Der Sachverhalt:
Gegen die Einziehung der Anteile erhoben sowohl der Kläger als auch sein Vater Klage. Auf die Klage des Klägers wurden die Beschlüsse über die Einziehung seines Geschäftsanteils im Nennbetrag von 62.000 € und über die Aufstockung des Geschäftsanteils W für nichtig erklärt, hinsichtlich der Einziehung des Geschäftsanteils im Nennbetrag von 40.000 € wurde seine Klage abgewiesen. Die Klage seines Vaters gegen die Einziehung des Geschäftsanteils im Nennbetrag von 40.000 € hatte ebenfalls keinen Erfolg. Beide Entscheidungen sind rechtskräftig. Die Aufnahme der entsprechend aktualisierten Gesellschafterliste erfolgte am 15.8.2016. Zuvor fand am 28.7.2015 von 10 Uhr bis 10:17 Uhr eine Gesellschafterversammlung der Beklagten statt, in der W gegen den Widerspruch des Klägers die Versammlungsleitung übernahm und in der Beschlüsse zu insgesamt neun Tagesordnungspunkten gefasst wurden.
Bei den Abstimmungen wurden die Stimmen von W jeweils mit "98.000 €", die Stimmen des Klägers mit "62.000 €" gezählt. Bis auf die Beschlüsse betreffend ihre eigene Entlastung für das Jahr 2014 (Tagesordnungspunkte 6.1 und 6.3), bei denen sie sich jeweils der Stimme enthielten, stimmte W stets für, der Kläger stets gegen den vorgeschlagenen Beschluss. W stellte jeweils die Beschlussfassung gemäß dem Beschlussvorschlag fest, außer zu Tagesordnungspunkt 6.3, bei der ihm nach seiner Feststellung keine Entlastung erteilt wurde. Der Kläger beantragte, die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 9 für nichtig zu erklären, hilfsweise ihre Nichtigkeit festzustellen.
Das LG wies die Klage ab. Im Berufungsverfahren beantragte der Kläger klageerweiternd die Feststellung, dass der Geschäftsanteil Nr. 1 i.H.v. 40.000 € nicht durch Beschluss vom 7.3.2014 eingezogen worden sei und er als Inhaber der Geschäftsanteile Nr. 1 i.H.v. 40.000 € und Nr. 3 i.H.v. 62.000 € Mehrheitsgesellschafter der Beklagten sei. Das OLG erklärte die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 7 für nichtig und wies die Klage im Übrigen (zu den TOP 8 und 9) ab. Mit Beschluss vom 25.1.2017 berichtigte das OLG nach vorherigem Hinweis das Urteil wegen offensichtlicher Unrichtigkeit nach § 319 ZPO dahingehend, dass es den Zusatz (TOP 8 und 9) im Tenor gestrichen, die klageerweiternden Feststellungsanträge des Klägers im Tatbestand aufgenommen und zur Abweisung dieser Anträge in den Entscheidungsgründen auf seine Ausführungen zur bestandskräftigen Einziehung des Geschäftsanteils Nr. 1 verwiesen hat.
Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels und unter Zurückweisung der Revision des Klägers im Kostenpunkt und insoweit auf, als die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 28.7.2015 zu den Tagesordnungspunkten 3, 6.1 und 6.3 für nichtig erklärt worden sind und wies die Berufung des Klägers auch in diesem Umfang zurück.
Die Gründe:
Die Revision des Klägers hat keinen, die Revision der Beklagten hat teilweise Erfolg.
Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger bei der Beschlussfassung am 28.7.2015 jedenfalls formell gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG auch hinsichtlich des Geschäftsanteils Nr. 1 im Nennbetrag von 40.000 € legitimiert war und seine Stimme daher auch diesbezüglich hätte gewertet werden müssen. Die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG greift auch bei eingezogenen Geschäftsanteilen. Dass die Einziehung den Untergang bzw. die Vernichtung des betroffenen Geschäftsanteils zur Folge hat und bereits mit der Mitteilung des Beschlusses an den Gesellschafter wirksam wird, wenn er weder nichtig ist noch für nichtig erklärt wird, steht dem nicht entgegen. § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt seinem Wortlaut nach bei jeder Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung, ohne danach zu unterscheiden, worauf diese Veränderung beruht. Die Einziehung eines Geschäftsanteils hat eine solche personelle Änderung zur Folge, wenn der davon betroffene Gesellschafter keinen anderen Geschäftsanteil mehr besitzt und damit seine Gesellschafterstellung insgesamt verliert. Besitzt er noch andere Geschäftsanteile, tritt jedenfalls eine Änderung im Umfang seiner Beteiligung ein. Gleiches gilt für die Beteiligung der übrigen Gesellschafter, wenn mit der Einziehung eine Kapitalerhöhung verbunden wird.
