Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten darum, ob die beklagte Familienkasse zu Recht die Festsetzung von Kindergeld abgelehnt hat, weil das Kind nicht außerstande sei, sich selbst zu unterhalten, insbesondere ob die Eingliederungshilfe auch dann "gegenläufig" beim existenziellen Lebensbedarf zu berücksichtigen ist, wenn das Kind weder voll- noch teilstationär untergebracht ist. Der Kläger beantragte für seinen Sohn M im April 2013 rückwirkend ab 2006 Kindergeld. M ist seit seiner Geburt schwerbehindert, Grad der Behinderung 100, Merkzeichen: G, aG und H. Der Kläger trug vor, dass M, der Mitarbeiter der Familienkasse ist, trotz seines Einkommens nicht in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt aufgrund der hohen behinderungsbedingten Ausgaben selbst zu bestreiten.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die beim BFH anhängige Nichtzulassungsbeschwerde wird dort unter dem Az. III B 124/17 geführt.
Die Gründe:
Die Familienkasse hat zu Unrecht die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum von Januar 2009 bis Oktober 2013 abgelehnt.
Nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG wird ein Kind kindergeldrechtlich berücksichtigt, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und wenn die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Es müssen demnach zwei Feststellungen getroffen werden: das Vorliegen einer Behinderung - vorliegend unstreitig gegeben - und die fehlende Fähigkeit zum Selbstunterhalt.
Ein Kind ist dann imstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es über eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, die zur Bestreitung seines gesamten notwendigen Lebensunterhalts ausreicht. Die Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich des gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits. Der gesamte existentielle Lebensbedarf des behinderten Kindes setzt sich dabei typischerweise aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen.
Zum behinderungsbedingten Mehrbedarf gehören alle mit einer Behinderung zusammenhängenden außergewöhnlichen Belastungen, zum Beispiel Aufwendungen für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, für die Pflege sowie für einen erhöhten Wäschebedarf. Als Einzelnachweis sind sämtliche Leistungen nach dem SGB XII sowie Pflegegeld aus der Pflegeversicherung zu berücksichtigen.
Zu den Leistungen nach dem SGB XII gehört gem. §§ 53 ff. auch die Eingliederungshilfe, sodass vorliegend der Betrag i.H.v. rd. 4.800 € (2009 bis 2012) bzw. 4.000 € (2013) bei der Berechnung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs anzusetzen ist. Der Auffassung der Familienkasse, dass die Eingliederungshilfe nur dann als behinderungsbedingter Mehrbedarf in Ansatz gebracht werden kann, wenn das Kind voll- oder teilstationär untergebracht ist, ist nicht zu folgen.
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