deen

Rechtsberatung

MVZ-Gründungen: Steuerliche Auswirkungen des BSG-Urteils zu Anstellungsgenehmigungen von GbR-Gesellschaftern

Das BSG hat mit Ur­teil vom 26.01.2022 im Rah­men ei­ner MVZ-Gründung ent­schie­den, dass die An­stel­lungs­ge­neh­mi­gun­gen zweier GbR-Ge­sell­schaf­ter sei­tens des zuständi­gen Zu­las­sungs­aus­schus­ses zu Recht ab­ge­lehnt wur­den, weil kein abhängi­ges Be­schäfti­gungs­verhält­nis an­zu­neh­men war. Es ist an­zu­neh­men, dass die Grundsätze die­ser Ent­schei­dung auf MVZ-Träger­ge­sell­schaf­ten in der Rechts­form ei­ner GmbH über­tra­gen wer­den und da­mit die Ein-Mann-GmbH so­wie die Gründung von MVZ durch zwei Ver­tragsärzte in der Ver­zichts­va­ri­ante er­heb­lich er­schwert wer­den.

Die Kon­se­quen­zen der vor­ge­nann­ten Ent­schei­dung rei­chen weit über Fra­gen des So­zi­al­ver­si­che­rungs- und des Me­di­zin­rechts hin­aus. So er­ge­ben sich u. a. steu­er­recht­li­che Fol­ge­run­gen in den Fällen, in de­nen Ärzte be­ab­sich­ti­gen, sich fortan als Me­di­zi­ni­sches Ver­sor­gungs­zen­trum un­ter der Träger­schaft ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft (GmbH) zu or­ga­ni­sie­ren. Häufig ge­schieht dies im Vor­griff auf den Ver­kauf an einen In­ves­tor oder dem Ein­stieg ei­nes In­ves­tors. Ge­rade in ka­pi­tal­in­ten­si­ven und ren­di­te­star­ken Fach­ge­bie­ten wie z. B. der Ra­dio­lo­gie, Dia­lyse, Strah­len­the­ra­pie, Nu­kle­ar­me­di­zin, On­ko­lo­gie oder der ope­ra­ti­ven Au­gen­heil­kunde wird die Gründung ei­nes MVZ häufig be­trie­ben, um den Ein­stieg ei­nes In­ves­tors bzw. den Ver­kauf an einen In­ves­tor rea­li­sie­ren zu können.

Für den Weg in eine sol­che MVZ-GmbH exis­tie­ren für zu­ge­las­sene Ver­tragsärzte, die ihre Ge­mein­schafts­pra­xis / Be­rufs­ausübungs­ge­mein­schaft in der Rechts­form ei­ner GbR bzw. PartG be­trei­ben, ver­ein­facht dar­ge­stellt zwei ide­al­ty­pi­sche Wege: Ers­tens die sog. Frei­be­ruf­ler- oder Ver­trags­arzt-Va­ri­ante und zwei­tens die sog. An­ge­stell­ten- oder Ver­zichts­va­ri­ante. Bei­den Durchführungs­we­gen ist ge­mein, dass die Ärzte zunächst eine MVZ-GmbH gründen und ihre Ge­mein­schafts­pra­xis / Be­rufs­ausübungs­ge­mein­schaft in Ge­stalt der An­teile an der GbR bzw. PartG in die neue MVZ-GmbH ein­brin­gen (z. B. durch Bargründung mit Bar­ka­pi­tal­erhöhung und Sach­auf­geld oder durch Sachgründung). Da­ne­ben ist in be­stimm­ten Kon­stel­la­tio­nen zu­min­dest bei in der Rechts­form ei­ner PartG be­trie­be­nen Be­rufs­ausübungs­ge­mein­schaf­ten auch ein Form­wech­sel in eine MVZ-GmbH denk­bar, was aus steu­er­li­cher Sicht eben­falls wie eine Ein­brin­gung der An­teile an der form­wech­seln­den PartG in die MVZ-GmbH be­han­delt wird. In der Frei­be­ruf­ler- oder Ver­trags­arzt-Va­ri­ante be­hal­ten die ein­brin­gen­den Ärzte ihre Ver­trags­arzt­zu­las­sung. Die Leis­tun­gen der Ver­tragsärzte, die gleich­zei­tig Ge­sell­schaf­ter der MVZ-GmbH sind, wer­den fortan über das MVZ ab­ge­rech­net; die in­sti­tu­tio­nelle Zu­las­sung des MVZ über­la­gert die Ver­trags­arzt­zu­las­sun­gen der ein­brin­gen­den Ärzte. In der An­ge­stell­ten- oder Ver­zichts­va­ri­ante ver­zich­ten da­ge­gen die ein­brin­gen­den Ärzte nach § 103 Abs. 4a SGB V auf ihre Ver­trags­arzt­zu­las­sung zum Zwecke der An­stel­lung in der neuen MVZ-GmbH. Die Ver­trags­arzt­zu­las­sun­gen wer­den in sog. Arzt­stel­len bzw. An­stel­lungs­ge­neh­mi­gun­gen um­qua­li­fi­ziert und der MVZ-GmbH zu­ge­ord­net.

