Es ist keine Verschiebung der Einführung der Novelle zu erwarten. Das bestätigte die Bafin jüngst in ihrem FAQ unter der Rubrik Aktuelles zum Corona-Virus: „Die Arbeiten an der Novellierung der MaRisk gehen mit einer gewissen Verzögerung weiter, wobei die neuen Vorgaben nicht zum Stichtag 31.12.2020 gelten und auch nicht für das Jahr 2020 prüfungsrelevant sein werden. Darüber hinaus wird auch nach der Einführung Anfang 2021 die geübte Praxis angewendet werden, Übergangsfristen für neue Anforderungen zu gewähren, die mit Augenmaß festgelegt werden.“
Nachfolgend werden die wichtigsten Neuerungen erläutert.
Große und komplexe Institute
Die MaRisk richtet sich an alle nationalen Institute unter der Berücksichtigung des Prinzips der doppelten Proportionalität. Besondere Anforderungen galten für „systemrelevante Institute“ (bspw. Datenmanagement, Aggregation von Risikodaten, Risikocontrolling- und Compliance-Funktion). Gemäß Konsultation ist geplant, die dass die besonderen Anforderungen nun auch für „große und komplexe Institute“ gelten sollen, deren Bilanzsumme auf Einzelinstitutsebene oder konsolidiert auf Gruppenebene EUR 30 Mrd. erreicht oder überschritten hat.
Notleidende Risikopositionen
Um den nachhaltigen Abbau von insbesondere im Rahmen der Finanzkrise aufgebauten notleitenden Krediten zu forcieren, wurden im Oktober 2018 die EBA-Leitlinie über das Management notleidender und gestundeter Risikopositionen final veröffentlicht und jetzt mit der MaRisk-Novelle in nationales Recht umgesetzt.
Insbesondere für Institute mit einer Quote notleidender Kredite (NPL-Quote) von 5 % oder mehr (sog. „Institute mit hohem NPL-Bestand“) gelten zusätzliche Anforderungen. So haben sie eine Strategie für notleidende Risikopositionen einzuführen, um einen zeitlich festgelegten Abbau der notleidenden Risikopositionen über einen realistischen, aber hinreichend ambitionierten Zeithorizont anzustreben. Der strukturierte Abbau der NPL-Bestände soll durch spezialisierte NPE-Abwicklungseinheiten erfolgen, die grundsätzlich vom Kreditvergabeprozess getrennt und nicht im Markt anzusiedeln sind. Eine Überwachung der strategischen Abbauziele und insbesondere deren Auswirkung auf die Eigenmittelanforderungen sowie eine entsprechende Berichterstattung hierüber hat durch die Risikocontrolling-Funktion anhand zu definierender Leistungsindikatoren zu erfolgen.
Die BaFin kann zudem die Einhaltung der genannten Anforderungen auch von Instituten verlangen, die eine geringe NPL-Quote, aber ein wesentlicher Anteil an notleidenden Risikopositionen in einem Portfolio aufweisen.
Hinweis: Institute, welche absehbar als Institute mit hohem NPL-Bestand zu qualifizieren sind bzw. ggf. eine hohe portfolioindividuelle NPL-Quote aufweisen, sehen sich hohen aufbau- und ablauforganisatorischen Herausforderungen gegenüber und sollten zeitnah einen Umsetzungsplan für die neuen Anforderungen verabschieden.
Risikotragfähigkeit und Risikomanagement
Künftig ist zur Sicherstellung der Risikotragfähigkeit neben der normativen Perspektive auch die ökonomische Perspektive zu berücksichtigen. Damit werden die Vorgaben des aufsichtlichen Leitfadens zur Risikotragfähigkeit in die MaRisk überführt.
Hinweis: Die Anwendung der bislang von der Aufsicht akzeptierten „Going Concern-Ansätze alter Prägung“ ist künftig nicht mehr möglich. Institute, die noch diese alten Ansätze nutzen, sollten zeitnah ihr Risikotragfähigkeitskonzept entsprechend dem Risikotragfähigkeitsleitfaden der BaFin umstellen.
Ergänzend müssen künftig unwesentliche Risiken, die aggregiert wesentlich sind, im Rahmen der Risikotragfähigkeitsrechnung angemessen berücksichtigt werden.
Das Management operationeller Risiken sollte sich insbesondere auf deren wesentliche Ausprägungen erstrecken, welche anhand retrospektiver und prospektiver Analysen zu ermitteln sind.
Zudem wird in den neuen MaRisk klargestellt, dass sich die regelmäßige Risikoberichterstattung auch auf vorhandene Risikokonzentrationen erstrecken muss.
Notfallmanagement
Parallel zu den ebenfalls in Konsultation befindlichen BAIT erfolgte auch eine Überarbeitung der Anforderungen zum Notfallmanagement. Handlungsfelder betreffen insbesondere Auswirkungs- und Risikoanalysen, Notfallkonzepte sowie die Berichterstattung an die Geschäftsleitung (siehe Übersicht 1).
Auslagerungen
Die Anpassung der MaRisk an die EBA-Leitlinien zu Auslagerungen ist ein Schwerpunkt der Novelle, daraus ergeben sich umfangreiche Neuerungen für die Institute.
