Konkret war unklar, wie die Berechnung der Lohnsteuer bei Arbeitnehmern mit teilweise steuerpflichtigem und teilweise nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegenden Arbeitslohn in der praktischen Umsetzung durchzuführen ist.
Worum geht es?
Ist ein Arbeitnehmer in einem Kalendermonat nur zeitweise in Deutschland tätig, waren bis 31.12.2022 auch solche in den Lohnzahlungszeitraum fallende Arbeitstage mitzuzählen, für die der Arbeitnehmer keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn bezogen hat (R 39b.5 Abs. 2 Satz 3 LStR 2015). Danach entstand lohnsteuerlich kein Teillohnzahlungszeitraum, wenn ein unbeschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer für seinen Arbeitgeber eine nach Doppelbesteuerungsabkommen oder Auslandstätigkeitserlass steuerfreie Auslandstätigkeit während des Monats begann oder beendete. Entsprechendes galt, wenn ein beschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer für seinen Arbeitgeber im Lohnzahlungszeitraum zeitweise in Deutschland und zeitweise im Ausland tätig war. Auch in diesen Fällen fand die sog. Monatstabelle Anwendung.
Durch die Änderung der Lohnsteuerrichtlinie zum 01.01.2023 sind nunmehr jedoch bei der Bemessung des Lohnzahlungszeitraums Arbeitstage, an denen der Arbeitnehmer Arbeitslohn bezogen hat, der etwa beim Bezug von steuerfreiem Arbeitslohn nach DBA oder nur tageweiser Beschäftigung im Inland nicht dem inländischen Lohnsteuerabzug unterliegt, nicht mehr mitzuzählen. Stattdessen kommt die Tagestabelle zur Anwendung. Dies hat in der Regel eine deutlich höhere Lohnsteuerbelastung für die Betroffenen und für die Durchführung der Lohnsteuerabzugsverpflichtungen des Arbeitgebers erhebliche Anwendungsschwierigkeiten zur Folge.
Klarstellungen mit aktuellem BMF-Schreiben
Mit Schreiben vom 08.10.2024 zur „Ermittlung des steuerpflichtigen und steuerfreien Arbeitslohnes nach Doppelbesteue:001) hat das BMF nun final Stellung bezogen. Das BMF-Schreiben ersetzt das BMF-Schreiben vom 14.03.2017.
Eine gute Nachricht vorab: Das BMF beanstandet aus Vereinfachungsgründen nicht, wenn die Anwendung der Tagestabelle gemäß R 39b.5 Abs. 2 Satz 4 LStR 2023 erst für nach dem 31.12.2024 endende Lohnzahlungszeiträume umgesetzt wird (anders als nach dem Entwurf des BMF-Schreibens vom 03.07.2024, das bereits eine Anwendung für alle Lohnzahlungszeiträume ab dem Jahr 2023 vorsah). Somit bleibt noch etwas Zeit, die technische Umsetzung an die neuen Anforderungen des BMF anzupassen.
Aufteilung des Arbeitslohns nach Doppelbesteuerungsabkommen
Für Aufteilung des Arbeitslohns nach DBA unter Anwendung der Tagestabelle sind die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 12.12.2023 „Steuerliche Behandlung des Arbeitslohns nach Doppelbesteuerungsabkommen“ (Az. IV B 2 - S 1300/21/10024 :005) zu beachten. Demnach ist der dem jeweiligen Zeitraum direkt zuordenbare Arbeitslohn (z. B. Reisekosten, Überstundenvergütungen, Zuschläge etc.) zu ermitteln und der Auslands- bzw. Inlandstätigkeit zuzuordnen.
Der verbleibende nicht zuordenbare Arbeitslohn (laufender Arbeitslohn, Zusatzvergütungen) ist aufzuteilen. Für das Lohnsteuerabzugsverfahren gelten diesbezüglich ergänzende Grundsätze.
Methoden der Aufteilung des verbleibenden Arbeitslohns
Das BMF lässt folgende Methoden zur Aufteilung des verbleibenden Arbeitslohns zu:
- Aufteilung nach tatsächlichen Arbeitstagen im gesamten Beschäftigungszeitraum innerhalb eines Kalenderjahres
- Aufteilung nach tatsächlichen Arbeitstagen im einzelnen Kalendermonat
- Aufteilung nach pauschal angesetzten Arbeitstagen im gesamten Beschäftigungszeitraum innerhalb eines Kalenderjahres
- Aufteilung nach pauschal angesetzten Arbeitstagen im einzelnen Kalendermonat (neu)
- Aufteilung nach vereinbarten Arbeitstagen im einzelnen Kalendermonat.
Das BMF lässt neu die Aufteilung nach pauschal angesetzten Arbeitstagen zu. Hierzu erfolgt die Aufteilung unter Anwendung von pauschal 20 Gesamtarbeitstagen (In- und Ausland) je Kalendermonat. Der pauschale Ansatz ist anteilig zu kürzen, soweit der Arbeitnehmer typischerweise an weniger als fünf Arbeitstagen pro Woche tätig ist (z. B. bei Teilzeittätigkeit; vgl. Rn. 7 u. 8 des BMF-Schreibens).
Einheitliche Anwendung und Änderung der Prognose
Während des Kalenderjahres ist kein Wechsel zwischen den Aufteilungsmethoden erlaubt (vgl. Rn. 10 des BMF-Schreibens). Ändert sich eine getroffene Prognose, so ist der neue ermittelte Aufteilungsmaßstab ab dem folgenden Lohnzahlungszeitraum anzuwenden (vgl. Rn. 12 des BMF-Schreibens).
