Der Sachverhalt:
Der Kläger führte im Rahmen seiner Tätigkeit als Gebrauchtwagenhändler steuerbare Umsätze aus, die der Differenzbesteuerung gem. § 25a UStG unterlagen. Die in 2009 und dem Streitjahr 2010 ausgeführten Umsätze des Klägers betrugen bei einer Ermittlung nach vereinnahmten Entgelten 27.358 € bzw. 25.115 €. Die umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage ermittelte der Kläger gem. § 25a Abs. 3 UStG nach dem Differenzbetrag (Handelsspanne) mit 17.328 € (2009) bzw. 17.470 € (Streitjahr). Er nahm in seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr deshalb an, dass er - wie auch zuvor - "Kleinunternehmer" i.S.v. § 19 Abs. 1 UStG sei.
Das Finanzamt versagte dagegen die Anwendung der Kleinunternehmerregelung. Der Gesamtumsatz des Klägers habe in dem vorangegangenen Kalenderjahr 2009 gemessen an den vereinnahmten Entgelten über der Grenze von 17.500 € gelegen. Das FG gab der Klage statt. Mit der Revision rügte das Finanzamt, das FG habe Art. 288 Satz 1 Nr. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) fehlerhaft ausgelegt. Der Senat hat mit Beschluss vom 7.2.2018 - XI R 7/16 (Umsatzsteuer-Rundschau - UR 2018, 530) das Revisionsverfahren ausgesetzt und die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Hierauf hat der EuGH mit seinem Urteil vom 29.7.2019 - C-388/18 wie folgt geantwortet:
"Art. 288 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin gehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung oder einer nationalen Verwaltungspraxis entgegensteht, wonach bei der Ermittlung des Umsatzes, der für die Anwendbarkeit der Sonderregelung für Kleinunternehmen auf einen der Differenzbesteuerung bei steuerpflichtigen Wiederverkäufern unterliegenden Steuerpflichtigen zugrunde zu legen ist, gemäß Art. 315 der Richtlinie nur die erzielte Handelsspanne berücksichtigt wird. Dieser Umsatz ist auf der Grundlage aller von dem steuerpflichtigen Wiederverkäufer vereinnahmten oder zu vereinnahmenden Beträge ohne Mehrwertsteuer zu ermitteln, unabhängig von den Modalitäten, nach denen diese Beträge tatsächlich besteuert werden."
Daraufhin hat der Senat die Entscheidung des FG aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Gründe:
Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass bei der Ermittlung der Umsatzgrenzen nach der Kleinunternehmerregelung i.S.v. § 19 UStG bei einem Händler, der - wie hier der Kläger - der Differenzbesteuerung i.S.v. § 25a UStG unterliegt, nur auf die Differenzumsätze und nicht auf die Gesamtentgelte abzustellen ist. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung i.S.v. § 19 Abs. 1 UStG sind nicht erfüllt.
§ 19 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 25a Abs. 3 Satz 1 UStG sind nach unionsrechtlichen Maßgaben nicht dahingehend auszulegen, dass zur Ermittlung der betreffenden Umsatzgrößen bei einem Fall wie dem vorliegenden auf die Summe der Differenzbeträge i.S.d. § 25a Abs. 3 UStG abzustellen ist, unabhängig von der Höhe der vereinnahmten Entgelte. Nach Art. 288 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL setzt sich der Umsatz, der bei der Anwendung der Sonderregelung für Kleinunternehmen zugrunde zu legen ist, aus dem Betrag ohne Mehrwertsteuer der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen zusammen, soweit diese besteuert werden.
Nach EuGH-Rechtsprechung setzt sich der Umsatz des Steuerpflichtigen schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung aus dem Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer der besteuerten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen zusammensetzt, wobei sich das Wort "besteuert" aber nicht auf das Wort "Betrag", sondern auf "Lieferungen" oder "Leistungen" bezieht. Er hat entschieden, dass eine wörtliche Auslegung von Art. 288 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL deshalb impliziert, dass der Gesamtbetrag der von den steuerpflichtigen Wiederverkäufern ausgeführten Lieferungen und nicht deren Handelsspanne den Umsatz darstellt, der für die Anwendbarkeit der Sonderregelung für Kleinunternehmen zugrunde zu legen ist. Diese Auslegung wird durch die Systematik, die Entstehungsgeschichte und die Zielsetzung der Mehrwertsteuerrichtlinie bestätigt.
Das FG hatte daher im Streitfall die Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung zu Unrecht bejaht.
Bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes nach der Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) ist bei einem Händler, der der Differenzbesteuerung (§ 25a UStG) unterliegt, nicht auf die Differenz zwischen dem geforderten Verkaufspreis und dem Einkaufspreis (Handelsspanne), sondern auf die Gesamteinnahmen abzustellen.