So wurden die Anforderungen an die regelmäßig vorzunehmende Risikoanalyse erweitert, wobei, soweit sinnvoll, diese zukünftig durch eine Szenarioanalyse zu ergänzen ist.
Vor der Auslagerung haben Institute zukünftig zu überprüfen, ob das Auslagerungsunternehmen nach dem Recht seines Sitzlandes befugt ist, die ausgelagerte Tätigkeit auszuüben.
Die Mindestanforderungen an die Verträge mit wesentlichen Auslagerungspartnern wurden deutlich erweitert; so wurden bspw. die Regelungen zum Datenschutz konkretisiert und Aussagen zu Notfallkonzepten aufgenommen. Das Auslagerungsunternehmen hat sich zudem auf den Verhaltenskodex des auslagernden Instituts zu verpflichten und im Falle einer Kündigung des Auslagerungsvertrages die Reintegration der ausgelagerten Leistung in das Institut zu unterstützen. Auch im Falle einer Insolvenz oder einer Einstellung der Geschäftstätigkeit des Auslagerungsunternehmens muss ein Zugriff auf die bei Auslagerungsunternehmen gelagerten Daten sichergestellt sein.
Neu ist die Funktion eines zentralen Auslagerungsbeauftragten, welcher der Geschäftsleitung unmittelbar zu unterstellen ist und das zentrale Auslagerungsmanagement zu unterstützen hat.
Hinsichtlich gruppen- und verbundinterner Auslagerungen wurde Erleichterungen eingeräumt. So wirken sich ein einheitliches Risikomanagement und Durchgriffsrechte risikomindernd aus. Für gemeinsame Auslagerungen besteht die Möglichkeit, auf Gruppen- oder Verbandsebene ein zentrales Auslagerungsmanagement einzurichten, welches u. a. auch eine Vorauswertung der Risikoberichte der Auslagerungsunternehmen vornehmen kann. Auf die Erstellung von Ausstiegsprozessen und Handlungsoptionen kann bei gruppen- und verbundinternen Auslagerungen verzichtet werden.
Neu sind auch konkrete Anforderungen an ein Auslagerungsregister, welches wesentliche Informationen zu den bestehenden Auslagerungen zu enthalten hat (siehe Übersicht 2).
Insgesamt dürfen die Auslagerungen nicht dazu führen, dass das Institut nur noch als „leere Hülle“ existiert.
Die BaFin hat zudem klargestellt, dass sich die neuen Anforderungen auch in der schriftlich fixierten Ordnung der Institute widerspiegeln muss.
Hinweis: Im Rahmen einer Gap-Analyse sollte zeitnah der notwendige Anpassungsbedarf, insbesondere hinsichtlich des Vertragswesens, geprüft und anschließend umgesetzt werden.
Kredit- und Handelsgeschäfte
Insgesamt ergibt sich aus der MaRisk-Novelle eine Erhöhung der Anforderungen an die Wertermittlung von Immobiliensicherheiten, insbesondere an die Qualifikation und Unabhängigkeit der Wertermittler.
Zudem erfolgt eine Klarstellung, dass eine regelmäßige Bewertung der Rückzahlungsfähigkeit des Kreditnehmers auch bei endfälligen Krediten durchzuführen ist.
Hinweis: Eine fortlaufende Zahlung der Zinsbeträge stellt kein ausreichendes Indiz dar, um von einer Rückzahlungsfähigkeit des Kreditnehmers auszugehen.
Bei Sicherheiten für Problemkredite ist auf den Realisationswert abzustellen, d. h. es haben eine Abzinsung und angemessene Wertabschläge zu erfolgen, welche ausreichend zu begründen sind.
Zudem hat zukünftig ein Backtesting hinsichtlich der gebildeten Risikovorsorge zu erfolgen.
Forbearance
Nach der Mitte 2019 erfolgten Ergänzung der CRR um Regelungen zum Umgang mit NLP wurden die entsprechenden Anforderungen in den MaRisk deutlich ergänzt und erweitert.
Forbearance sind Zugeständnisse an Kreditnehmer, die diesen aufgrund finanzieller Schwierigkeiten gewährt wurden und deren Ziel die tragfähige Rückführung des Kreditengagements ist. Hierfür hat das Institut eine Richtlinie zu implementieren, welche den Prozess und die erforderlichen Forbearance-Maßnahmen darstellt.
Hinweis: Die Umsetzung der Anforderungen an Forbearance erfordert eine umfangreiche Anpassung der Aufbau- und Ablauforganisation (siehe Übersicht 3), womit zeitnah begonnen werden sollte.
Handelsgeschäfte
Nachdem bereits Anfang 2020 u. a. das KWG um Regelungen zu Kryptowerten ergänzt wurde, erfolgt mit der MaRisk-Novelle die Aufnahme von Kryptowerten in den Anwendungsbereich der Handelsgeschäfte.
Hinweis: Dem erwarteten hohen Anpassungsbedarf der Aufbau- und Ablauforganisation durch die MaRisk-Novelle sollte durch eine frühzeitige Gap-Analyse sowie Planung entsprechender Umsetzungsprojekten Rechnung getragen werden.