Kindergeldsachen (§ 68 Abs. 1 Satz 2 EStG) erstreckt sich auch auf das finanzgerichtliche Verfahren. Aufgrund des dadurch angeordneten Ausschlusses des § 101 AO hat das Kind insoweit im finanzgerichtlichen Verfahren kein Zeugnisverweigerungsrecht.