Die Konsequenzen der vorgenannten Entscheidung reichen weit über Fragen des Sozialversicherungs- und des Medizinrechts hinaus. So ergeben sich u. a. steuerrechtliche Folgerungen in den Fällen, in denen Ärzte beabsichtigen, sich fortan als Medizinisches Versorgungszentrum unter der Trägerschaft einer Kapitalgesellschaft (GmbH) zu organisieren. Häufig geschieht dies im Vorgriff auf den Verkauf an einen Investor oder dem Einstieg eines Investors. Gerade in kapitalintensiven und renditestarken Fachgebieten wie z. B. der Radiologie, Dialyse, Strahlentherapie, Nuklearmedizin, Onkologie oder der operativen Augenheilkunde wird die Gründung eines MVZ häufig betrieben, um den Einstieg eines Investors bzw. den Verkauf an einen Investor realisieren zu können.
Für den Weg in eine solche MVZ-GmbH existieren für zugelassene Vertragsärzte, die ihre Gemeinschaftspraxis / Berufsausübungsgemeinschaft in der Rechtsform einer GbR bzw. PartG betreiben, vereinfacht dargestellt zwei idealtypische Wege: Erstens die sog. Freiberufler- oder Vertragsarzt-Variante und zweitens die sog. Angestellten- oder Verzichtsvariante. Beiden Durchführungswegen ist gemein, dass die Ärzte zunächst eine MVZ-GmbH gründen und ihre Gemeinschaftspraxis / Berufsausübungsgemeinschaft in Gestalt der Anteile an der GbR bzw. PartG in die neue MVZ-GmbH einbringen (z. B. durch Bargründung mit Barkapitalerhöhung und Sachaufgeld oder durch Sachgründung). Daneben ist in bestimmten Konstellationen zumindest bei in der Rechtsform einer PartG betriebenen Berufsausübungsgemeinschaften auch ein Formwechsel in eine MVZ-GmbH denkbar, was aus steuerlicher Sicht ebenfalls wie eine Einbringung der Anteile an der formwechselnden PartG in die MVZ-GmbH behandelt wird. In der Freiberufler- oder Vertragsarzt-Variante behalten die einbringenden Ärzte ihre Vertragsarztzulassung. Die Leistungen der Vertragsärzte, die gleichzeitig Gesellschafter der MVZ-GmbH sind, werden fortan über das MVZ abgerechnet; die institutionelle Zulassung des MVZ überlagert die Vertragsarztzulassungen der einbringenden Ärzte. In der Angestellten- oder Verzichtsvariante verzichten dagegen die einbringenden Ärzte nach § 103 Abs. 4a SGB V auf ihre Vertragsarztzulassung zum Zwecke der Anstellung in der neuen MVZ-GmbH. Die Vertragsarztzulassungen werden in sog. Arztstellen bzw. Anstellungsgenehmigungen umqualifiziert und der MVZ-GmbH zugeordnet.
Aus steuerrechtlicher Sicht steht für die Ärzte beim Weg in eine MVZ-GmbH in aller Regel im Vordergrund, entweder die steuerlichen Buchwerte fortführen zu können, um eine (sofortige) Besteuerung des Praxiswerts zu vermeiden, oder aber - insbesondere bei einem unmittelbar anschließenden Verkauf von MVZ-GmbH-Anteilen an einen Investor - die sog. Tarifbegünstigung der §§ 16, 34 EStG in Anspruch nehmen zu können. Letztere Möglichkeit sieht bis zur Höhe eines Veräußerungsgewinns von 5 Mio. Euro einen begünstigten Steuersatz vor, der zu einem Steuervorteil von über einer Millionen Euro führen kann. Voraussetzung der Tarifbegünstigung ist u. a., dass der jeweilige Arzt mindestens 55 Jahre alt ist, er seine bisherige freiberufliche Tätigkeit im angestammten örtlichen Wirkungskreis zumindest weitestgehend für eine gewisse Zeit einstellt und sämtliche stillen Reserven, d. h. insbesondere der Praxiswert, aufgedeckt und besteuert werden. Bei der Einbringung der Gemeinschaftspraxis / Berufsausübungsgemeinschaft oder dem Formwechsel in eine MVZ-GmbH müssen dafür sämtliche funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen der Praxis auf die MVZ-GmbH übergehen, unabhängig davon, ob sie im Eigentum der GbR bzw. PartG oder des Arztes stehen.
Die vorgenannte Rechtsprechung des BSG erschwert die Gründung eines MVZ durch zwei Vertragsärzte in der Angestellten-Variante und könnte daher dazu veranlassen, beim Weg in eine MVZ-GmbH verstärkt die Freiberufler-Variante zu verfolgen. In der Strukturierung ist hier aber aus steuerrechtlicher Sicht höchste Vorsicht geboten. Denn Voraussetzung sowohl für eine steuerliche Buchwertfortführung als auch für die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Tarifbegünstigung ist die Übertragung aller funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen. Indes ist noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob die Vertragsarztzulassung eine solche funktionale Betriebsgrundlage ist und ob diese bei der Freiberufler-Variante zumindest wirtschaftlich betrachtet als in die MVZ-GmbH eingebracht gelten kann.
Die Finanzverwaltung hat sich in einer - auf Bund-Länder-Ebene abgestimmten - Verfügung des Landesamtes für Steuern Niedersachsen vom 21.02.2022 (Az. S 2134a - 6 - St 222/St 221) in der Weise positioniert, dass die Vertragsarztzulassung in der Freiberufler-Variante nicht - wie bei der Veräußerung einer gesamten Praxis - im übertragenen Geschäfts- bzw. Praxiswert enthalten sei, sondern als ein vom Geschäfts- bzw. Praxiswert abgetrennter Vorteil beim Einbringenden verbleiben solle. Bei der Vertragsarztzulassung handele es sich um eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage, da sie für einen niedergelassenen, praktizierenden Arzt ein besonderes wirtschaftliches Gewicht für seinen laufenden Geschäftsbetrieb habe. Überträgt ein Arzt seine Einzelpraxis auf eine MVZ-GmbH unter Zurückbehaltung seiner Vertragsarztzulassung, könne die Übertragung daher steuerlich nicht zu Buchwerten erfolgen.
Auch wenn dies in der vorgenannten Verlautbarung nicht explizit zum Ausdruck kommt, ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung diese Sichtweise nicht nur bei der Übertragung einer Einzelpraxis, sondern auch bei der Einbringung von Anteilen an GbR oder PartG anwenden möchte. Zudem dürfte in sämtlichen Fällen der Freiberufler-Variante nach den Grundsätzen der Finanzverwaltung fraglich sein, ob die Tarifbegünstigung in Anspruch genommen werden kann, da nach dieser Sichtweise die Vertragsarztzulassung als funktional wesentliche Betriebsgrundlage im Geschäftsbetrieb des Arztes zurückbleibt und er somit wohl nicht sämtliche stillen Reserven aufdeckt. Zudem könnte infrage stehen, ob der Arzt seine bisherige freiberufliche Tätigkeit weitestgehend einstellt, auch wenn die institutionelle Zulassung des MVZ die Vertragsarztzulassung der einbringenden Ärzte überlagert. Gegen die Sichtweise der Finanzverwaltung sprechen zwar gute Argumente, gleichwohl dürfte die Freiberufler-Variante bis zu einer höchstrichterlichen Klärung bei vorsichtiger Strukturierung aus steuerrechtlichen Gründen ausscheiden.