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Mindestlohngesetz gilt auch für ausländische Transportunternehmen

FG Berlin-Brandenburg 16.1.2019, 1 K 1161/17

Die Einführung des ge­setz­li­chen Min­dest­lohns auch im Spe­di­ti­ons- und Trans­port­sek­tor und die da­mit ver­bun­dene Do­ku­men­ta­ti­ons­pflicht ste­hen im Ein­klang mit Eu­ro­pa­recht. Die Einführung des ge­setz­li­chen Min­dest­lohns verstößt nicht ge­gen die auch im Ver­kehrs­sek­tor gel­tende Dienst­leis­tungs­frei­heit (Art. 56, 58 Abs. 1 i.V.m. Art. 91 AEUV).

Der Sach­ver­halt:

Die Kläge­rin ist eine Ka­pi­tal­ge­sell­schaft pol­ni­schen Rechts mit Sitz in Po­len. Sie ist im in­ter­na­tio­na­len Güter­fern­ver­kehr tätig und verfügt über eine Ge­mein­schafts­li­zenz nach Art. 4 Ver­ord­nung (EG) Nr. 1072/2009. Ih­ren An­ga­ben zu­folge be­schäftigt sie re­gelmäßig bis zu 60 an­ge­stellte Lkw-Fah­rer, die auf 50 Fahr­zeu­gen täglich Trans­port­dienst­leis­tun­gen er­brin­gen und da­bei ca. 1.500 Ar­beits­stun­den mo­nat­lich auf deut­schen Straßen fah­ren. Ne­ben grenzüber­schrei­ten­den Straßen- und Güter­trans­port­leis­tun­gen han­delt es sich da­bei auch um Ka­bo­tage- und Tran­sit­fahr­ten.

Die Kläge­rin reichte in der Ver­gan­gen­heit die von ihr ge­for­derte Ein­satz­pla­nung für Ar­beit­ge­ber bei der Bun­des­zoll­ver­wal­tung ein und ver­si­cherte da­bei u.a. die zum Nach­weis der Erfüllung der Vor­ga­ben des Min­dest­lohn­ge­set­zes er­for­der­li­chen Un­ter­la­gen auf An­for­de­rung der Behörden der Zoll­ver­wal­tung für eine Prüfung in deut­scher Sprache in Deutsch­land be­reit­zu­stel­len, so­weit diese Un­ter­la­gen zunächst nur im Aus­land be­reit­ge­hal­ten wer­den. Aus der ex­em­pla­ri­sch für den Zeit­raum vom 1..1. bis 30.6.2015 vor­ge­leg­ten An­mel­dung geht her­vor, dass sich die Fah­rer der Kläge­rin durch­schnitt­lich acht Tage mo­nat­lich auf dem Ge­biet der Bun­des­re­pu­blik auf­hal­ten.

Die Kläge­rin sieht ein be­rech­tig­tes recht­li­ches In­ter­esse an der Fest­stel­lung, nicht zu den nach § 17 Abs. 2 Mi­LoG ge­bo­te­nen Hand­lun­gen ver­pflich­tet zu sein. Das FG wies ih­ren An­trag, fest­zu­stel­len, dass diese Do­ku­men­ta­ti­ons­pflicht nicht be­steht, ab. Al­ler­dings wurde we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che die Re­vi­sion zu­ge­las­sen.

Die Gründe:

Die Kläge­rin un­ter­liegt den aus § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Mi­LoG, § 2 Abs. 3 Satz 3 Mi­Lo­MeldV fol­gen­den Do­ku­men­ta­ti­ons- und Be­reit­hal­tungs­pflich­ten, denn das Min­dest­lohn­ge­setz fin­det auf sie An­wen­dung, ob­wohl sie in Po­len ansässig und auf die mit ih­ren Fah­rern ge­schlos­se­nen Ar­beits­verträge grundsätz­lich pol­ni­sches Recht an­wend­bar ist (Art. 8 Rom-I-VO).

