Viele Unternehmen sehen sich aktuell besonders einem Problem gegenüber: der Krisenbewältigung. Neben den durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Handelsbeschränkungen und Sanktionen beeinflussen vor allem steigende Energie- und Lieferkosten die Wertschöpfungsketten der Unternehmen.
In diesen Zeiten ist es umso wichtiger, die Kosten zu senken, und das funktioniert im Bereich des Importes und Exportes von Waren an vielen Stellen. Durch verschiedene Maßnahmen können bspw. die Einfuhrabgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) minimiert werden. Ziel dieser Maßnahmen ist die unternehmensweite Optimierung des Einsatzes von Geld, Zeit und Ressourcen im Zollbereich, zumal Zölle echte Kosten sind, anders als die zumeist als Vorsteuer abziehbare Einfuhrumsatzsteuer.
Erfolgversprechende Möglichkeiten, Kosten im Zusammenhang mit der Verzollung zu reduzieren bzw. zu optimieren, sind u.a.:
1) Auswahl des richtigen Zollsatzes
Eine der wichtigsten Stellschrauben ist die Tarifierung der Ware. Denn jeder Ware ist eine Zolltarifnummer und damit ein spezifischer Zollsatz zugeordnet. Auch die Höhe der (Einfuhr-) Umsatzsteuer - Regelsteuersatz (19 %) oder ermäßigter Steuersatz (7 %) - ist von der Zolltarifnummer abhängig. Eine falsche Tarifierung der Ware führt häufig zu hohen oder zu niedrigen Einfuhrabgabenzahlungen. Letzteres fällt oft erst im Rahmen einer Zollprüfung auf und führt u. U. „Jahre später“ zu einer ungeplanten höheren Zollbelastung.
Überdies kann auch die Bearbeitungsstufe einer Einfuhrware Auswirkungen auf den Zollsatz entfalten. In vielen Fällen ist der Import von Teilen oder Vormaterialien günstiger als der Import des Endproduktes. Bei einer geschickten Steuerung der Lieferketten und der Verarbeitungstiefe der Waren können Waren demnach mit einem jeweils günstigeren Zollsatz belegt sein.
Eine Prüfung der Eintarifierung der Ware ist also in jedem Fall lohnend, einerseits um eine Erhebung von Einfuhrabgaben in unzutreffender Höhe zu vermeiden, andererseits um Einsparungsmöglichkeiten zu erkennen und zu realisieren.
2) Nutzung der Vorteile von Präferenzabkommen
Zudem können auch ganz grundsätzliche Überlegungen über den Ort zur Beschaffung eines Rohstoffes Implikationen auf den bei der Einfuhr der Ware in die EU zu Grunde zu legendem Zollsatz haben. Denn es bestehen sog. Präferenzabkommen zwischen der EU und zahlreichen Ländern und Ländergruppen. Durch diese Abkommen kann Ware unter bestimmten Voraussetzungen zollfrei oder zollermäßigt importiert werden. So wird bei dem Import von Rohstoffen aus der USA der „volle Zollsatz“, der sog. Drittlandzollsatz, erhoben (zwischen den USA und der EU besteht kein Präferenzabkommen). Dahingegen kann der gleiche Rohstoff zollbegünstigt oder zollbefreit z. B. aus Kanada importiert werden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen und Regelungen des Präferenzabkommens Kanada - EU erfüllt sind. Die Voraussetzungen des Abkommens sind u. a. erfüllt, wenn der Rohstoff vollständig in Kanada hergestellt oder gewonnen wurde und dies beim Import in die EU nachgewiesen wird.
Nicht nur bei der Beschaffung der Materialien und Rohstoffe, sondern auch bei dem Aufbau von Produktionsstandorten im Ausland sind Präferenzen also ein Aspekt, welchen sich lohnt, in die Überlegungen und Entscheidungsfindung mit einzubeziehen.
