Infolge der Änderung der Lohnsteuer-Richtlinien 2023 vom 28.10.2022 in R 39b.5 Abs. 2 Satz 3 und 4 LStR ist nach Auffassung der Finanzverwaltung die Lohnsteuer auf laufenden Arbeitslohn seit dem 01.01.2023 in bestimmten Fällen nicht mehr nach der Monatslohnsteuertabelle sondern nach der Tageslohnsteuertabelle zu ermitteln, auch wenn das Arbeitsverhältnis den ganzen Monat über bestand. Betroffen hiervon sind Arbeitnehmer, deren laufendes monatliches Arbeitsentgelt nach einem DBA oder dem Auslandstätigkeitserlass nur teilweise der Besteuerung im Inland unterliegt.
In der Praxis führt diese Rechtsauffassung zu Rechtsunsicherheit. Die Berechnung der Lohnsteuer unter Anwendung der Monatssteuertabelle ist auf 30 Steuertage ausgelegt. Unklar ist, wie diese Steuertage in der konkreten Anwendung der Tagessteuertabelle anzupassen sind.
Auf eine Eingabe der Spitzenorganisationen der deutschen Wirtschaft vom 03.08.2023 antwortete nun das BMF per E-mail vom 12.10.2023 an die DIHK, dass hier zwei Lösungswege möglich sind:
Option 1 | Option 2 |
Zur Ermittlung der für die Lohnsteuerberechnung maßgeblichen Tage werden die 30 Steuertagen im Verhältnis der Arbeitstage in Deutschland zu den Gesamtarbeitstagen anteilig berücksichtigt. | Zur Ermittlung der für die Lohnsteuerberechnung maßgeblichen Tage werden die Tage, an denen sich der Arbeitnehmer in Deutschland aufgehalten hat (Arbeitstage und Nichtarbeitstage), berücksichtigt. |
Beispiel: Ein Arbeitnehmer ist im Oktober 2023 mit insgesamt 20 Arbeitstagen nur 8 Arbeitstage im Inland tätig und hält sich darüber hinaus nur im Ausland auf. Der Gesamtbruttoarbeitslohn des Monats beträgt 10.000 Euro. Auf die inländischen Arbeitstage entfällt ein Arbeitslohn von 4.000 Euro (10.000 Euro x 8/20). Als relevante Steuertage für die Berechnung der Lohnsteuer nach der Tagestabelle sind somit 12 Tage zu berücksichtigen (30 Steuertage/20 Gesamtarbeitstage x 8 Arbeitstage in Deutschland = 12 Tage). | Beispiel: Ein Arbeitnehmer arbeitet im Oktober 2023 mit insgesamt 20 Arbeitstagen an 5 Tagen im Ausland und hält sich darüber hinaus nur in Deutschland auf. Der Gesamtbruttoarbeitslohn beträgt 12.000 Euro. Der auf die Tätigkeit in Deutschland entfallende Arbeitslohn beträgt 9.000 Euro (12.000 Euro x 15/20). Als relevante Steuertage für die Berechnung der Lohnsteuer nach der Tagestabelle sind somit 25 Tage zu berücksichtigen (30 Steuertage - 5 Arbeitstage = 25).
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Vergleich mit jeweils anderer Option: Bei Anwendung der Option 2 ergeben sich hier 8 Steuertage (30 Steuertage - Gesamtaufenthalt im Ausland 22 Tage = 8). Somit ist die Option 1 günstiger. | Vergleich mit jeweils anderer Option: Bei Anwendung der Option ergeben sich 23 Steuertage (30 Steuertage/20 Gesamtarbeitstage x 15 Arbeitstage/ in Deutschland = 22,5 => 23). Somit ist hier die Option 2 günstiger. |
Hinweis: Nach unserem Verständnis kann jeweils die für den konkreten Fall günstigere Option angewendet werden. Im Regelfall wird die Option 1 im Fall eines beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmers und die Option 2 im Fall eines unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmers günstiger sein.
Diese durch das BMF angebotene Flexibilität ist zu begrüßen und schafft zumindest Klarheit in der praktischen Anwendung. Dem Vernehmen nach soll diese Rechtsauffassung in die Lohnsteuerhinweise 2024 aufgenommen werden.
Mit der Äußerung des BMF gegenüber der DIHK dürfte aber die Hoffnung schwinden, dass die Finanzverwaltung hinsichtlich der Anwendung der Tageslohnsteuertabelle insgesamt einlenkt und zur bis 2022 üblichen Anwendung der Monatslohnsteuertabelle in den genannten Fällen zurückkehren wird. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie mit Verwaltungsmehraufwand belastet bleiben. Diesem Verwaltungsmehraufwand stehen jedenfalls bei unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern keine Vorteile des Fiskus gegenüber, da eine zutreffende Besteuerung durch die jeweilige Einkommensteuerveranlagung der Arbeitnehmer sichergestellt ist.