Methoden für die Berechnung der sog. „Steuertage“
Für die Anwendung der Tagestabelle gemäß R 39b.5 Abs. 2 Satz 4 LStR 2023 sind die unter der Monatstabelle anzuwendenden 30 Steuertage anzupassen. Für die Umrechnung der Steuertage bei verkürzten Lohnzahlungs-/Teillohnzahlungszeiträumen stehen drei Alternativen zur Verfügung (vgl. Rn. 16a u. 16b des BMF-Schreibens):
- Verhältnis der Kalendertage zu den Gesamtarbeitstagen
- Pauschaler Ansatz von 20 Gesamtarbeitstagen - jeder voraussichtlich tatsächliche (Inlands-)Arbeitstag wird mit Faktor 1,5 angesetzt
- Inländische Aufenthaltstage.
Überprüfung des unterjährigen Lohnsteuerabzugs - Jahresbetrachtung
Am Ende des Kalenderjahres hat der Arbeitgeber den unterjährig durchgeführten Lohnsteuerabzug anhand der tatsächlichen Verhältnisse zu prüfen. Ein Wahlrecht für die Ermittlung des steuerpflichtigen Arbeitslohnes sowie die für die Lohnsteuerberechnung zu Grunde zulegenden Steuertage besteht nicht. Die Möglichkeit als Steuertage die tatsächlichen Aufenthaltstage im Inland anzusetzen, bleibt davon unberührt. Diese sind jedoch durch den Arbeitnehmer glaubhaft nachzuweisen.
Wird eine Korrektur erforderlich, ist diese für jeden einzelnen Kalendermonat vorzunehmen. Die bisherige Möglichkeit, (bei ganzjähriger Beschäftigung) eine einzige Korrektur zum Kalenderjahresende vorzunehmen, besteht nicht mehr. Dies gilt sowohl für beschränkt als auch für unbeschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer.
Kritische Stellungnahme
Das mit Spannung erwartete BMF-Schreiben ist zu begrüßen, allerdings unter folgenden Punkten kritisch zu würdigen:
- Die generelle Abrundung der ermittelten Steuertage führt insbesondere bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern, bei denen die Lohnsteuer Abgeltungswirkung entfaltet, zu einer steuerlichen Mehrbelastung und Ungleichbehandlung.
- Aufgrund der notwendigen Überprüfung zum Kalenderjahresende ist weiterhin die Dokumentation der tatsächlichen Arbeitstage im In- und Ausland erforderlich (z. B. mittels Reisekalender). Die Möglichkeit, pauschal Arbeitstage anzusetzen, bietet somit lediglich Erleichterungen für den unterjährigen Lohnsteuerabzug, nicht jedoch für die „Gesamtabwicklung“.
- Aufgrund der vorzunehmenden Jahresbetrachtung sind ggf. Korrekturen im jeweiligen Kalendermonat vorzunehmen.
- Es erfolgt keine Unterscheidung zwischen der unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht eines Arbeitnehmers; bei unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern ist durch die Verpflichtung zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung die ordnungsgemäße Besteuerung der Arbeitseinkünfte sichergestellt. Der Lohnsteuerabzug hat insoweit lediglich Vorauszahlungscharakter; die tatsächliche Steuerschuld wird im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Mitarbeiters festgesetzt, so dass durch die Beschränkung der Anwendung der Tagestabelle auf lediglich beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer, keine Mindersteuereinnahmen zu befürchten wären.
Die Regelungen gelten für alle inländischen Arbeitgeber gemäß § 38 EStG, insb. auch für „deutsche“ Unternehmen, die als sog. wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen sind. Auf Grund der Verschärfung der Regelung durch Anwendung der Tagestabelle steigt das Haftungsrisiko für den inländischen Arbeitgeber, da entgegen der bisherigen Anwendung der Monatstabelle bei Anwendung der Tagestabelle in den meisten Fällen eine Lohnsteuer berechnet wird.
Hinweis: Die Möglichkeit, einen Lohnsteuerjahresausgleich gemäß § 42b EStG durchzuführen, scheidet auf Grund eines neuen § 42b Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG-E i. d. F. des derzeit noch nicht verabschiedeten JStG 2024 aus. Die Neuregelung soll rückwirkend ab dem 01.01.2024 Anwendung finden.
Bei beschränkt Steuerpflichtigen ist in der Regel für die Ermittlung der Steuertage das Verhältnis der tatsächlichen Inlandsarbeitstage zu den Gesamtarbeitstagen vorteilhafter, sofern sich diese lediglich zur Arbeitsausübung in Deutschland aufhalten.
Zudem empfehlen wir die Prüfung Anwendung des § 40a Abs. 7 EStG, wonach der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen die Lohnsteuer für Bezüge von kurzfristigen, im Inland ausgeübten Tätigkeiten beschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer mit einem Pauschalsteuersatz von 30 % des Arbeitslohns erheben kann. Dabei sind wirtschaftliche Gründe (z. B. hohe Administrationskosten) gegen eine mögliche höhere Steuerbelastung auf Grund der Pauschalierung abzuwägen. Die Regelung kann insb. in solchen Fällen vorteilhaft sein, in denen der Arbeitgeber die deutsche Steuer für den Arbeitnehmer übernimmt; die Steuerübernahme ist durch den Pauschalsteuersatz abgegolten.; Es muss also bei einer etwaigen Übernahme der deutschen Lohnsteuer durch den Arbeitgeber bei individueller Versteuerung keine sog. Nettohochrechnung vorgenommen werden. Da die Regelung nur für einen eingeschränkten Personenkreis Anwendung findet, sollte die Vorgehensweise durch das zuständige Betriebsstättenfinanzamt bestätigt werden.