Dazu kommt, dass zwar immer weniger Leute für Musik bezahlen wollen, gleichzeitig aber immer mehr Leute (wie z. B. Streamingdienstleister, Bezahlsystemdienstleister, Händler etc.) neben den Künstlern daran mitverdienen.
Durch neue, digitale Bezahlsysteme soll es jetzt möglich werden, dass Musiker einfach, fair und direkt bezahlt werden. Die Technologie dahinter: Blockchain.
Die Blockchain-Technologie
Heutzutage ermöglichen Blockchain-Infrastrukturen Anwendungen, mit denen sich Transaktionen ausführen lassen, ohne dass eine zentrale Prüfstelle notwendig ist. Mittels eines Peer-to-Peer-Netzwerks hat jeder beteiligte User Zugriff auf sein Konto (das sogenannte „Ledger“). Das Ledger beinhaltet Transaktionen in dem entsprechenden Blockchain-Netzwerk, die einem bestimmten Muster entsprechen. Hierdurch können Transaktionen durch andere User und deren Ledger zuverlässig verifiziert werden.
Durch die Blockchain-Technologie können Unternehmen nicht nur ihre eigene Blockchain-Währung kreieren, sondern diese ebenfalls für den internen Zahlungsverkehr, die Verwaltung von Waren und Gütern sowie Echtheitsprüfungen nutzen.
Ein weiterer Einsatzbereich für die Blockchain-Technologie findet sich in der Verlags-, Film und Musikindustrie. Im Folgenden gehen wir auf den Einfluss und die Veränderung in der Musikbranche ein. Dieses Vorgehen lässt sich jedoch auch auf die Verlags- und Filmindustrie adaptieren.
Die aktuelle Situation der Musikindustrie
Während Musikliebhaber die Digitalisierung als Demokratisierung der Musikindustrie gefeiert haben, hat sich die globale Musikindustrie kaum verändert. Musikpiraterie durch illegal heruntergeladene, kopierte und geteilte Inhalte schmälert weiterhin die Umsatzbeteiligung der Künstler und der Musiklabels. Hinzu kommt das Fehlen eines robusten Rechteverwaltungs-systems, das zu Umsatzeinbußen für den Künstler führt. Derzeit sind die Datenbestände auf unzählige Datenbanken verteilt, sodass eine Unwissenheit über die Rechte an Musikstücken herrscht, woraus eine nicht immer ordnungsgemäße Verteilung der Einnahmen resultiert.
Der Zeitraum, bis die Einnahmen den Künstler tatsächlich erreichen, kann sich auf bis zu zwei Jahre erstrecken. Dies hängt mit den Tantiemeabrechnungen der Labels und der Verlage zusammen, auf welche die Künstler vertrauen müssen.
Ein weiterer Bereich, der Anlass zur Sorge gibt, sind nicht ausgezahlte bzw. zurückgehaltene Lizenzgebühren, die häufig aufgrund fehlender Informationen oder wegen des ungeklärten Eigentums an Rechten ausgesetzt werden. Daneben ist der Zugriff auf digitale Echtzeit-Verkaufsdaten erschwert, da die Streamingdienste diese nicht immer bereitstellen.
In der Konsequenz leiden Künstler unter einer mangelnden Verkaufstransparenz, obwohl digitale Service Provider eine große Menge an Streaming-Transaktionen melden. Die Künstler erhalten die Ausschüttung von GEMA oder GVL oft erst nach einem Jahr oder länger. Meist wissen die Künstler dann nicht genau, wofür oder wie die Musik erworben und konsumiert wurde. Dies ist unter anderem ein Grund dafür, dass einige Künstler ihre Musik von solchen On-Demand-Streaming-Diensten fernhalten, was zu beträchtlichen Lücken in den Bibliotheken populärer Dienste wie Spotify, Apple Music oder Google Play Music führt.
Die erhoffte Revolution der Musikindustrie durch die Blockchain-Technologie
Diesen Problemen kann die Blockchain-Technologie entgegenwirken. Als öffentliche bewertbare und dezentralisierte Datenbank, welche über das Internet verteilt wird, beinhaltet das Blockchain-Netzwerk nicht löschbare Datensätze, die kryptografisch gegen Manipulation abgesichert sind. Transaktionen finden, wie oben bereits erwähnt, über ein Peer-to-Peer-Netzwerk statt und werden unter Verwendung einer automatisierten Konsensmethode berechnet, verifiziert und aufgezeichnet. Hierdurch ist die Notwendigkeit für einen Vermittler oder Dritte zur Verwaltung oder Steuerung von Informationen überflüssig.
