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Rechtsberatung

Kundenanlage: Größere Rechtssicherheit für Investoren

Mit zwei Be­schlüssen vom 12.11.2019 (EnVR 65/18 und 66/18) hat der BGH den um­strit­te­nen Be­griff der Kun­den­an­lage präzi­siert. Da­nach liegt in der Re­gel ein Netz und keine Kun­den­an­lage vor, wenn meh­rere Hun­dert Letzt­ver­brau­cher an­ge­schlos­sen sind, eine An­lage eine Fläche von deut­lich über einem Hektar ver­sorgt, pro Jahr deut­lich mehr als 1.000 MWh En­er­gie ab­ge­ge­ben wer­den und meh-rere Gebäude an­ge­schlos­sen sind.

Ob das Ge­biet Straßen, ähn­li­che öff­ent­li­che Räume oder ver­ein­zelte, nicht ins Ge­wicht fal­lende Grundstücke enthält, die nicht durch die An­lage ver­sorgt wer­den ist un­er­heb­lich.

Der BGH hat da­mit die Ent­schei­dun­gen der Vor­in­stan­zen im Er­geb­nis bestätigt (Siehe auch Präzi­sie­rung des bei Quar­tierslösun­gen re­le­van­ten Be­griffs der Kun­den­an­lage). Im De­tail hat der BGH ei­gene Ak­zente ge­setzt, die künf­tig bei der Ein­stu­fung von An­la­gen als Kun­den­an­lage zu be­ach­ten sein wer­den.

Eine Kun­den­an­lage ist gemäß § 3 Nr. 24a EnWG eine En­er­gie­an­lage zur Ab­gabe von En­er­gie, die sich auf einem räum­lich zu­sam­men­gehören­den Ge­biet be­fin­det, mit einem En­er­gie­ver­sor­gungs­netz oder mit ei­ner Er­zeu­gungs­an­lage ver­bun­den ist, für die Si­cher­stel­lung ei­nes wirk­sa­men und un­verfälsch­ten Wett­be­werbs bei der Ver­sor­gung mit Elek­tri­zität und Gas un­be­deu­tend ist und je­der­mann zum Zwecke der Be­lie­fe­rung der an­ge­schlos­se­nen Letzt­ver­brau­cher im Wege der Durch­lei­tung un­abhängig von der Wahl des En­er­gie­lie­fe­ran­ten dis­kri­mi­nie­rungs­frei und un­ent­gelt­lich zur Verfügung steht. Eine Kun­den­an­lage ist kein En­er­gie­ver­sor­gungs­netz und un­ter­liegt da­her nicht der Re­gu­lie­rung. Ne­ben der Kun­den­an­lage und dem En­er­gie­ver­sor­gungs­netz kann es noch an­dere En­er­gie­an­la­gen ge­ben. Der BGH hat das be­reits in der Ent­schei­dung vom 18.10.2011 (Az. EnVR 68/10) her­aus­ge­ar­bei­tet.

Nach Auf­fas­sung des BGH ist die An­for­de­rung des räum­lich zu­sam­men­gehören­den Ge­biets le­dig­lich ein „Grob­fil­ter“, der we­der an die räum­li­che Aus­deh­nung noch die Ein­heit­lich­keit ei­nes äußeren Ein­drucks anknüpft, son­dern an die räum­li­che Zu­ord­nung der Grundstücke zur En­er­gie­an­lage. Das heißt, dass die Grundstücke so gut wie aus­schließlich durch die An­lage ver­sorgt wer­den und nicht ver­streut lie­gen, son­dern an­ein­an­der an­gren­zen. Wenn ein sol­ches Ge­biet Straßen oder ver­ein­zelte Grundstücke ein­schließt, die nicht durch die An­lage ver­sorgt wer­den, sei das un­schädlich.

