Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer hat. Die Klägerin ist polnische Staatsbürgerin und unterhält mit ihrem Ehemann in Polen eine gemeinsame Wohnung. Im Januar 2016 schloss sie mit der C-GmbH einen Vertrag zur Vermittlung von Aufträgen im Bereich Seniorenbetreuung & Haushaltsdienstleistungen ab. Die Klägerin sicherte der C-GmbH zu, ein eigenes Dienstleistungsgewerbe als selbstständiger Dienstleister anzumelden; sie sollte nicht Arbeitnehmer der C-GmbH sein und die Pflichten eines Selbstständigen selbst erfüllen (z.B. Abgabe jährlicher Steuererklärungen). Die C-GmbH ihrerseits war verpflichtet, der Klägerin für die Vertragslaufzeit so viele Aufträge wie gewünscht zu vermitteln und dabei Wünsche der Klägerin in Bezug auf Betreuungszeitpunkt, Einsatzbeginn und -dauer beim deutschen Kunden zu beachten.
Der Bevollmächtigte der Klägerin forderte das beklagte Finanzamt zur Erteilung einer Steuernummer auf. Dieses lehnte die Erteilung einer Steuernummer für die Klägerin förmlich ab. Die Klägerin sei wegen fehlenden Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthalts im Inland nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Es fehle für die Annahme einer beschränkten Steuerpflicht an einer inländischen Betriebsstätte. Umsatzsteuerlich sei die Klägerin zwar Unternehmerin, der Ort der sonstigen Leistung liege aber in Polen, sodass die Umsätze im Inland nicht steuerbar seien.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision zum BFH wurde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.
Die Gründe:
Zwar ist grundsätzlich zumindest für umsatzsteuerliche Zwecke von einem Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer Steuernummer auch schon vor Abgabe von Steuererklärungen auszugehen, dieser Anspruch hätte aber gegenüber dem zuständigen Finanzamt Q geltend gemacht werden müssen. Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch von Unternehmern i.S.d. § 2 UStG auf Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke ist zwar weder im Gemeinschaftsrecht noch im inländischen Recht ausdrücklich vorgesehen; ein solcher Anspruch ergibt sich aber mittelbar aus § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 UStG. Der danach bestehende Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer der Klägerin ist allerdings nicht gegenüber dem beklagten Finanzamt, sondern gegenüber dem Finanzamt Q geltend zu machen.
Gem. § 21 Abs. 1 S. 1 AO ist für die Umsatzsteuer das Finanzamt örtlich zuständig, von dessen Bezirk aus der Unternehmer sein Unternehmen im Geltungsbereich des Gesetzes ganz oder vorwiegend betreibt. Nach Satz 2 der Vorschrift kann das BMF allerdings zur Sicherstellung der Besteuerung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für Unternehmer, die Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes haben, die örtliche Zuständigkeit einer Finanzbehörde für den Geltungsbereich des Gesetzes übertragen. Von dieser Ermächtigung wurde Gebrauch gemacht durch die Umsatzsteuerzuständigkeitsverordnung (UStZustV). Nach § 1 Nr. 20 Buchst. b) UStZustV ist für die Umsatzsteuer der in Polen ansässigen Unternehmer mit der Buchstabengruppe der Klägerin örtlich zuständig i.S.d. § 21 Abs. 1 S. 2 AO das FA Q.
Die Klägerin ist aufgrund ihres Hauptwohnsitzes in Polen eine in Polen ansässige Unternehmerin. Die zentrale Zuständigkeit nach § 21 Abs. 1 S. 2 AO gilt bereits dann, wenn auch nur ein Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Kriterien Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung im Ausland gegeben ist und hat Vorrang vor § 21 Abs. 1 S. 1 AO (AEAO zu § 21 AO). Ein möglicherweise zusätzlich im Inland beim Dienstleistungsempfänger bestehender weiterer Wohnsitz lässt die Ansässigkeit der Klägerin Polen nicht entfallen. Eine andere Auslegung würde die Durchführung der Besteuerung von Steuerpflichtigen wie der Klägerin in der Praxis unnötig erschweren. Sollte nämlich die Klägerin ihre jeweils zweimonatigen Dienstzyklen in unterschiedlichen Finanzamtsbezirken ableisten, wären für ihre Umsatzbesteuerung bzw. die Erteilung einer Steuernummer jeweils unterschiedliche Finanzämter zuständig.
Genau dies sollte durch die Schaffung der speziellen Zuständigkeitsregelung vermieden werden und gilt jedenfalls so lange, wie die Klägerin keine Steuererklärungen eingereicht hat, die den Beklagten ertragsteuerlich zur Bearbeitung zwingen würden. Einem danach denkbaren Auseinanderfallen der örtlichen Zuständigkeiten für die Ertrags- und die Umsatzbesteuerung, welches zu einem erschwerten Verwaltungsvollzug führen könnte, kann ohne weiteres durch Herbeiführung einer Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO begegnet werden. Ein Anspruch gegen das beklagte Finanzamt auf Erteilung einer Steuernummer für ertragsteuerliche Zwecke lässt sich - jedenfalls vor Abgabe einer entsprechenden Steuererklärung - nicht herleiten. Ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer Steuernummer für ertragsteuerliche Zwecke besteht nicht. Die Erteilung einer Steuernummer hat organisatorische Gründe; bindende Entscheidungen für das Verwaltungsverfahren werden durch die Zuteilung damit nicht getroffen.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist in der Rechtsprechungsdatenbank NRW veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.