Dementsprechend wird die Anteilseinziehung auch in der Literatur überwiegend als von der Vorschrift erfasst angesehen, sei es als Veränderung in der Person eines Gesellschafters und/oder bei Kapitalveränderungen durch die Einziehung als Veränderung im Umfang ihrer Beteiligung. Aus der Begründung des Regierungsentwurfs zur Neufassung des § 16 Abs. 1 GmbHG ergibt sich nicht, dass eingezogene Anteile von dieser Legitimationswirkung nicht erfasst sein sollten. Auch den übrigen Regelungen des § 16 GmbHG ist kein Ausschluss der Legitimationswirkung bei eingezogenen Geschäftsanteilen zu entnehmen. Sinn und Zweck des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG sprechen zudem für eine Erstreckung auf eingezogene Geschäftsanteile.
Die am 28.7.2016 gefassten Beschlüsse sind entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht bereits deswegen sämtlich für nichtig zu erklären, weil W unberechtigt die Versammlungsleitung übernommen hat. Allerdings war W nicht zur Leitung der Versammlung befugt. Nach § 9 Nr. 2 Satz 4 der Satzung führt den Vorsitz in der Versammlung der anwesende Gesellschafter, der die größte Beteiligung hält, hilfsweise derjenige, der im Einvernehmen aller Anwesenden zum Vorsitzenden bestimmt wird. Da der Kläger hinsichtlich der Geschäftsanteile Nr. 1 und Nr. 3 und damit hinsichtlich einer Beteiligung von insgesamt 102.000 € legitimiert war, kam ihm und nicht W die Stellung des Versammlungsleiters zu. Der darin liegende Verfahrensmangel führt jedoch nur dann zur Anfechtbarkeit des Beschlusses gem. bzw. analog § 243 Abs. 1 AktG, wenn er relevant war bzw. ist. Dies hat das OLG rechtfehlerfrei verneint. Abzustellen ist dabei auf die Relevanz für das Mitgliedschafts- bzw. Mitwirkungsrecht des Gesellschafters im Sinne eines dem Beschluss anhaftenden Legitimationsdefizits, das bei einer wertenden, am Schutzzweck der verletzten Norm orientierten Betrachtung die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit gem. § 243 Abs. 1 AktG rechtfertigt. Anfechtbarkeit ist danach ausgeschlossen, wenn dem Verfahrensverstoß die für eine sachgerechte Meinungsbildung eines objektiv urteilenden Gesellschafters erforderliche Relevanz fehlt.
Eine solche Relevanz hat das OLG hier rechtsfehlerfrei mit der Begründung verneint, dass letztlich nicht die Versammlungsleitung W sondern die Stimmrechtsausübung der beiden Gesellschafter für die Beschlüsse maßgebend gewesen sei. Diese Feststellung fehlender Relevanz der unberechtigten Übernahme der Versammlungsleitung für eine sachgerechte Meinungsbildung und -ausübung der Gesellschafter ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass es Aufgabe des Versammlungsleiters ist, für eine ordnungsgemäße, neutrale, sachgerechte und effiziente Erledigung der Versammlungsgegenstände zu sorgen und er nicht kraft seiner Funktion Einfluss auf den Inhalt der Entscheidungen nehmen darf. Daraus folgt aber nicht, dass bereits die unberechtigte Übernahme der Versammlungsleitung als solche einen relevanten Verfahrensmangel sämtlicher unter dieser Leitung gefassten Beschlüsse dar-stellt. Vielmehr bedarf es auch dann eines für die Beschlussfassung ursächlichen oder relevanten Fehlers des Versammlungsleiters bei Durchführung der Versammlung. Dass nach den Feststellungen des OLG zwischen W einerseits und dem Kläger und dessen Vater andererseits ein erhebliches Zerwürfnis bestand, reicht danach für die Annahme eines relevanten Verfahrensmangels nicht aus.
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