Der Sachverhalt:
Die Klägerin war (zeitweise) an insgesamt sechs GmbH & Co. KGs (KGs) jeweils als Kommanditistin beteiligt. Die KGs boten ihren Kunden überwiegend die Verbuchung laufender Geschäftsvorfälle an. Dabei handelte es sich um Leistungen, welche bis zur Gründung der KGs inhaltsgleich von der Klägerin direkt an diese Kunden erbracht worden waren. Die KGs hatten keine eigenen Angestellten und keine eigenen sächlichen Aktiva. Sie schlossen zwar im eigenen Namen Verträge mit den betreffenden Kunden ab, die vereinbarten Buchführungsleistungen wurden aber mit den Sach- und Personalmitteln der Klägerin ausgeführt. Die Entgelte der Kunden vereinnahmten die KGs jeweils auf eigene Rechnung.
Die KGs erbrachten ihre Leistungen ausschließlich gegenüber Kunden, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt waren, wobei die Umsätze der einzelnen KGs jeweils unterhalb der Kleinunternehmergrenze blieben. Teilweise wurden die gleichen Kunden nacheinander von mehreren der KGs betreut, ohne dass sich dadurch an der Leistungsausführung inhaltlich etwas änderte und ohne dass erkennbar war, nach welchen sachlichen Kriterien (außer der Nichtüberschreitung der Kleinunternehmergrenze) die Beteiligten entschieden, welche KG vom jeweiligen Kunden beauftragt wurde.
Aufgrund einer bei der Klägerin sowie den KGs durchgeführten Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die entsprechenden Umsätze der KGs der Klägerin zuzurechnen seien, da die Gestaltung, nach der Buchführungs- und Lohnabrechnungsleistungen auf die KGs ausgelagert und aufgrund Unterschreitung der Kleinunternehmergrenze nicht der Umsatz- und Gewerbesteuer unterworfen wurden, missbräuchlich sei. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Gründe:
Zu Unrecht hat das Finanzamt die Umsatzsteuer gegenüber der Klägerin unter Hinzurechnung der Umsätze der KGs festgesetzt, auch wenn die durch die Gestaltung bezweckte Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung durch die KGs missbräuchlich ist. Die Feststellungen des FG lassen jedoch keine endgültige Beurteilung hinsichtlich der steuerlichen Berücksichtigung der Überlassung von Personal und Sachmitteln an die KGs durch die Klägerin zu.
Auch wenn § 19 UStG vom allgemeinen Unternehmerbegriff des § 2 UStG ausgeht und es keine typischen Kleinunternehmer gibt, da die Beurteilung ausschließlich von der Umsatzhöhe und nicht von einer bestimmten Rechtsform oder Tätigkeit abhängt, liegt der Regelung doch das Bild einer "kleinen" unternehmerischen Einheit zu Grunde, die sowohl auf Seiten des Unternehmens als auch der Verwaltung keinen Verwaltungsaufwand rechtfertigt. Mit der Sonderregelung soll den Kleinunternehmern der Aufwand erspart werden, der mit der Abführung der Mehrwertsteuer verbunden wäre und der sie aufgrund des geringen Umfangs ihrer Tätigkeiten überproportional treffen würde. Dies soll zu einer stärkeren Gründung und Tätigkeit von Kleinunternehmen führen und deren Wettbewerbsfähigkeit stärken. Zugleich dient die Regelung der Verwaltungsvereinfachung für die Steuerverwaltung, da sich diese nicht mit der Erhebung geringster Steuerbeträge bei einer großen Zahl von Kleinunternehmern befassen muss.
Der Zweck der Vorschrift liegt nicht in der Existenzsicherung des Kleinunternehmers, da die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Unternehmers keine Rolle spielen. Auch eine Subventionierung von Kleinunternehmern ist seit Streichung des ehemaligen Freibetrags in § 19 Abs. 3 UStG a.F. mit Wirkung zum 1.1.1990 nicht mehr beabsichtigt. Mit der planmäßigen Aufspaltung und künstlichen Verlagerung von Umsätzen auf die KGs mit dem Ziel, so die Kleinunternehmergrenze jeweils nicht zu überschreiten, wurde im Streitfall der Vereinfachungszweck des § 19 UStG verfehlt und die Kleinunternehmerregelung missbräuchlich in Anspruch genommen. Eine durch Aufspaltung erzielte mehrfache Inanspruchnahme der Kleinunternehmervergünstigung stellt eine Verletzung des Neutralitätsprinzips dar.
Im vorliegenden Fall potenzierte sich der Wettbewerbsvorteil der aufgespaltenen Kleinunternehmen. Gleichzeitig wirkte sich ein Vorsteuerausschluss nicht verzerrungsmindernd aus, da die KGs kaum Eingangsleistungen bezogen, sondern ihr Geschäft mittels des "Gesellschafterbeitrags" der Steuerpflichtigen bestritten. Da somit die typisierenden Annahmen des Gesetzgebers nicht mehr erfüllt wurden und insgesamt die Bagatellgrenze überschritten wurde, läge ein nicht mehr gerechtfertigter Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz vor. Infolgedessen lag eine missbräuchliche mehrfache Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung vor. Die Verlagerung von Umsätzen auf die KGs erfolgte missbräuchlich allein mit der Zielsetzung, jeweils die Umsatzgrenzen der Kleinunternehmerregelung in Anspruch zu nehmen, ohne durch außersteuerliche Gründe gerechtfertigt zu sein. Da eine Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung durch die KGs folglich zweckwidrig und missbräuchlich wäre, war sie den KGs in Übereinstimmung mit den unionsrechtlichen Vorgaben zu versagen.
Linkhinweis:
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