3) Vermeidung / späteres Entstehen von Einfuhrabgaben
Einfuhrabgaben fallen grundsätzlich an, wenn die eingeführte Ware in einem Zollgebiet verbleibt und in den dortigen Wirtschaftskreislauf eingeht. Wird die Ware jedoch nur vorübergehend zur Ansicht, Testung, o. ä. eingeführt, geht die Ware in ebendiesen Wirtschaftskreislauf nicht ein - es entfällt der Grund für die Entstehung der Einfuhrabgaben. Auch bei der Einfuhr von Waren lediglich zur Wartung und/oder Reparatur können sie entfallen. Dazu ist das Verfahren für eine „Aktive Veredelung“ zu beantragen. Auch umgekehrt, bei einem Export von Waren und einem anschließenden Reimport der Ware nach Bearbeitung im Ausland im Rahmen der „Passiven Veredelung“ kann die Wiedereinfuhr einfuhrabgabenfrei sein bzw. es wird nur der im Ausland geschaffene Mehrwert der Ware berücksichtigt.
Eine weitere Möglichkeit zur Vermeidung bzw. späteren Entrichtung von Einfuhrabgaben stellt die Nutzung eines sog. Zolllagers dar. Dieses ermöglicht die zeitlich unbeschränkte Lagerung von Ware, welche noch nicht verzollt wurde. Die Waren können in dem Lager „geparkt“ werden. Die Verzollung und Versteuerung erfolgen erst bei der Entnahme aus dem Lager. Sollte die Ware nicht aus dem Lager entnommen und in den Wirtschaftskreislauf der EU eingehen, sondern wieder in ein Drittland exportiert werden, sind keine Abgaben zu zahlen. Dies kann vor allem bei einer zentralen Beschaffung von Waren ohne einen finalen Bestimmungsort einen Liquiditätsvorteil mit sich bringen.
4) Spätere Entrichtung von Einfuhrabgaben durch Nutzung eines Aufschubkontos
Bei der Abfertigung von Waren in den freien Verkehr sind Einfuhrabgaben zu entrichten. Neben Zöllen und Einfuhrumsatzsteuer können dies je nach Produkt auch Verbrauchsteuern wie die Energie- oder auch die Alkoholsteuer sein. Die Entrichtung der Abgaben erfolgt i. d. R. unmittelbar bei der Abfertigung.
Durch die Nutzung eines sog. Aufschubkontos (laufender Zahlungsaufschub) kann jedoch eine Ausnahme von der sofortigen Entrichtung der Einfuhrabgaben greifen. Bei der Nutzung eines Aufschubkontos für den Zoll ist dieser sowie ggf. die Verbrauchsteuer erst am 16. Tag des auf den Import folgenden Monats zu entrichten. Die Nutzung eines Aufschubkontos für die Einfuhrumsatzsteuer ermöglicht sogar einen noch längeren Aufschub, bis zum 26. Tag des zweiten auf die Einfuhr folgenden Monats. Falls eine Vorsteuerabzugsberechtigung vorliegt, besteht diese bereits bei Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer. Dies kann für den Nutzer eines Aufschubkontos zu einem Liquiditätsvorteil führen.
5) Wartezeiten vermeiden durch Auswahl des Abfertigungsortes
Eine Möglichkeit zur Einsparung von Zeit bei der Einfuhr von Ware stellt die Auswahl des Abfertigungsortes dar. Ware ist grundsätzlich bei Eintritt in die EU zu verzollen, was in vielen Fällen Verzögerungen und Wartezeiten sowie Lagerkosten nach sich zieht. Durch den sog. „T1-Versandschein“ ist es jedoch möglich, Waren abseits der Grenze abfertigen zu lassen; denn er bietet die Möglichkeit, Ware unter zollamtlicher Überwachung an einen anderen Ort zu transportieren, zum Beispiel dem Unternehmenssitz, um schlussendlich dort verzollt zu werden. So kann in vielen Fällen der Importprozess beschleunigt werden. Auch eine erste Sichtung der Ware auf Mängel kann so vor Verzollung der Ware ermöglicht werden. Dadurch kann frühzeitig entschieden werden, ob die Ware den Anforderungen entspricht oder unter Umständen zurückgesendet werden muss.
Fazit: Zölle sind echte Kosten, die grundsätzlich bei jedem Grenzübertritt anfallen. Durch eine günstige zollrechtliche Ausgestaltung der internationalen Lieferketten sowie der internen Prozesse gibt es neben den bereits o. g. Möglichkeiten jedoch viele Optionen, die Entstehung bzw. die Erhebung der Abgaben sowie Zahlungsmodalitäten positiv zu beeinflussen. So können die Ausgestaltung der Zoll-, Einfuhrumsatzsteuer- sowie Verbrauchsteuerprozesse gerade in den aktuellen Zeiten ein hilfreiches Tool zum Krisenmanagement darstellen.