Der Sachverhalt:
Der Kläger war Gesellschafter der X-GmbH, die im Mai 1999 in die S-AG formgewechselt wurde. Er wurde zum Vorstand der S-AG bestellt. Am Grundkapital der S-AG von 500.000 € war der Kläger mit 32 % beteiligt. Im Juni 1999 veräußerte er einen Teil seiner Aktien und aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten der S-AG kam es zu verschiedenen Kapitalerhöhungen. Die Beteiligung des Klägers an der S-AG verringerte sich bis Februar 2001 auf 10,41 %.
Im Februar 2001 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der S-AG eröffnet. Spätestens Ende 2001 stand mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass es für die Aktionäre der S-AG weder eine Ausschüttung noch einen Zwangsvergleich geben wird. Der Kläger begehrte für das Streitjahr 2001 bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb die steuerliche Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes nach § 17 EStG i.H.v. rd. 555.000 DM. Dieser sei u.a. durch den Ausfall des Gesellschafterdarlehens i.H.v. 500.000 DM mit der Insolvenz der S-AG entstanden. Das Finanzamt berücksichtigte den geltend gemachten Verlust nicht.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klag ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Das FG hat zu Unrecht den Ausfall des Darlehens nicht als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Auflösungsverlusts des Klägers i.S.d. § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG berücksichtigt.
Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste. Die Entstehung eines im Jahre 2001 zu berücksichtigenden Auflösungsverlustes setzt voraus, dass mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nicht mehr zu rechnen ist und feststeht, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen werden. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt.
Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 S. 1 HGB Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben; dazu gehören nach § 255 Abs. 1 S. 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten sind. Zu in diesem Sinne funktionellem Eigenkapital werden Finanzierungshilfen oder Finanzierungsmaßnahmen, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise der Gesellschaft etwa ein Darlehen gewährt, eine Bürgschaft übernimmt oder eine Sicherheit bestellt und diese Finanzierungsmaßnahmen eigenkapitalersetzenden Charakter haben.
Auf die Prüfung, wann die Krise eingetreten ist und wann der Gesellschafter hiervon Kenntnis erlangt hat, kann verzichtet werden, wenn der Gesellschafter (z.B. bei einem Rangrücktritt) schon zu einem früheren Zeitpunkt mit bindender Wirkung gegenüber der Gesellschaft oder den Gesellschaftsgläubigern erklärt, dass er das Darlehen auch in der Krise stehenlassen werde. Ist der Gesellschafter - wie hier der Kläger - Aktionär, so sind die Grundsätze des Eigenkapitalrechts auf seine Finanzierungshilfen in der maßgeblichen Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG von Oktober 2008 nur dann sinngemäß anzuwenden, wenn er mehr als 25 % der Aktien der Gesellschaft hält oder - bei geringerer, aber nicht unbeträchtlicher Beteiligung - verbunden mit weiteren Umständen über gesellschaftsrechtlich fundierte Einflussmöglichkeiten in der Gesellschaft als Grundlage für eine (innergesellschaftliche) Finanzierungsverantwortung verfügt, die einer Sperrminorität vergleichbar sind.
Danach war der Darlehensverlust des Klägers durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst; denn das Darlehen hatte eigenkapitalersetzenden Charakter. Der Kläger war im Zeitpunkt der Gewährung des unbesicherten Darlehens mit rd. 27 % an der S-AG unternehmerisch beteiligt. Er hat in der Darlehensvereinbarung von Juni 1999 gegenüber der S-AG mit bindender Wirkung erklärt, dass er das Darlehen auch in der Krise stehenlasse und seine Darlehensforderung im Rang hinter die Ansprüche aller anderen Gläubiger zurückfalle. Zudem wurde die Vereinbarung im Jahr 2000 dahingehend konkretisiert, dass er auf seine Darlehensforderung verzichtet, wenn - wie im Streitfall - das Insolvenzverfahren über das Vermögen der S-AG eröffnet wird. Das Darlehen ist damit als haftendes Kapital einzustufen. Unerheblich ist insoweit, dass der Kläger im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an der S-AG lediglich noch mit rund 10 % beteiligt war. Denn bereits mit der in der unternehmerischen Entscheidung im Juni 1999 enthaltenen bindenden Abrede der Krisenbestimmung und dem Verzicht auf eine ordentliche und außerordentliche Kündigung übernahm das Darlehen die Funktion von Eigenkapital.
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