Ob das Gebiet Straßen, ähnliche öffentliche Räume oder vereinzelte, nicht ins Gewicht fallende Grundstücke enthält, die nicht durch die Anlage versorgt werden ist unerheblich.
Der BGH hat damit die Entscheidungen der Vorinstanzen im Ergebnis bestätigt (Siehe auch Präzisierung des bei Quartierslösungen relevanten Begriffs der Kundenanlage). Im Detail hat der BGH eigene Akzente gesetzt, die künftig bei der Einstufung von Anlagen als Kundenanlage zu beachten sein werden.
Eine Kundenanlage ist gemäß § 3 Nr. 24a EnWG eine Energieanlage zur Abgabe von Energie, die sich auf einem räumlich zusammengehörenden Gebiet befindet, mit einem Energieversorgungsnetz oder mit einer Erzeugungsanlage verbunden ist, für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas unbedeutend ist und jedermann zum Zwecke der Belieferung der angeschlossenen Letztverbraucher im Wege der Durchleitung unabhängig von der Wahl des Energielieferanten diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Verfügung steht. Eine Kundenanlage ist kein Energieversorgungsnetz und unterliegt daher nicht der Regulierung. Neben der Kundenanlage und dem Energieversorgungsnetz kann es noch andere Energieanlagen geben. Der BGH hat das bereits in der Entscheidung vom 18.10.2011 (Az. EnVR 68/10) herausgearbeitet.
Nach Auffassung des BGH ist die Anforderung des räumlich zusammengehörenden Gebiets lediglich ein „Grobfilter“, der weder an die räumliche Ausdehnung noch die Einheitlichkeit eines äußeren Eindrucks anknüpft, sondern an die räumliche Zuordnung der Grundstücke zur Energieanlage. Das heißt, dass die Grundstücke so gut wie ausschließlich durch die Anlage versorgt werden und nicht verstreut liegen, sondern aneinander angrenzen. Wenn ein solches Gebiet Straßen oder vereinzelte Grundstücke einschließt, die nicht durch die Anlage versorgt werden, sei das unschädlich.
Bei der Beurteilung der Wettbewerbsrelevanz sei zu berücksichtigen, inwieweit die Anlage im Hinblick auf eine sichere Versorgung, die Investitionsbereitschaft in das Netz und die grundsätzlich erstrebte Trennung von Netz und Vertrieb unbedeutend sei. Wenn eine Anlage eine Größe erreicht, die mehr verlangt, als bloße Gewährleistung des Zugangs der angeschlossenen Letztverbraucher zu einem örtlichen Verteilernetz, weil die Anlage von ihrem Umfang und ihrer Bedeutung eher als Anlage zur Verteilung von Energie gemäß § 3 Nr. 37 EnWG anzusehen sei, könne keine Kundenanlage mehr vorliegen.
Diese Grenze, so der BGH weiter, sei regelmäßig überschritten, wenn mehrere Hundert Letztverbraucher angeschlossen sind, sich die Anlage über deutlich mehr als einen Hektar erstreckt, deutlich mehr als 1 GWh Energie pro Jahr abgegeben wird und mehrere Gebäude betroffen sind. Wenn eine Anlage in mehreren dieser Punkte hinter den genannten Größen zurückbleibe, sei regelmäßig eine Kundenanlage anzunehmen. Ausdrücklich nicht maßgeblich soll sein, wie hoch die Energieabgabe aus der Anlage im Vergleich zur gesamten Energieabgabe in Deutschland ist, wie groß die Anlage im Verhältnis zum vorgelagerten Netzbetreiber ist und ob sich Auswirkungen auf den Wettbewerb um Netze ergeben. In diesem Rahmen obliegt die Gesamtwürdigung, so der BGH abschließend, dem Tatrichter.
Hinweis
Mit diesen Entscheidungen hat der BGH den Rahmen für die Abgrenzung zwischen Kundenanlage und Netz abgesteckt. Dabei muss man im Auge behalten, dass es daneben weitere Kategorien von Energieanlagen geben kann, wie der BGH in seiner Entscheidung vom 18.10.2011 (EnVR 68/10) dargestellt hat. Betrachtet man die Bestrebungen u.a. im Winterpaket der EU, die Möglichkeiten dezentraler Energieversorgung sowie der Quartiersversorgung zu erweitern, mögen die vom BGH gesteckten Grenzen ein wenig engherzig erscheinen. Sollte sich herausstellen, dass diese Grenzen einer Umsetzung der Vorgaben des Winterpakets in nationales Recht und der Weiterentwicklung von Quartierslösungen entgegenstehen, hat der Gesetzgeber es in der Hand, die Grenzen einer Kundenanlage selbst zu definieren.
Bei bestehenden Quartierslösungen, die aus dem o.g. Rahmen herausfallen, kann sich Handlungsbedarf ergeben, wenn der Netzbetreiber versuchen sollte, abgeschlossene Vereinbarungen zu revidieren. Für Quartierslösungen, die noch nicht umgesetzt sind und die o.g. Größen überschreiten, muss im Einzelfall geprüft werden, welche Handlungsvarianten bestehen. Eine Alternative kann der Antrag auf Einstufung als geschlossenes Verteilernetz sein. Das muss allerdings gut überlegt und vorbereitet sein.