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Steuerberatung

Kosten für Vorhalten einer Wohnung als Werbungskosten

FG Berlin-Brandenburg 1.6.2017, 3 K 3278/14

Auf­wen­dun­gen für das Vor­hal­ten ei­ner (un­ge­nutz­ten) Woh­nung sind Wer­bungs­kos­ten, wenn das Vor­hal­ten aus­schließlich aus be­ruf­li­chen Gründen er­folgt. Bei der Prüfung, ob pri­vate Gründe für das Vor­hal­ten der Woh­nung keine Rolle ge­spielt ha­ben, ist ein stren­ger Maßstab an­zu­le­gen.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin war seit 1998 als Au­genärz­tin (Oberärz­tin) an ei­ner ehe­mals städti­schen Kli­nik in B tätig, spätes­tens seit 2000 mit einem un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag. Eben­falls seit 1998 be­wohnte die Kläge­rin eine 2 1/2-Zim­mer-Woh­nung, 65 qm, zur Miete, zu­letzt für mtl. warm 760 €. 2010 brachte sie ihre Toch­ter D zur Welt. Dar­auf­hin ging sie in El­tern­zeit bis März 2013. Nach der Ge­burt zog sie zu ih­rem Le­bens­gefähr­ten E, der in F ar­bei­tete und wohnte, kündigte die B-Woh­nung je­doch nicht. Ende 2010 ging sie zu­sam­men mit ih­rem Le­bens­gefähr­ten nach G, wo die­ser eine Stelle ge­fun­den hatte. An der dor­ti­gen Au­gen­kli­nik nahm sie eine Teil­zeit­stelle als Au­genärz­tin in dem während der El­tern­zeit mögli­chen Um­fang an und be­en­dete ihre Ha­bi­li­ta­tion.

Die Pla­nung der Fa­mi­lie war die, dass der Fa­mi­li­en­wohn­sitz mit dem Kind in G blei­ben sollte und die Kläge­rin nach dem Ende der El­tern­zeit wie­der auf ih­rer Voll­zeit­stelle in B ar­bei­ten würde. Die Kläge­rin hoffte darüber hin­aus, in B Chefärz­tin wer­den zu können (was sich al­ler­dings nicht ver­wirk­lichte). Da in B ein star­ker Woh­nungs­man­gel herrscht, die bis­he­rige Woh­nung der Kläge­rin auf­grund des al­ten Miet­ver­tra­ges preisgüns­tig war und ein Aus­zug und eine spätere Woh­nungs­su­che mit er­neu­tem Ein­zug mit er­heb­li­chem fi­nan­zi­el­lem wie or­ga­ni­sa­to­ri­schem Auf­wand ver­bun­den ge­we­sen wäre, be­hielt die Kläge­rin die B-Woh­nung während des Auf­ent­halts in G wei­ter bei. Um die Kos­ten je­doch ge­ring zu hal­ten, ver­miete sie die B-Woh­nung teil­weise un­ter. Im Streit­jahr 2011 wen­dete sie rd. 5.600 € auf, wo­bei in die­sem Be­trag die Ein­nah­men aus der Un­ter­ver­mie­tung be­reits min­dernd berück­sich­tigt sind.

In­zwi­schen ta­ten sich für die Kläge­rin je­doch an­dere be­ruf­li­che Möglich­kei­ten auf, so dass der ur­sprüng­li­che Plan, die Ar­beit in B wie­der auf­zu­neh­men, von ihr auf­ge­ge­ben wurde. Im März 2012 schloss sie mit ei­ner Kli­nik in I einen Ar­beits­ver­trag über eine Voll­zeit­stelle als Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin ab 1.4.2012. Am 22.4.2012 kündigte sie ihre B-Woh­nung. Im De­zem­ber 2012 kündigte die Kläge­rin ihr Ar­beits­verhält­nis in Bzum Ab­lauf der El­tern­zeit am 21.3.2013. Im Laufe des Jah­res 2013 ver­legte sie mit ih­rem Le­bens­gefähr­ten die ge­mein­same Fa­mi­li­en­woh­nung nach Iso dass jetzt die­ser seine be­ruf­li­che Zweit­woh­nung in G hat. In ih­rer Ein­kom­men­steu­er­erklärung 2011 machte die Kläge­rin Mehr­auf­wen­dun­gen für eine dop­pelte Haus­haltsführung am Be­schäfti­gungs­ort B i.H.v. rd. 5.600 € gel­tend. Das Fi­nanz­amt er­kannte diese Auf­wen­dun­gen nicht an, da sich so­wohl der Le­bens­mit­tel­punkt als auch die Ar­beitsstätte der Kläge­rin in G be­fan­den.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­tem Klage statt. Die Re­vi­sion zum BFH wurde nicht zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Die Auf­wen­dun­gen für das Vor­hal­ten der Woh­nung in B sind zwar keine Kos­ten für eine be­ruf­lich ver­an­lasste dop­pelte Haus­haltsführung (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG), da die Kläge­rin in die­ser Woh­nung im Streit­zeit­raum gar kei­nen Haus­halt geführt, sich kaum darin auf­ge­hal­ten hat. Sie sind je­doch als Wer­bungs­kos­ten an­de­rer Art (§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG) ab­zieh­bar.

