Der Sachverhalt:
Im Dezember 2005 und im Mai 2006 schloss die ursprüngliche Vermieterin (Vorvermieterin) mit dem Vormieter des Beklagten zwei Mietverträge über die streitgegenständlichen gewerblich genutzten Räumlichkeiten mit dem Vertragszweck "Lagerung und Verkauf von Stoffen und Kurzwaren" sowie ergänzend "Textilien und Baumaschinen". Darüber hinaus beinhalteten die Verträge als AGB Schriftformheilungsklauseln und doppelte Schriftformklauseln. Mit Schreiben vom 25.7.2006 bestätigte die Vorvermieterin dem Vormieter, dass ihm auch das "Lagern von handelsüblichen Waren" gestattet sei. In einem Schreiben vom 18.7.2007 wies sie ihn darauf hin, dass "der Bereich Ihres Getränkeausschankes nun den hinteren Eingang als Verkaufsfläche" nutze, und regte an, zusätzliche Flächen anzumieten.
Das LG gab der Klage gestützt auf die in der Klageschrift erklärte außerordentliche Kündigung statt. Aufgrund der aus diesem Urteil von der Klägerin betriebenen Zwangsvollstreckung gab der Beklagte die Räume am 13.1.2016 geräumt heraus. Die Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg, wobei das OLG nicht die außerordentliche, sondern die erste ordentliche Kündigung für durchgreifend erachtete. Mit der Revision verfolgte der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. Eine Anzeige, dass das Mietverhältnis über den 31.12.2016 hinaus fortgesetzt werden soll, gab er nicht ab. Nachdem er mitgeteilt hatte, dass aus seiner Sicht wegen des Ablaufs der Vertragslaufzeit Erledigung eingetreten sei, erklärte die Klägerin den Rechtsstreit für erledigt. Der Beklagte schloss sich der Erledigungserklärung an.
Der BGH entschied, dass der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
Gründe:
Die Revisionsrüge, die den Nutzungszweck erweiternde, nicht in schriftlicher Form erfolgte Vertragsänderung sei wegen der sog. doppelten Schriftformklausel unwirksam, so dass es am Schriftformverstoß i.S.d. § 550 BGB fehle, hatte keine Erfolgsaussichten.
Die Rechtsfrage, ob eine doppelte Schriftformklausel im Falle ihrer formularmäßigen Vereinbarung eine mündliche oder auch konkludente Änderung der Vertragsabreden ausschließen kann, wird unterschiedlich beantwortet. Eine Auffassung bejaht dies unter Hinweis auf die Interessenlagen von Vertragsparteien in der Gewerberaummiete. Demgegenüber wird überwiegend die Meinung vertreten, dass eine in AGB vereinbarte doppelte Schriftformklausel wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam sei, weil sie den wegen § 305 b BGB unzutreffenden Eindruck erwecke, eine Änderungsvereinbarung sei nur schriftlich möglich. Die Frage der Wirksamkeit einer doppelten Schriftformklausel in einem Gewerberaummietvertrag kann hier jedoch dahinstehen. Denn die Klausel bleibt jedenfalls wegen des Vorrangs der Individualvereinbarung nach § 305 b BGB wirkungslos.
Für eine in einem Formularvertrag enthaltene einfache Schriftformklausel hat der Senat dies bereits entschieden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Parteien eine Änderung der AGB beabsichtigt haben oder sich der Kollision mit den AGB auch nur bewusst geworden sind. Unerheblich ist auch, ob die Individualvereinbarung ausdrücklich oder stillschweigend getroffen worden ist. Den Vorrang gegenüber AGB haben individuelle Vertragsabreden ohne Rücksicht auf die Form, in der sie getroffen worden sind, und somit auch, wenn sie auf mündlichen Erklärungen beruhen. Das gilt selbst dann, wenn durch eine AGB-Schriftformklausel bestimmt wird, dass mündliche Abreden unwirksam sind.
Zwischen einfacher und doppelter Schriftformklausel sind insoweit keine maßgeblichen Unterschiede erkennbar. Der Vorrang der Individualvereinbarung muss bei beiden auch dann gewahrt bleiben, wenn man ein Interesse des Verwenders anerkennt, einem langfristigen Mietvertrag nicht durch nachträgliche mündliche Abreden die Schriftform zu nehmen, und deshalb eine solche Klausel ausnahmsweise als wirksam ansieht. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine doppelte Schriftformklausel die Wahrung der Schriftform des § 550 BGB ohnedies nicht stets gewährleisten könnte. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass Klauselverwenderin hier die Vorvermieterin war.
Bei Bejahung des Schriftformverstoßes ist das zwischen den Parteien bestehende Mietvertragsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 9.2.2015 mit Ablauf des 31.12.2015 beendet worden. Dem Grundsatz nach wäre die gesetzliche Kündigungsfrist des § 580 a Abs. 2 BGB einschlägig. § 550 S. 2 BGB bestimmt jedoch, dass die Kündigung frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung der Räume zulässig ist. Das Schriftformerfordernis ist hier erst mit Vereinbarung des Nachtrags am 4. November 2014 entstanden, der erstmalig zu einer Laufzeit von mehr als einem Jahr geführt hat. Damit ist dieser Zeitpunkt als der der Überlassung i.S.d. § 550 S. 2 BGB anzusehen, so dass die Kündigung gem. § 580 a Abs. 2 BGB erst mit Ablauf des letzten Kalendervierteljahrs 2015 wirksam werden konnte.
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