Ein Bereich in dem die Blockchain-Technologie positive Veränderungen bewirken könnte, wäre die Erstellung einer Datenbank für digitale Rechte. Der Nachweis digitaler Rechte ist eines der Hauptprobleme der heutigen Musikindustrie. Das Identifizieren des Urheberrechts eines Songs und das Definieren, wie Lizenzgebühren zwischen Songwritern, Interpreten, Verlegern und Produzenten aufgeteilt werden sollten, sind im digitalen Raum ebenso schwierig wie in der analogen Welt. Oftmals verlieren Künstler aufgrund der komplizierten urheberrechtlichen Rahmenbedingungen Lizenzeinnahmen. Das unveränderbare verteilte Hauptbuch der Blockchain-Technologie kann sicherstellen, dass kein einzelnes Unternehmen oder eine einzelne Person Eigentumsrechte unrechtmäßig ausschließlich für sich beanspruchen kann. Sichere Dateien mit allen relevanten Informationen wie Komposition, Liedtexten, linearen Notizen, Cover Art, Lizenzierung oder generell einer Datenbank mit zugehörigen Metadaten, können in der Blockchain codiert bzw. hinterlegt werden, um somit einen dauerhaften und unauflösbaren Datensatz zu erstellen.
Die Digitalisierung der Musik- und Medienbranche hat auch dazu geführt, dass sich Künstler und Produzenten mit dem Problem der Piraterie auseinandersetzen müssen. Die Unveränderlichkeit und Manipulationssicherheit der Blockchain-Technologie können genutzt werden, um eine unautorisierte Verbreitung mit neuen Lösungen zu verhindern. Eine Möglichkeit besteht darin, Tracks auf der Blockchain zu codieren, wodurch sichergestellt wird, dass jedes Mal, wenn ein Song abgespielt wird, eine eindeutige Aufnahme erstellt wird, die das "Rippen" des Inhalts verhindert.
Hinzu kommt, dass man die Bezahlmodalitäten transparent aufschlüsseln kann, sodass immer eindeutig erkennbar ist, wer welche Rechte an dem angebotenen Musikstück hat und wie oft die Titel abgerufen wurden. Interpreten, Komponisten oder Künstler können ihre Werke direkt auf einer dafür geschaffenen Webseite zum Download und/oder zum Stream anbieten. Vorab muss ein Onlineformular ausgefüllt werden, in welchem dargestellt wird, wer welche Rechte an dem Werk hat. Mit diesen Informationen wird die Blockchain befüllt. Durch Verkauf oder Stream eingenommene Gelder können so automatisch und exakt an die Anteilseigner ausgeschüttet werden.
Aktuelle Projekte
Ein Anbieter einer dezentralen Musik-Plattform ist VOISE. VOISE ist ein Blockchain-basierter Streaming und Download Dienst, welcher ein eigenes Tokensystem verwendet. Mit diesen Tokens können im VOISE-Portal sämtliche Transaktionen durchgeführt werden, d. h. Musik bezogen werden. Die eingesetzten Tokens basieren auf Smart-Contracts (vgl. novus Informationstechnologie III. 2017, S. 12) auf der Ethereum-Blockchain.
Externe Informationen können als Auslöser eines Smart Contracts verwendet werden, die dann über die festgelegten Regeln des Vertrages eine bestimmte Aktion hervorrufen. Ein Vorteil ist die Verlässlichkeit. Ist ein Smart Contract korrekt programmiert, sind Interpretationsschwierigkeiten der Vertragsbedingungen, also die Aufteilung der Einnahmen, nahezu ausgeschlossen. Voraussetzung ist jedoch eine Programmierung des Smart Contracts die frei von inhaltlichen und logischen Fehlern ist. Sollte dies nicht gewährleistet sein, ist eine gerechte Aufteilung der Einnahmen evtl. nicht möglich oder manipulierbar. Ebenfalls ist die Sicherheit ein wichtiges Merkmal von Smart Contracts. Sind Smart Contracts auf Basis einer Blockchain programmiert, sind diese durch kryptografische Verschlüsselungsverfahren vor Hackern nahezu sicher. Niemand kann die hinterlegte Aufteilung der Einnahmen im Nachhinein verändern. Ein Ausweg könnte sein, die Smart Contracts mit einem Schalter zu entwickeln, also einem im Nachhinein extern aktivierbaren Zustand, bspw. einer definierten Transaktion in einem anderen Blockchain-Account durch einen festgelegten Absender. Hierüber kann die Verarbeitung verändert werden oder der Vertag wird für neue Transaktionen deaktiviert.
