Ein erster Entwurf des BMF-Schreibens lag bereits am 17.06.2021 vor. Daraufhin erfolgte im Herbst 2021 eine Anhörung von Mitgliedern der Industrie und der Beraterschaft. Die aus der Anhörung gewonnenen Erkenntnisse wurden nun bei der Finalisierung des BMF-Schreibens berücksichtigt.
Das BMF-Schreiben ist ein erster großer Schritt auf dem Weg zu mehr Rechtssicherheit. Denn seit Jahren versucht sich die Praxis und die steuerrechtliche Literatur an der Anwendung der bestehenden Regelungen auf Kryptowährungen und die mit diesen verbundenen Sachverhalten. Standardfälle wie die Anschaffung und Veräußerung lassen sich durch die bestehenden Regelungen im Grundsatz leicht lösen. Probleme bereiten nach wie vor die mit der Technologie einhergehenden neuartigen Einkunftsmöglichkeiten, wie z.B. aus Airdrops, aus der Fortführung der Blockchain (Mining oder Staking, bzw. „Forging“ wie das BMF den Vorgang bei Proof of Stake Blockchains bezeichnet), aus Hardforks, Lending oder Decentralised Finance (DeFi). Aber auch grundlegende Fragestellungen, wie z. B. ob es sich bei Kryptowährungen und Token um Wirtschaftsgüter handelt, sind bislang höchstrichterlich nicht entschieden. Dazu wird der Bundesfinanzhof (BFH) in einem anhängigen Verfahren nun erstmals Gelegenheit haben (Az. IX R 3/22). Überraschend und äußerst positiv ist, dass das BMF die Verlängerung der Spekulationsfrist auf 10 Jahre, die nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 EStG dann greift, wenn das Wirtschaftsgut zur Erzielung von Einkünften genutzt wird, bei Kryptowährungen grundsätzlich nicht anwendet.
Das bestehende Regelungssystem führt dazu, dass langfristige Veräußerungserfolge aus Kryptowährungen - wie vor Einführung der Abgeltungsteuer aus Wertpapieren - im Privatvermögen steuerfrei sind. Das ist im Erfolgsfall für den Anleger positiv, bedeutet aber auch, dass Verluste steuerlich nicht geltend gemacht werden können, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung mehr als ein Jahr beträgt. Innerhalb der Jahresfrist sind Veräußerungserfolge mit dem persönlichen Einkommensteuersatz zu besteuern. Dazu sind die Ergebnisse aus Kryptowährungen vom Anleger zunächst zu ermitteln und im Rahmen der jährlichen Einkommensteuererklärung selbst zu erklären. Dies ist gegenüber dem Abgeltungsteuersystem, bei dem inländische Kreditinstitute die Einkünfte aus Kapitalvermögen ermitteln und der Abgeltungsteuer unterwerfen, für den Privatanleger mittlerweile ungewohnt. Er muss bei Kryptowährungen selbst tätig werden und seine Einkünfte ermitteln. Auf der einen Seite muss er dazu die relevanten Daten von Kryptobörsen und aus Wallets zusammentragen, wobei er bei dieser Aufgabe mittlerweile auf spezialisierte Tools bzw. Webseiten zurückgreifen kann. Auf der anderen Seite muss er aber auch wissen, wie die jeweiligen Einkünfte zu erklären und zu versteuern sind. Dazu dürfte für die meisten Anleger nur die Unterstützung durch einen auf Kryptowährungen spezialisierten Steuerberater in Frage kommen. Denn es kann sein, dass bestimmte Sachverhalte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder - abseits der Veräußerungen und sonstigen Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG (wie z.B. Lending) - als Einkünfte aus Kapitalvermögen qualifizieren können. In ersterem Fall würde dies sogar eine Gewerbesteuerpflicht dieser Einkünfte bedeuten. In letzterem Fall wären die spezifischen Regelungen des § 20 EStG zu beachten und es würde nur der Abgeltungsteuersatz mit 26,38 % fällig. Gerade bei dieser Abwägung und Begründung kann nur ein Experte helfen.
Einen grundlegend anderen Weg der Besteuerung als Deutschland hat Österreich mit einer Gesetzesänderung ab dem 01.03.2022 beschritten. Das als „Ökosoziales Steuerreformgesetz 2022“ bezeichnete Gesetz erfasst die Veräußerungserfolge mit Kryptowährungen - unabhängig von der Haltedauer - stets und unterwirft sie dem in Österreich geltenden Abgeltungsteuersatz von 27,5 %. Außerdem, und das ist tatsächlich bemerkenswert, ist der Tausch aus einer Kryptowährung in eine andere Kryptowährung in Österreich steuerfrei. Es kommt erst bei einem Verkauf der Kryptowährung gegen ein gesetzliches Zahlungsmittel (FIAT) steuerrechtlich zu einer Realisierung. Zudem können Veräußerungsverluste aus Kryptowährungen mit Veräußerungsgewinnen aus Wertpapieren verrechnet werden.
Dieser Weg steht letztlich auch dem deutschen Gesetzgeber offen. Ob er diesen Weg beschreitet, ist eine steuerpolitische Fragestellung. Wer weiß, was die Legislaturperiode unter dem seit 2021 von der FDP geführten BMF noch für Überraschungen bereithält.