So wird der BaFin zur Stärkung des Verbraucherschutzes die Möglichkeit zur Durchführung anonymer Testkäufe und der Inanspruchnahme von Wertpapierdienstleistungen („Mystery Shopping“) eingeräumt. Über eine Ergänzung in § 4 Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (FinDAG) erhielt die BaFin erstmalig im Wege verdeckter Testverkäufe ein spezifisches Instrument zum Schutz kollektiver Verbraucherinteressen.
Beim Mystery Shopping treten behördliche Testkäufer als Verbraucher bei Banken, Versicherungen und Wertpapierinstituten auf und lassen sich zu Testzwecken beraten bzw. kaufen Finanzprodukte (z. B. Wertpapiere oder Zertifikate) oder schließen Versicherungen oder Kredite ab. Hierfür hat die BaFin Agenturen beauftragt, die geschulte Testkäufer für Zwecke des Mystery Shopping zur Verfügung stellen. Diese werden zu Anlageberatungs- oder Kreditgesprächen in die Filialen der Institute, Versicherungen und Wertpapierinstitute geschickt und beobachten, wie die Unternehmen vorgehen und ob sie die gesetzlichen Regelungen einhalten.
Ziel der BaFin ist es, über die anonym von ihr vorgenommenen Testkäufe einen Überblick zu erhalten, wie der Stand des Verbrauchschutzes bei den Unternehmen des Finanzsektors insgesamt ist und ob die Unternehmen tatsächlich ihre gesetzlichen Pflichten gegenüber Verbrauchern und Kleinanlegern einhalten.
Bereits 2021 hatte die BaFin hierzu ein Pilotprojekt gestartet, welches seit Anfang 2022 in den Regelbetrieb übergegangen ist.
In der Pilotphase wurde deutschlandweit die Anlageberatung in zwölf Banken überprüft. Zum Einsatz für das Mystery Shopping kamen drei verschiedene Kundengruppen. Ergebnis war: Bei jeder dritten Anlageberatung fehlten wichtige Informationsdokumente (z. B. Geeignetheitserklärung, Kosteninformationen) und/oder wurden Kundenangaben teilweise unzutreffend aufgenommen. Die meisten Mängel wurden bei der Beratung oder dem Verkauf von Finanzprodukten an Senioren festgestellt. Bei fast allen getesteten Unternehmen hat die BaFin im Pilotprojekt Mängel festgestellt.
Hinweis: Auch wenn der Mystery-Shopper in der Beratungspraxis erkannt wird, ist der Beratungs- und Verkaufsprozess so durchzuführen, dass die notwendigen Kundeninformationen und -erklärungen korrekt eingeholt und die richtigen und vollständigen Informationen und Erklärungen an den Kunden rechtzeitig abgegeben werden. Die Dokumentation muss passen! Auch der klar erkannte Mystery-Shopper befreit nicht von den regulatorischen Pflichten und Mängel in der Beratung führen zu in der Regel belastenden Feststellungen.
Für 2022 hat die BaFin deswegen erklärt, die Anlageberatung und Kreditvergabepraxis deswegen noch genauer unter die Lupe zu nehmen als zuvor. Hierfür hat sie Anfang des Jahres eine neue Ausschreibung für eine Agentur vorgenommen und plant ihre Testkäufe in den nächsten Jahren in allen Bereichen des Finanzsektors, die Risiken für den Verbraucherschutz bieten, fortzusetzen und deutlich auszuweiten.
Hinweis: Laut Aussagen von Christian Bock, Leiter der Abteilung Verbraucherschutz der BaFin, sind jährlich mehrere Hundert Testkäufe geplant.
Im Gegensatz zum Pilotprojekt soll das Mystery Shopping nicht nur auf Kreditinstitute beschränkt werden, sondern auch Wertpapierinstitute und Versicherungen umfassen.
Auch sollen zukünftig Themenkomplexe, wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit, beim Mystery Shopping analysiert werden.
Hinweis: Bei den Fragestellungen rund um die Nachhaltigkeit stellt sich für die Unternehmen des Finanzsektors oft das Problem mangelnder oder unzureichender Datenverfügbarkeit. Auch liegt der Betrachtungsschwerpunkt der Unternehmen oft auf den Umwelt- und Governance-Risiken, soziale Aspekte werden bislang kaum betrachtet.
Darüber hinaus will die BaFin gemäß ihrer Veröffentlichung „Moderne Aufsicht: Mystery Shopping“ vom 17.12.2021 einen besonderen Schwerpunkt auf Restschuldversicherungen im Rahmen des Kreditvergabeprozesses legen, die wegen der hohen Kosten für den Verbraucher von der BaFin als besonders kritisch angesehen werden.
Hinweis: Bei fehlender oder fehlerhafter Beratung können Kunden innerhalb von drei Jahren ab dem Jahresende, in dem die Beratung stattfand, Schadensersatz verlangen, bei bewusster Falschberatung sogar innerhalb von zehn Jahren.