Das Geschäftsmodell von VOISE ist darauf ausgelegt, unabhängigen Künstlern 100 % der Einnahmen zukommen zu lassen. Das anonyme und dezentrale Netzwerk ermöglicht als Nutzer das Streaming und den Download von Musik in der Voice-App.
Eine weitere Möglichkeit zum Verkauf von Musik mittels Blockchain-Technologie hat das australische Unternehmen Bittunes entwickelt. Bittunes basiert auf der Bitcoin-Blockchain und bietet Musikern an, ihre eigene Musik, wie auch bei VOISE, über eine Peer-to-Peer-Plattform zu verkaufen. Der Käufer erwirbt einzelne Musiktracks für 50 Cent, wovon eine Hälfte an die MusikerInnen geht und die andere Hälfte an bis zu 5 Vorverkäufer. Musiktitel, die es in Top-100-Charts schaffen, kosten US-Dollar 1, wovon jeweils 40 % an die Künstler und die Labels ausbezahlt werden und 20 % bei Bittunes als Gebühr verbleiben.
Projektion auf andere Branchen
Die Blockchain-Technologie lässt sich ebenso auf andere Branchen projizieren. So kann diese z. B. auch in der Filmbranche und Verlagsbranche eingesetzt werden.
Analog der Musikbranche könnte eine zentrale Rechtedatenbank inkl. der Verwendung von Smart Contracts sicherstellen, dass bspw. Schauspieler, Produzenten, Regisseure ebenso aber auch Autoren und Verleger bei Einnahmen ihren Anteil direkt und fair erhalten.
In der Verlagsbranche wäre nicht nur die zentrale Rechtedatenbank ein denkbares Szenario, sondern auch das Weiterverkaufen von digitalen Inhalten. Wer heutzutage ein E-Book besitzt, kann dieses auch an Freunde verschenken, verleihen oder weiterverkaufen. Wer Besitzer eines E-Books ist, wäre in der Blockchain in einer Art von öffentlicher Buchhandlung. Der Weiterverkauf von digitalen Inhalten mittels Blockchain wäre denkbar. Mittels Smart Contracts könnten so dem Rechteinhaber bei jeder Transaktion entsprechend den angegebenen Lizenzbedingungen Anteile des Erlöses zukommen.
Zukunftsmusik
Einige Startups zeigen erste Anwendungsfelder auf. In erster Linie handelt es sich um den Aufbau von zentralen Musik-, Film- oder Verlagsdatenbanken, die eine transparente Verwertung von Musik, Film oder Büchern ermöglichen.
Der Unterschied zu den derzeit bestehenden Lösungen ist, dass Einnahmen nicht umständlich abgerechnet werden müssen, sondern der Zahlungsvorgang direkt über eine Kryptowährung, wie z. B. Etherum oder Bitcoins, erfolgt.
Darüber hinaus kann die oft eingeforderte globale (Musik-) Datenbank für eine einfache Rechteverwertung umgesetzt werden, wenn die relevanten und großen Akteure des Musikbusiness mitwirken. Hier sind auch die großen Künstler gefragt, die ihre Labels auf diesen Weg bringen müssen.
Jedoch kann sowohl das nicht vorhandene Interesse bzw. die Abwehrhaltung gegenüber der Blockchain-Technologie, als auch das Hemmnis zur Aneignung der Technologie durch Konzerne, die Euphorie an der Blockchain im Musikbusiness bald verfliegen lassen. Des Weiteren wäre mit Nutzung der Blockchain-Technologie die Notwendigkeit der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) in Frage zu stellen, da es keiner Prüfstelle mehr bedarf.
Es sind zudem bei Weitem noch nicht alle technischen Hürden einer massentauglichen Anwendung der Blockchain überwunden. Es braucht noch viel Entwicklungsarbeit und eine weitere Zunahme der Rechnerleistung, damit die Blockchain-Technologie in unserem Alltag ankommt.