Der Sachverhalt:
Im Jahr 2014 nahm die italienische Arzneimittelagentur (AIFA) Avastin zur Behandlung der AMD in die Liste der Arzneimittel auf, deren Kosten durch den Nationalen Gesundheitsdienst in Italien (SSN) erstattet werden können, sofern bestimmte Voraussetzungen eingehalten werden. So muss die Umverpackung von Avastin durch zugelassene Apotheken erfolgen. Außerdem müssen die Patienten, denen die Krankenhäuser dieses umgepackte Arzneimittel verabreichen, angemessene Informationen u.a. über die Existenz therapeutischer Alternativen erhalten. Zu diesen therapeutischen Alternativen zählt das speziell für die Behandlung der AMD zugelassene Lucentis. Dieses von der Gesellschaft Novartis Farma (Novartis) vermarktete Arzneimittel wird vom SSN erstattet, hat jedoch einen erheblich höheren Preis als Avastin (902 € statt 82 € je Dosis).
Novartis war der Auffassung, dass die Entscheidungen der AIFA die Anwendung von Avastin unter Voraussetzungen begünstigten, die nicht dem Inhalt seiner Genehmigung für das Inverkehrbringen entsprächen, und focht die Entscheidungen vor den italienischen Gerichten an. In diesem Zusammenhang möchte der Staatsrat in Italien vom EuGH wissen, ob die nationalen Vorschriften, die die Voraussetzungen für die Anwendung von Avastin außerhalb seiner Verkehrsgenehmigung festlegen, die Zuständigkeit der AIFA für die Pharmakovigilanz in dieser Hinsicht und die - aus wirtschaftlichen Gründen vorgesehene - Kostenübernahme für das umgepackte Avastin durch den SSN mit dem Unionsrecht vereinbar sind.
Die Gründe:
Das Unionsrecht verbietet weder die Verschreibung eines Arzneimittels außerhalb seiner Verkehrsgenehmigung noch die Umverpackung des Arzneimittels zu diesem Zweck, es macht beides aber von der Einhaltung bestimmter Voraussetzungen abhängig. Hierzu gehört die in der Richtlinie 2001/83/EG vorgesehene Verpflichtung zum Besitz einer Verkehrsgenehmigung und einer Herstellungserlaubnis. Allerdings erfordert die Umverpackung von Avastin für eine nicht von seiner Verkehrsgenehmigung gedeckte Anwendung keine neue Verkehrsgenehmigung, sofern dieser Vorgang nicht zu einer Veränderung des Arzneimittels führt, durch einen Arzt mittels eines individuellen Rezepts verschrieben wird und von zugelassenen Apotheken für die Verabreichung in Krankenhäusern vorgenommen wird. Diese Umstände sind von den nationalen Gerichten zu prüfen.
Es ist auch keine neue Herstellungserlaubnis erforderlich, wenn Avastin auf der Grundlage eines individuellen Rezepts durch eine ordnungsgemäß hierzu ermächtigte Apotheke für seine Verabreichung in Krankenhäusern umgepackt wird. Auch dies ist von den nationalen Gerichten zu prüfen. Die Richtlinie steht einer nationalen Regelung, die die Voraussetzungen festlegt, unter denen Avastin für die Zwecke seiner Anwendung zur Behandlung von nicht von seiner Verkehrsgenehmigung erfassten ophtalmologischen Indikationen umverpackt werden kann, nicht entgegen.
Das von der Verordnung Nr. 26/2004 vorgesehene Pharmakovigilanzsystem erstreckt sich im Übrigen auch auf jede nicht von der Verkehrsgenehmigung gedeckte Anwendung eines Arzneimittels. In Bezug auf ein biotechnologisches, also dem zentralisierten Verfahren unterliegendes Arzneimittel, wird die Pharmakovigilanz durch die zuständigen nationalen Behörden (wie die AIFA) und die Europäische Arzneimittelagentur (EMA), die deren Koordinierung sicherstellt, durchgeführt. Daher steht die Verordnung einer nationalen Maßnahme, die die AIFA dazu ermächtigt, Arzneimittel wie Avastin, für deren Anwendung außerhalb ihrer Verkehrsgenehmigung der SSN die Kosten übernimmt, zu überwachen und ggf. erforderliche Maßnahmen zum Schutz der Patientensicherheit zu ergreifen, nicht entgegen.
Linkhinweis:
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