Aus steu­er­recht­li­cher Sicht steht für die Ärzte beim Weg in eine MVZ-GmbH in al­ler Re­gel im Vor­der­grund, ent­we­der die steu­er­li­chen Buch­werte fortführen zu können, um eine (so­for­tige) Be­steue­rung des Pra­xis­werts zu ver­mei­den, oder aber - ins­be­son­dere bei einem un­mit­tel­bar an­schließen­den Ver­kauf von MVZ-GmbH-An­tei­len an einen In­ves­tor - die sog. Ta­rif­begüns­ti­gung der §§ 16, 34 EStG in An­spruch neh­men zu können. Letz­tere Möglich­keit sieht bis zur Höhe ei­nes Veräußerungs­ge­winns von 5 Mio. Euro einen begüns­tig­ten Steu­er­satz vor, der zu einem Steu­er­vor­teil von über ei­ner Mil­lio­nen Euro führen kann. Vor­aus­set­zung der Ta­rif­begüns­ti­gung ist u. a., dass der je­wei­lige Arzt min­des­tens 55 Jahre alt ist, er seine bis­he­rige frei­be­ruf­li­che Tätig­keit im an­ge­stamm­ten ört­li­chen Wir­kungs­kreis zu­min­dest wei­test­ge­hend für eine ge­wisse Zeit ein­stellt und sämt­li­che stil­len Re­ser­ven, d. h. ins­be­son­dere der Pra­xis­wert, auf­ge­deckt und be­steu­ert wer­den. Bei der Ein­brin­gung der Ge­mein­schafts­pra­xis / Be­rufs­ausübungs­ge­mein­schaft oder dem Form­wech­sel in eine MVZ-GmbH müssen dafür sämt­li­che funk­tio­nal we­sent­li­chen Be­triebs­grund­la­gen der Pra­xis auf die MVZ-GmbH über­ge­hen, un­abhängig da­von, ob sie im Ei­gen­tum der GbR bzw. PartG oder des Arz­tes ste­hen.

Die vor­ge­nannte Recht­spre­chung des BSG er­schwert die Gründung ei­nes MVZ durch zwei Ver­tragsärzte in der An­ge­stell­ten-Va­ri­ante und könnte da­her dazu ver­an­las­sen, beim Weg in eine MVZ-GmbH verstärkt die Frei­be­ruf­ler-Va­ri­ante zu ver­fol­gen. In der Struk­tu­rie­rung ist hier aber aus steu­er­recht­li­cher Sicht höchste Vor­sicht ge­bo­ten. Denn Vor­aus­set­zung so­wohl für eine steu­er­li­che Buch­wert­fortführung als auch für die Möglich­keit zur In­an­spruch­nahme der Ta­rif­begüns­ti­gung ist die Über­tra­gung al­ler funk­tio­nal we­sent­li­chen Be­triebs­grund­la­gen. In­des ist noch nicht höchstrich­ter­lich geklärt, ob die Ver­trags­arzt­zu­las­sung eine sol­che funk­tio­nale Be­triebs­grund­lage ist und ob diese bei der Frei­be­ruf­ler-Va­ri­ante zu­min­dest wirt­schaft­lich be­trach­tet als in die MVZ-GmbH ein­ge­bracht gel­ten kann.

