deen

Steuerberatung

Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz nach BilMoG

BFH v. 20.11.2019 - XI R 46/17

Der Han­dels­bi­lanz­wert für eine Rück­stel­lung bil­det auch nach In­kraft­tre­ten des Bil­MoG ge­genüber einem höheren steu­er­recht­li­chen Rück­stel­lungs­wert die Ober­grenze.

Der Sach­ver­halt:
Strei­tig ist die "De­cke­lung" der Höhe des steu­er­recht­li­chen Rück­stel­lungs­be­trags durch den nied­ri­ge­ren han­dels­recht­li­chen Rück­stel­lungs­be­trag. Un­ter­neh­mens­ge­gen­stand der kla­gen­den GmbH ist der Ab­bau und die Ver­wer­tung von Roh­stof­fen. Für Ver­pflich­tun­gen zur Re­kul­ti­vie­rung von Ab­bau­grundstücken bil­dete sie in Han­dels- und Steu­er­bi­lan­zen Rück­stel­lun­gen. In der Han­dels­bi­lanz zum 31.12.2010 er­fasste sie An­samm­lungsrück­stel­lun­gen i.H.v. rd. 300.000 €, bei de­ren Er­mitt­lung ge­schätzte Kos­ten­stei­ge­run­gen bis zum Erfüllungs­zeit­punkt ein­be­zo­gen wur­den; der auf diese Weise er­mit­telte Erfüllungs­be­trag wurde mit einem Zins­satz von 4,94 % ab­ge­zinst. Steu­er­recht­lich er­folgte die Er­mitt­lung ohne künf­tige Kos­ten­stei­ge­run­gen; der er­mit­telte Ver­pflich­tungs­be­trag wurde ent­spre­chend des BMF-Schrei­bens vom 9.12.1999 (IV C 2 - S 2175 - 30/99) nicht ab­ge­zinst und be­trug laut Steu­er­bi­lanz rd. 350.000 €.

Im Rah­men ei­ner für die Jahre 2007 bis 2010 durch­geführ­ten Außenprüfung kürzte der Prüfer un­ter Hin­weis auf § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG die von der Kläge­rin ge­bil­dete und aus an­de­ren Gründen auf rd. 330.000 € kor­ri­gierte Rück­stel­lung laut Steu­er­bi­lanz zum 31.12.2010 um rd. 35.000 € auf den nied­ri­ge­ren Han­dels­bi­lanz­wert i.H.v. rd. 295.000 €, weil an­sons­ten steu­er­recht­lich ein höherer Rück­stel­lungs­be­trag als in der Han­dels­bi­lanz aus­ge­wie­sen werde. Für den sich aus der erst­ma­li­gen An­wen­dung des Bi­lanz­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setz (Bil­MoG) vom 25.5.2009 in 2010 hier­aus er­ge­ben­den Ge­winn i.H.v. rd. 35.000 € bil­dete er so­dann eine Rück­lage für Rück­stel­lungs­auflösung nach R 6.11 Abs. 3 Satz 2 EStR 2012 i.H.v. 14/15 des sich aus der Auflösung der Rück­stel­lung er­ge­ben­den Ge­winns. Das Fi­nanz­amt folgte dem in dem geänder­ten Körper­schaft­steu­er­be­scheid für das Jahr 2010.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Die Re­vi­sion der Kläge­rin hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das FG hat die Höhe der streit­ge­genständ­li­chen Rück­stel­lung un­ter An­wen­dung der Vor­schrift des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG rechts­feh­ler­frei be­wer­tet und mit dem ge­genüber dem steu­er­bi­lan­zi­el­len Wert nied­ri­ge­ren han­dels­recht­li­chen Wert­an­satz berück­sich­tigt.

Die Be­wer­tung von Wirt­schaftsgütern in der Steu­er­bi­lanz folgt den han­dels­recht­li­chen Vor­schrif­ten, so­weit dem steu­er­recht­li­che Vor­schrif­ten nicht ent­ge­gen­ste­hen (§ 5 Abs. 6 EStG). Für die Be­wer­tung der im Streit­fall un­strei­tig vor­lie­gen­den Sach­leis­tungsrück­stel­lung sieht die Vor­schrift des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG vor, dass Rück­stel­lun­gen "höchs­tens ins­be­son­dere" un­ter Berück­sich­ti­gung der so­dann un­ter den Buchst. a bis f fol­gen­den Grundsätze an­zu­set­zen sind. Die im Ein­lei­tungs­satz des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG ent­hal­tene Re­ge­lung, dass Rück­stel­lun­gen "höchs­tens ins­be­son­dere" mit den Beträgen nach den fol­gen­den Grundsätzen in Buchst. a bis f an­zu­set­zen sind, führt dazu, dass die sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a bis f EStG er­ge­ben­den Rück­stel­lungs­beträge den zulässi­gen An­satz nach der Han­dels­bi­lanz nicht über­schrei­ten dürfen.