Bei der Be­ur­tei­lung der Wett­be­werbs­re­le­vanz sei zu berück­sich­ti­gen, in­wie­weit die An­lage im Hin­blick auf eine si­chere Ver­sor­gung, die In­ves­ti­ti­ons­be­reit­schaft in das Netz und die grundsätz­lich er­strebte Tren­nung von Netz und Ver­trieb un­be­deu­tend sei. Wenn eine An­lage eine Größe er­reicht, die mehr ver­langt, als bloße Gewähr­leis­tung des Zu­gangs der an­ge­schlos­se­nen Letzt­ver­brau­cher zu einem ört­li­chen Ver­tei­ler­netz, weil die An­lage von ih­rem Um­fang und ih­rer Be­deu­tung eher als An­lage zur Ver­tei­lung von En­er­gie gemäß § 3 Nr. 37 EnWG an­zu­se­hen sei, könne keine Kun­den­an­lage mehr vor­lie­gen.

Diese Grenze, so der BGH wei­ter, sei re­gelmäßig über­schrit­ten, wenn meh­rere Hun­dert Letzt­ver­brau­cher an­ge­schlos­sen sind, sich die An­lage über deut­lich mehr als einen Hektar er­streckt, deut­lich mehr als 1 GWh En­er­gie pro Jahr ab­ge­ge­ben wird und meh­rere Gebäude be­trof­fen sind. Wenn eine An­lage in meh­re­ren die­ser Punkte hin­ter den ge­nann­ten Größen zurück­bleibe, sei re­gelmäßig eine Kun­den­an­lage an­zu­neh­men. Ausdrück­lich nicht maßgeb­lich soll sein, wie hoch die En­er­gie­ab­gabe aus der An­lage im Ver­gleich zur ge­sam­ten En­er­gie­ab­gabe in Deutsch­land ist, wie groß die An­lage im Verhält­nis zum vor­ge­la­ger­ten Netz­be­trei­ber ist und ob sich Aus­wir­kun­gen auf den Wett­be­werb um Netze er­ge­ben. In die­sem Rah­men ob­liegt die Ge­samtwürdi­gung, so der BGH ab­schließend, dem Ta­trich­ter.

Hinweis

Mit die­sen Ent­schei­dun­gen hat der BGH den Rah­men für die Ab­gren­zung zwi­schen Kun­den­an­lage und Netz ab­ge­steckt. Da­bei muss man im Auge be­hal­ten, dass es da­ne­ben wei­tere Ka­te­go­rien von En­er­gie­an­la­gen ge­ben kann, wie der BGH in sei­ner Ent­schei­dung vom 18.10.2011 (EnVR 68/10) dar­ge­stellt hat. Be­trach­tet man die Be­stre­bun­gen u.a. im Win­ter­pa­ket der EU, die Möglich­kei­ten de­zen­tra­ler En­er­gie­ver­sor­gung so­wie der Quar­tiers­ver­sor­gung zu er­wei­tern, mögen die vom BGH ge­steck­ten Gren­zen ein we­nig eng­her­zig er­schei­nen. Sollte sich her­aus­stel­len, dass diese Gren­zen ei­ner Um­set­zung der Vor­ga­ben des Win­ter­pa­kets in na­tio­na­les Recht und der Wei­ter­ent­wick­lung von Quar­tierslösun­gen ent­ge­gen­ste­hen, hat der Ge­setz­ge­ber es in der Hand, die Gren­zen ei­ner Kun­den­an­lage selbst zu de­fi­nie­ren.

Bei be­ste­hen­den Quar­tierslösun­gen, die aus dem o.g. Rah­men her­aus­fal­len, kann sich Hand­lungs­be­darf er­ge­ben, wenn der Netz­be­trei­ber ver­su­chen sollte, ab­ge­schlos­sene Ver­ein­ba­run­gen zu re­vi­die­ren. Für Quar­tierslösun­gen, die noch nicht um­ge­setzt sind und die o.g. Größen über­schrei­ten, muss im Ein­zel­fall geprüft wer­den, wel­che Hand­lungs­va­ri­an­ten be­ste­hen. Eine Al­ter­na­tive kann der An­trag auf Ein­stu­fung als ge­schlos­se­nes Ver­tei­ler­netz sein. Das muss al­ler­dings gut über­legt und vor­be­rei­tet sein.

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