Gefahr der Rationierung der Gasversorgung
Sollte die Gasversorgung weiter gedrosselt werden und nicht mehr ausreichen, um die verbleibende Nachfrage zu decken, kann die Bundesregierung die 3. Notfallstufe ausrufen. Ab diesem Zeitpunkt darf staatlich in den Markt eingegriffen werden und die Bundesnetzagentur als Bundeslastverteiler erhält die Befugnis, die Gasverteilung zu organisieren und vollständige Gasabschaltungen zu verordnen. Im Falle der Rationierung der Gasversorgung drohen in Einzelfällen erhebliche Produktionsausfälle und Störungen in den Lieferketten.
Prüfbedarf der Banken aufgrund der Zinswende
Gleichzeitig steigen im Zusammenhang mit der Zinswende der Europäischen Zentralbank die Zinsen, sodass Banken sich veranlasst sehen könnten, ihre zugesagten oder vergebenen Kredite erneut zu überprüfen.
Auswirkung von Energiekrise und Zinswende auf Kreditzusagen
Wer in dieser Situation ein Unternehmen kaufen will, kann also gleich doppelt belastet sein. Einerseits geraten sie wegen der Gaskrise zunehmend unter Druck, andererseits ist es möglich, dass die finanzierende Bank sich nicht mehr an ihre Zusagen gebunden fühlen könnte.
Außerordentliche Kündigungsrechte
Im Falle einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers, durch die die Rückzahlung gefährdet wird, kann die Bank auch bereits vergebene Darlehen außerordentlich kündigen (§ 490 BGB). Neben dem gesetzlichen Kündigungsrecht werden häufig auch vertragliche Kündigungsrechte vereinbart. Sogenannte MAC-Klauseln (Material Adverse Change) finden sich in zahlreichen Darlehensverträgen in unterschiedlicher Ausgestaltung. Sie räumen den Banken ein Kündigungsrecht ein, sofern es beim Kreditnehmer während der Kreditlaufzeit zu einer für die Bank wesentlichen nachteiligen Veränderung kommen sollte.
So kann z. B. die Verschlechterung an bestimmte Kennzahlen, beispielsweise an das prognostizierte EBIT oder EBITDA geknüpft werden. Teilweise werden mögliche MAC-Events auch in eindeutigen Katalogen festgelegt. Mitunter finden sich jedoch auch allgemein formulierte Kündigungsrechte, sogenannte Generalklauseln. In diesem Fall kann jede Veränderung der wirtschaftlichen Lage oder der Rahmenbedingungen zum Anlass genommen werden, das Darlehen zu überprüfen und gegebenenfalls zu kündigen. Erfolgt die Darlehensvergabe zur Finanzierung eines Unternehmenskaufs, kann entsprechend auch die wirtschaftliche Lage des Zielunternehmens berücksichtigt werden.
Transaktionsfinanzierung prüfen
Deshalb sollten Käufer angesichts der aktuellen Entwicklungen den Einfluss der steigenden Energiepreise auf die Zielgesellschaft und Transaktionsfinanzierung prüfen. Ist das Zielunternehmen in besonderer Weise von der Gasversorgung abhängig, kann unter Umständen auf staatliche Unterstützungsprogramme zurückgegriffen werden. Falls diese jedoch nicht ausreichen, besteht die Gefahr, dass die finanzierende Bank wegen des erhöhten wirtschaftlichen Risikos versuchen könnte, die Finanzierung vor dem Vollzug der Transaktion aufzukündigen. Dies kann vor allem relevant werden, wenn zwischen Unterzeichnung und Vollzug ein größerer Zeitraum liegt, beispielsweise wegen einer ausstehenden kartellrechtlichen oder investitionskontrollrechtlichen Prüfung.
Risiko von Schadensforderungen bei Unmöglichkeit der Kaufpreiszahlung
Dies kann gravierende Folgen für den Käufer haben: Kann er nämlich am Vollzugstag den Kaufpreis nicht zahlen, drohen hohe Schadensersatzforderungen und teilweise noch zusätzliche Strafzahlungen (sogenannte break up fees). Um diesem Risiko zu begegnen, kann die MAC-Klausel des Finanzierungsvertrags durch eine entsprechende MAC-Klausel im Unternehmenskaufvertrag gespiegelt werden, sodass er sich im Falle der gescheiterten Finanzierung im Zeitraum zwischen Signing und Closing vom Kaufvertrag lösen oder zumindest Neuverhandlungen durchsetzen kann.
Vertragliche Risikoadjustierung
Um eine genauere Adjustierung der Risiken zwischen Verkäufer und Käufer zu ermöglichen, werden MAC-Klauseln häufig durch sogenannte Inclusions und Carve-Outs konkretisiert. Inclusions beschreiben dabei Fallkonstellationen, für die sich der Käufer explizit absichern will (z. B. den Fortbestand von bestimmten Produktionsstätten). Dabei wird das Risiko Richtung Verkäufer verschoben.
Häufiger anzutreffen sind jedoch Carve-Outs, die bestimmte Veränderungen von der MAC-Klausel ausnehmen. Dadurch wird das Risiko wieder zum Käufer verschoben. Typische Carve-Out-Klauseln schließen beispielsweise Veränderungen aus, die auf allgemeinen Marktentwicklungen, branchentypischen Risiken oder gesetzlichen bzw. regulatorischen Beschränkungen beruhen. Dabei handelt es sich häufig um Konsequenzen, die aus den Wirtschaftskrisen der vergangenen Jahre gezogen worden sind. Die Carve-Outs können aber auch Fälle von Naturkatastrophen oder die Kriegsfolgen ausschließen.
Fehlt es an einer vereinbarten MAC-Klausel im Unternehmenskaufvertrag, besteht für den Käufer in gravierenden Fällen unter Umständen auch die Möglichkeit, unter Berufung auf die Störung oder den Wegfall der Vertragsgrundlage den Vertrag (§ 313 BGB) zu kündigen. Damit könnte dem Käufer bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen ein Anspruch auf Vertragsanpassung (z. B. Kaufpreisreduzierung) oder - als Ultima Ratio - ein Rücktrittsrecht zustehen. Dies setzt aber voraus, dass die „Geschäftsgrundlage“ gestört bzw. weggefallen ist. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BGH nur dann ein Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vorliegen kann, wenn „die Auslegung ergibt, dass die Parteien den Wegfall der angenommenen Geschäftsgrundlage in dem Vertrage nicht geregelt haben“. Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass § 313 BGB nicht zum Zuge kommt, wenn die MAC-Klausel einschlägig ist. Das gilt auch für den Fall, in dem kein Rücktrittsrecht aus der MAC-Klausel vorliegt, weil die eingetretene Veränderung auf einem Umstand beruht, der im Carve-Out ausgeschlossen worden ist, denn in diesem Fall haben die Parteien diesen Fall ja gerade bewusst geregelt, die MAC-Klausel geht im Ergebnis also dem Institut der Wegfall der Geschäftsgrundlage vor.
Vorausschauendes Handeln unerlässlich
In jedem Fall ist vor dem Hintergrund der sich zuspitzendenden Wirtschaftskrise vorausschauendes Handeln geboten. Wesentliche Grundlage für eine Risikobegrenzung sind gut durchdachte und ausreichend verhandelte Vertragswerke, welche das aktuelle Geschehen im Blick haben.