Die EU-weite Meldepflicht zielt vordergründig auf sog. aggressive Steuergestaltungen ab. Doch ist sowohl der Wortlaut der EU-Richtlinie als auch die nationale Regelung, die am 1.1.2020 in Kraft getreten ist, deutlich weiter gefasst, so dass unter die Meldepflicht u.a. auch Strukturen sowie Ausgestaltungen grenzüberschreitender Geschäftsvorfälle im Konzern fallen können.
Die Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen greift ab 1.7.2020. Handlungsbedarf besteht aber bereits für grenzüberschreitende Steuergestaltungen, bei denen der erste Schritt zwischen dem 25.6.2018 und dem 30.6.2020 umgesetzt wurde bzw. wird. Diese Gestaltungen müssen bis Ende August 2020 nachgemeldet werden.
Die Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen erfasst Gestaltungen, die mehr als einen Mitgliedstaat bzw. einen Mitgliedstaat und einen oder mehrere Drittstaaten betreffen. Sie müssen spezielle in der Richtlinie kategorisierte Kennzeichen, sog. Hallmarks, aufweisen. Neben standardisierten Gestaltungsmodellen können auch individuelle Gestaltungen unter die Meldepflicht fallen, wenn mindestens eines der vielen Kennzeichen vorliegt. Im Ergebnis lassen sich derzeit pauschal keine klaren Aussagen treffen, wann eine Gestaltung meldepflichtig ist. Dazu enthält sowohl die Richtlinie als auch die deutsche Regelung zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe. So können von der Meldepflicht z. B. Umstrukturierungen, grenzüberschreitende Darlehensbeziehungen oder Lizenzzahlungen erfasst sein. Zur Meldepflicht kann aber auch die „Umwandlung“ von Einkünften in niedriger besteuerte oder steuerfreie Arten von Einnahmen führen. Teilweise kann eine Meldepflicht vermieden werden, wenn hinreichende wirtschaftliche Gründe vorliegen, so dass ein etwaiger Steuervorteil aus der „Gestaltung“ in den Hintergrund tritt (d.h. keinen der Hauptgründe für die „Gestaltung“ darstellt).
Die Meldung muss elektronisch an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelt werden, von wo aus die Daten in ein von der EU-Kommission eingerichtetes „Zentralverzeichnis“ weitergegeben werden. Das Zentralverzeichnis kann von den anderen EU-Mitgliedstaaten abgerufen werden. Aber auch die nationalen Finanzbehörden werden Daten erhalten, um schneller unerwünschten Gestaltungen entgegen wirken zu können. Das lokale Finanzamt ist über eine umgesetzte meldepflichtige Gestaltung sogar unmittelbar vom Steuerpflichtigen zu informieren, der zu einer entsprechenden Angabe in seiner Steuererklärung verpflichtet wird.
Zu übermitteln sind neben einer Beschreibung und den steuerlichen Auswirkungen der meldepflichtigen Gestaltung u. a. die einschlägigen Rechtsvorschriften (auch ausländische!), die der Gestaltung zu Grunde liegen.
Meldepflichtig sind grundsätzlich die sog. Intermediäre. Hierunter fallen insb. Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, aber ggf. auch andere Berater wie Banken. Sofern Intermediäre einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen, wie in Deutschland z. B. Steuerberater, Rechtsanwälte oder Wirtschaftsprüfer, und der Mandant den Berater hiervon nicht entbindet, muss der Mandant personenbezogene Angaben grundsätzlich selbst übermitteln. Die Meldepflicht wird in solchen Fällen aufgesplittet und ist teils vom Berater und teils vom Mandanten zu erfüllen.
Mit den neuen Meldepflichten wird ein spürbarer zusätzlicher Erfüllungsaufwand einhergehen, der sich bei den Intermediären und auch bei den Steuerpflichtigen auswirkt. Wird die Meldepflicht vorsätzlich oder leichtfertig verletzt, droht ein Bußgeld von bis zu 25.000 Euro pro Verstoß.
Hinweis: Um der erstmals Mitte diesen Jahres anstehenden Meldepflicht gerecht werden zu können, sollten vorsorglich Informationen über potenziell meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen bzw. über Gründe, warum keine Meldepflicht vorliegen dürfte, vorgehalten werden.