Es ist vor­lie­gend da­von aus­zu­ge­hen, dass das Vor­hal­ten der Woh­nung in B aus­schließlich aus be­ruf­li­chen Gründen er­folgt ist und denk­bare an­dere, pri­vate Gründe ent­we­der gar nicht vor­la­gen oder al­len­falls völlig ge­ringfügig und un­ter­ge­ord­net wa­ren. Bei die­ser Über­zeu­gungs­bil­dung ist zwar ein stren­ger Maßstab an­zu­le­gen. Denn es sind viel­fach denk­bare pri­vate Gründe in Be­tracht zu zie­hen. So könnte sich die Kläge­rin die Woh­nung etwa auch vor­ge­hal­ten ha­ben, um ggf. einen Rück­zugs­ort zur Verfügung zu ha­ben, oder weil sie gerne die Wo­chen­en­den dort ver­brin­gen mochte. Eine rein be­ruf­li­che Ver­an­las­sung für das Vor­hal­ten ei­ner Woh­nung darf da­her nicht leicht­fer­tig an­ge­nom­men wer­den.

Ent­schei­dend war hier zum einen der Um­stand, dass die Kläge­rin in B nicht le­dig­lich eine vage Aus­sicht auf ein Ar­beits­verhält­nis hatte. Viel­mehr lag ein un­be­fris­te­tes und un­gekündig­tes Ar­beits­verhält­nis vor, le­dig­lich un­ter­bro­chen durch Mut­ter­schutz­zeit und El­tern­zeit. Die Kläge­rin hätte da­her, hätte sie nicht noch et­was Bes­se­res ge­fun­den, ohne wei­te­res nach Ende der El­tern­zeit in B wie­der ar­bei­ten können. Ab dann hätte auch gar kein Zwei­fel be­stan­den, dass mit der Fa­mi­li­en­woh­nung in G eine dop­pelte Haus­haltsführung am Be­schäfti­gungs­ort B vor­ge­le­gen hätte (Weg­ver­le­gungs­fall).

Hier hat die Kläge­rin die Woh­nung in B rd. drei­ein­halb Wo­chen gekündigt, nach­dem sie den Ar­beits­ver­trag in I un­ter­zeich­net hatte. Außer­dem hat die Kläge­rin die Woh­nung anläss­lich der Kündi­gung ih­rer Ver­mie­te­rin zur kurz­fris­ti­gen Rück­gabe an­ge­bo­ten. Der kau­sale Zu­sam­men­hang zwi­schen der Auf­gabe der Ab­sicht, wie­der in B zu ar­bei­ten, und der Be­en­di­gung des Vor­hal­tens der B-Woh­nung, wird durch die­sen en­gen zeit­li­chen Zu­sam­men­hang be­son­ders deut­lich. Zum an­de­ren war be­son­ders be­deut­sam, dass die Kündi­gung der (vor­ge­hal­te­nen) B-Woh­nung im un­mit­tel­ba­ren zeit­li­chen Zu­sam­men­hang mit der Begründung des I-Ar­beits­verhält­nis­ses und da­mit der be­ruf­li­chen Um­ori­en­tie­rung der Kläge­rin er­folgt ist.

Für Wer­bungs­kos­ten gibt es keine ab­schließende Ka­te­go­ri­sie­rung (§ 9 Abs. 1 S. 3 EStG). Auch wenn die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner dop­pel­ten Haus­haltsführung nicht vor­lie­gen, können da­her Wer­bung­kos­ten ge­ge­ben sein, denn dar­un­ter fal­len recht­lich alle Auf­wen­dun­gen, die durch den Be­ruf ver­an­lasst sind. Da­her fal­len Auf­wen­dun­gen, die nicht durch die Nut­zung ei­ner Woh­nung am der­zei­ti­gen Be­schäfti­gungs­ort ent­ste­hen, son­dern durch das bloße Vor­hal­ten ei­ner (prak­ti­sch kaum be­wohn­ten) Woh­nung am zukünf­ti­gen Be­schäfti­gungs­ort, un­ter den Wer­bungs­kos­ten­be­griff, wenn, wie hier, die Er­werbs­sphäre bei wer­ten­der Be­trach­tung das auslösende Mo­ment ist. Es han­delt sich um Kos­ten der ei­ge­nen Ka­te­go­rie "Vor­hal­ten ei­ner Woh­nung aus aus­schließlich be­ruf­li­chen Gründen".

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