Aus dem Wort­laut des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG "höchs­tens ins­be­son­dere" er­gibt sich keine Durch­bre­chung der Maßgeb­lich­keit. Viel­mehr lässt er einen Wort­sinn zu, der einen un­ter­halb des Rück­stel­lungs­be­tra­ges nach den fol­gen­den Buchst. a bis f er­ge­ben­den Be­trag auf­grund han­dels­recht­li­cher oder steu­er­recht­li­cher Be­wer­tungs­vor­schrif­ten er­fasst. Mit dem Wort­zu­satz "ins­be­son­dere" hat der Ge­setz­ge­ber ge­rade zum Aus­druck ge­bracht, dass es wei­tere Ober­gren­zen gibt. Die­sem Er­geb­nis ent­spricht auch der Re­ge­lungs­zweck. Denn die Vor­schrift des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG ver­folgt den Zweck, rea­litätsnähere Be­wer­tun­gen von Rück­stel­lun­gen zu er­rei­chen. Die­ser Ziel­set­zung wird auch der Be­zug zum Maßgeb­lich­keits­grund­satz ge­recht, wenn der han­dels­recht­li­che Wert der Rück­stel­lung nied­ri­ger ist als der steu­er­recht­li­che. So wird z.B. für Rück­stel­lun­gen für Ver­bind­lich­kei­ten statt ei­nes pau­scha­len Zins­sat­zes von 5,5 % (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG) nach § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB ein ih­rer Rest­lauf­zeit ent­spre­chen­der durch­schnitt­li­cher Markt­zins­satz der ver­gan­ge­nen sie­ben Ge­schäfts­jahre im Rah­men der Ab­zin­sung an­ge­wandt oder es wer­den han­dels­recht­lich seit dem In­kraft­tre­ten des Bil­MoG auch künf­tige Ent­wick­lun­gen bei der Rück­stel­lungs­be­wer­tung mit ein­be­zo­gen, so dass auch in­so­weit eine rea­litätsnähere Be­wer­tung er­folgt.

Der mit dem Bil­MoG ver­folgte Zweck der Steu­erneu­tra­lität, der an ver­schie­de­nen Stel­len in der Begründung des Ge­setz­ent­wurfs for­mu­liert wurde, wird durch diese Aus­le­gung nicht be­einträch­tigt. Die An­wen­dung der durch das Bil­MoG ein­geführ­ten neuen han­dels­recht­li­chen Be­wer­tungs­re­geln führt zwar nun­mehr steu­er­recht­lich zu ge­winn­wirk­sa­men Rück­stel­lungs­auflösun­gen; al­lei­nige Ur­sa­che ist aber das Han­dels­recht. So­weit der Ge­setz­ge­ber mit den um­fang­rei­chen Ände­run­gen durch das Bil­MoG eine steu­erneu­trale Re­form ver­wirk­li­chen wollte, hat er dies letzt­lich an die­ser Stelle nicht ins Ge­setz über­nom­men. Das Aus­le­gungs­er­geb­nis führt auch nicht im Hin­blick auf Art. 3 Abs. 1 GG zu ei­ner ver­fas­sungs­wid­ri­gen Be­steue­rung. Denn auch eine Berück­sich­ti­gung han­dels­recht­li­cher Be­wer­tungs­ansätze im Rah­men der An­wen­dung des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG führt im Ver­gleich zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht zu ei­ner ver­fas­sungs­wid­ri­gen Un­gleich­be­hand­lung. Auch stellt die An­wen­dung des Maßgeb­lich­keits­grund­sat­zes keine willkürli­che Re­ge­lung dar. Das BVerfG hat selbst dar­ge­legt, dass der Maßgeb­lich­keits­grund­satz seit je­her in ers­ter Li­nie auf Gründen der Prak­ti­ka­bi­lität der un­ter­neh­me­ri­schen Ge­winn­er­mitt­lung ba­siert. Er wird von ihm nicht be­an­stan­det. Kommt er nach ei­ner steu­er­recht­li­chen Vor­schrift - hier § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG - zur An­wen­dung, kann darin keine willkürli­che Re­ge­lung lie­gen.

nach oben