Auch wenn der deutsch-indische Handelskorridor im Jahr 2021 keine großen Deals verzeichnete, wiesen die einzelnen Länder im Transaktionsbereich hohe Wachstumsfaktoren auf. Deutschland verzeichnete die meisten Deals in der DACH-Region, wobei die Übernahme der Deutschen Wohnen durch Vonovia das größte Aufsehen erregte. Von den insgesamt 1.696 Deals in der DACH-Region in der ersten Jahreshälfte 2021 entfielen mit 1.292 Deals 76% der Transaktionen auf Deutschland.
Auch in Indien erreichten die Fusionen und Übernahmen im Jahr 2021 einen Höchststand, der vor allem von Erstkäufern getragen wurde. Die durch die Covid-19-Pandemie ausgelösten Störungen haben den Akquisitionstrend in Indien weiter beschleunigt, wo sich Unternehmen für den Weg der Übernahme entschieden haben, um höhere Wachstumsraten zu erzielen. Nach Angaben des Finanzmarktforschungsinstituts Refinitiv erreichten die Fusionen und Übernahmen in Indien ein Dreijahreshoch, nachdem in den ersten neun Monaten des Jahres 2021 Geschäfte im Wert von 90,4 Mrd. US-Dollar abgeschlossen wurden.
In der Regel spielten sich die meisten Transaktionen, die in der Vergangenheit zwischen Deutschland und Indien abgeschlossen wurden, im Automobilsektor ab. Deutschland, das als Geburtsland des Automobils gilt, hat mit seinen erstklassigen F&E-Einrichtungen, der vollständigen Integration der industriellen Wertschöpfungskette und seinen hochqualifizierten Arbeitskräften ein international wettbewerbsfähiges Umfeld für die Automobilindustrie geschaffen. Indien wiederum entwickelt sich zu einer globalen Drehscheibe für die Beschaffung von Automobilkomponenten. Dies macht die beiden Länder zu idealen Partnern. Die Automobilindustrie ist sowohl für Indien als auch für Deutschland von zentraler Bedeutung und die Branche wandelt sich in einem alarmierenden Tempo: dabei rücken Elektrofahrzeuge verstärkt ins Rampenlicht. In der Vergangenheit hat sich Indien an europäischen Normen und technischen Vorschriften orientiert. Dies ersparte Indien nicht nur viel Zeit und Mühe, sondern ermöglichte auch den Zugang zu neuen Technologien und Innovationen.
Allerdings erlebt die indische Automobilindustrie derzeit eine enorme Verlangsamung, die durch den weltweiten Mangel an Halbleiterchips verursacht wird. Dies betrifft insbesondere das Pkw-Segment, wo Indien einen Produktionsverlust von mindestens 0,5 Mio. Einheiten zu verzeichnen hat.
Wie kam es zu der Verknappung von Halbleiterchips? Bei Halbleitern handelt es sich um Siliziumchips, die für Steuer- und Speicherfunktionen in Produkten wie Autos, Mobiltelefonen und verschiedenen anderen elektronischen Geräten verwendet werden. Für die Verknappung dieser Chips gibt es zwei wesentliche Gründe: Die zunehmende Verwendung von Halbleitern in der Automobilindustrie in den letzten Jahren im Zuge des technologischen Fortschritts und der neuen Modelle, die immer mehr elektronische Funktionen wie Bluetooth, Navigation, Fahrerassistenz usw. enthalten. Laut dem Centrum IB Automotive Update vom Februar 2022 ist der Anteil der Elektronikkosten an den Gesamtfahrzeugkosten weltweit von 22 % im Jahr 2000 auf 40 % im Jahr 2020 gestiegen. Der zweite Grund besteht in den Auswirkungen der globalen Pandemie. Die stärker als erwartet ausgefallene Nachfrageerholung in allen Branchen hat zu akuten Engpässen und Wartezeiten in der Branche geführt. Der Stromausfall nach dem Polarwirbel in Texas, der Brand in der Renesas-Einheit in Japan Anfang 2021 und die Abriegelungsmaßnahmen in wichtigen Lieferregionen (Malaysia und Thailand) haben die Lieferketten für Automobilkomponenten in Indien, das derzeit 100 % seines Bedarfs an Halbleiterchips importiert, weiter erheblich beeinträchtigt.
In Anbetracht der Knappheit und des Produktionsrückgangs in verschiedenen Branchen, der im September 2021 seinen Höhepunkt erreichte, kündigte Indien in seinem Haushalt 2022 einen 10-Milliarden-US-Dollar-Anreizplan an, um Halbleiterhersteller zur Errichtung von Anlagen auf dem Subkontinent zu bewegen. Als Teil seines Plans, Indien als globale Drehscheibe für die Elektronikproduktion zu etablieren, wird Indien förderungswürdigen Herstellern eine finanzielle Unterstützung von bis zu 30 - 50 % der Projektkosten gewähren. Zu den Unternehmen, die Interesse an dieser Möglichkeit gezeigt haben, gehören Israels Tower Semiconductor, Foxconn, United Microelectronics Corp, Fujitsu, Intel und AMD. Neben den ausländischen Unternehmen kündigte auch die Tata Group an, bis zu 300 Mio. US-Dollar in eine Halbleiter-Montage- und Testeinheit zu investieren, und Vedanta, ein weiteres lokales Unternehmen, gab seine Absicht bekannt, ebenfalls 15 Mrd. US-Dollar in ein Halbleiterwerk zu investieren.
Der Umsatz der indische Halbleiterindustrie wird derzeit auf 15 Mrd. US-Dollar geschätzt und soll bis 2026 auf 63 Mrd. US-Dollar anwachsen. Die Entscheidung der Regierung, Anreize zu schaffen, um das Land zu einem globalen Chiphersteller machen wird mit Spannung erwartet. Dies könnte wiederum dem deutsch-indischen M&A-Korridor Auftrieb geben. Wenn sowohl nationale wie auch internationale Unternehmen diese Chance ergreifen, könnte der weltweite Halbleitermangel endlich gelöst werden.
Obwohl der wirtschaftliche Optimismus nach wie vor groß ist und die Faktoren, die zum Rekordmarkt für Fusionen und Übernahmen im Jahr 2021 beigetragen haben, auch im Jahr 2022 einen großen Einfluss haben werden, besteht eine der Lektionen, die die Pandemie den Deal-Machern erteilt hat, darin, auf das neue, beschleunigte Tempo des Wandels zu achten. Dieses kann erhebliche Auswirkungen auf die Transaktionen und die Branche haben. Wir von Ebner Stolz stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit durch unseren globalen Nexia-Partner.