§ 20 Mi­LoG ord­net an, dass Ar­beit­ge­ber mit Sitz im In- oder Aus­land ver­pflich­tet sind, ih­ren im In­land be­schäftig­ten Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mern ein Ar­beits­ent­gelt min­des­tens i.H.d. sich aus § 1 Abs. 2 Mi­LoG er­ge­ben­den ge­setz­li­chen Min­dest­lohns zu zah­len. In die­sem Zu­sam­men­hang hat die Kläge­rin als Un­ter­neh­men des Spe­di­ti­ons- und Trans­port­ge­wer­bes zu­dem die Pflicht, die für die Kon­trolle der Ein­hal­tung des Min­dest­lohns er­for­der­li­chen Un­ter­la­gen zu er­stel­len, auf­zu­be­wah­ren und auf An­for­de­rung den Zoll­behörden vor­zu­le­gen, §§ 15, 17 Abs. 1 und 2 Mi­LoG i. V. m. § 2a Abs. 1 Nr. 4 Schwarz­ArbG.

Die An­sicht, be­reits der Wort­laut des § 20 Mi­LoG schließe die An­wen­dung des Min­dest­lohn­ge­set­zes in einem sol­chen Fall aus, denn eine Be­schäfti­gung im In­land er­for­dere nach all­ge­mei­nem Verständ­nis das Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges nach deut­schem Recht, was vor­aus­setze, dass der Ar­beit­ge­ber mit Sitz im Aus­land eine Nie­der­las­sung in Deutsch­land un­ter­halte, über­zeugt nicht. Ebenso we­nig über­zeugt die Auf­fas­sung, der im Min­dest­lohn­ge­setz ver­wen­dete Be­griff der Be­schäfti­gung sei nach den in § 7 Abs. 1 SGB IV ent­hal­te­nen so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Kri­te­rien zu be­stim­men.

Das Min­dest­lohn­ge­setz fin­det nach kol­li­si­ons­recht­li­chen Maßstäben grundsätz­lich auch auf die von der Kläge­rin ein­ge­gan­ge­nen Ar­beits­verhält­nisse An­wen­dung, wenn eine Be­schäfti­gung in Deutsch­land vor­liegt (FG Ba­den-Würt­tem­berg, Urt. v. 17.7.2018, 11 K 544/16 und 11 K 2644/16), denn in­so­weit be­steht eine hin­rei­chende Ver­bin­dung zum Recht ver­schie­de­ner Staa­ten (Art. 1 Abs. 1 Rom-I-VO). Dafür be­darf es kei­ner be­son­de­ren Umstände. Viel­mehr genügt es, dass auf­grund des zu be­ur­tei­len­den Sach­ver­halts über­haupt in Frage steht, wel­che Rechts­ord­nung an­zu­wen­den ist. Und so liegt es hier, wenn die Ar­beits­leis­tung der in Po­len an­ge­stell­ten Fern­fah­rer (teil­weise) in Deutsch­land er­bracht wer­den soll.

Die Einführung des ge­setz­li­chen Min­dest­lohns auch im Spe­di­ti­ons- und Trans­port­sek­tor und die da­mit ver­bun­dene Do­ku­men­ta­ti­ons­pflicht ste­hen im Ein­klang mit Eu­ro­pa­recht. Die Einführung des ge­setz­li­chen Min­dest­lohns verstößt nicht ge­gen die auch im Ver­kehrs­sek­tor gel­tende Dienst­leis­tungs­frei­heit (Art. 56, 58 Abs. 1 i.V.m. Art. 91 AEUV). Zwar be­einträch­tigt die zwin­gende Ver­pflich­tung der grenzüber­schrei­tende Dienst­leis­tun­gen im Ver­kehrs­sek­tor er­brin­gen­den Kläge­rin, ih­ren in Deutsch­land Be­schäftig­ten den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn zu zah­len, die Dienst­leis­tungs­frei­heit ebenso wie da­mit ver­bun­dene Do­ku­men­ta­ti­ons- und Be­reit­hal­tungs­pflich­ten, doch ist diese Be­einträch­ti­gung ge­recht­fer­tigt.

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