Die Fi­nanz­ver­wal­tung hat sich in ei­ner - auf Bund-Länder-Ebene ab­ge­stimm­ten - Verfügung des Lan­des­am­tes für Steu­ern Nie­der­sach­sen vom 21.02.2022 (Az. S 2134a - 6 - St 222/St 221) in der Weise po­si­tio­niert, dass die Ver­trags­arzt­zu­las­sung in der Frei­be­ruf­ler-Va­ri­ante nicht - wie bei der Veräußerung ei­ner ge­sam­ten Pra­xis - im über­tra­ge­nen Ge­schäfts- bzw. Pra­xis­wert ent­hal­ten sei, son­dern als ein vom Ge­schäfts- bzw. Pra­xis­wert ab­ge­trenn­ter Vor­teil beim Ein­brin­gen­den ver­blei­ben solle. Bei der Ver­trags­arzt­zu­las­sung han­dele es sich um eine funk­tio­nal we­sent­li­che Be­triebs­grund­lage, da sie für einen nie­der­ge­las­se­nen, prak­ti­zie­ren­den Arzt ein be­son­de­res wirt­schaft­li­ches Ge­wicht für sei­nen lau­fen­den Ge­schäfts­be­trieb habe. Überträgt ein Arzt seine Ein­zel­pra­xis auf eine MVZ-GmbH un­ter Zurück­be­hal­tung sei­ner Ver­trags­arzt­zu­las­sung, könne die Über­tra­gung da­her steu­er­lich nicht zu Buch­wer­ten er­fol­gen.

Auch wenn dies in der vor­ge­nann­ten Ver­laut­ba­rung nicht ex­pli­zit zum Aus­druck kommt, ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die Fi­nanz­ver­wal­tung diese Sicht­weise nicht nur bei der Über­tra­gung ei­ner Ein­zel­pra­xis, son­dern auch bei der Ein­brin­gung von An­tei­len an GbR oder PartG an­wen­den möchte. Zu­dem dürfte in sämt­li­chen Fällen der Frei­be­ruf­ler-Va­ri­ante nach den Grundsätzen der Fi­nanz­ver­wal­tung frag­lich sein, ob die Ta­rif­begüns­ti­gung in An­spruch ge­nom­men wer­den kann, da nach die­ser Sicht­weise die Ver­trags­arzt­zu­las­sung als funk­tio­nal we­sent­li­che Be­triebs­grund­lage im Ge­schäfts­be­trieb des Arz­tes zurück­bleibt und er so­mit wohl nicht sämt­li­che stil­len Re­ser­ven auf­deckt. Zu­dem könnte in­frage ste­hen, ob der Arzt seine bis­he­rige frei­be­ruf­li­che Tätig­keit wei­test­ge­hend ein­stellt, auch wenn die in­sti­tu­tio­nelle Zu­las­sung des MVZ die Ver­trags­arzt­zu­las­sung der ein­brin­gen­den Ärzte über­la­gert. Ge­gen die Sicht­weise der Fi­nanz­ver­wal­tung spre­chen zwar gute Ar­gu­mente, gleich­wohl dürfte die Frei­be­ruf­ler-Va­ri­ante bis zu ei­ner höchstrich­ter­li­chen Klärung bei vor­sich­ti­ger Struk­tu­rie­rung aus steu­er­recht­li­chen Gründen aus­schei­den.

nach oben