Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein Schweizer Bauunternehmen, das im Streitjahr 2009 an der Errichtung einer Wohn- und Geschäftsimmobilie in London beteiligt war. In diesem Zusammenhang meldete sie beim deutschen Zoll mehrfach Waren zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr mit unmittelbar anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung an (Verfahren 4200). Bei den Waren handelte es sich um vorgefertigte Konstruktionen, die von der Schweiz über Deutschland an die Baustelle in London transportiert und dort von der Klägerin montiert werden sollten.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage teilweise statt. Die beim BFH anhängige Revision wird dort unter dem Az. VII R 4/18 geführt.
Die Gründe:
Das Hauptzollamt wird verpflichtet die festgesetzte Einfuhrumsatzsteuer i.H.v. rd. 230.000 € zu erlassen. In diesem Umfang hat die Klägerin nachgewiesen, dass sie die Einfuhren unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen nach § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG verwendet hat. Das führt nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG zur Steuerfreiheit dieser Einfuhren und begründe einen Erlassanspruch.
Zwar schließt Art. 236 ZK die Erstattung bzw. den Erlass der Einfuhrumsatzsteuer (unmittelbar) nicht ein, da es sich bei ihr nicht um eine Einfuhrabgabe i.S.d. Art. 236 i.V.m. Art. 4 Nr. 10 ZK handelt. Art. 236 ZK ist aber sinngemäß anzuwenden, wenn eine Einfuhr i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG im Inland vorliegt. Das ist vorliegend der Fall, weil die streitgegenständlichen Waren aus der Schweiz über den Landweg mit dem Lkw nach Deutschland eingeführt worden sind. Dass die eingeführten Bauteile letztlich nicht in den inländischen Wirtschaftskreislauf, sondern in den Großbritanniens eingegangen sind, ändert nichts an der Steuerbarkeit der Einfuhr im Inland. Für den Tatbestand der Einfuhr ist es ausreichend, dass die Gegenstände in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangten. Davon zu unterscheiden ist die Frage, in welchem Mitgliedstaat die Einfuhr erfolgt ist. Das war Deutschland, weil hier die Waren in den zollrechtlich freien Verkehr überführt worden sind.
Die von der Klägerin geschuldete Einfuhrumsatzsteuer ist nur steuerfrei, soweit der eingeführte Gegenstand im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung einer innergemeinschaftlichen Lieferung verwendet wird. Wie und in welcher Form der Nachweis einer an die Einfuhr anschließenden innergemeinschaftlichen Lieferung gegenüber der Zollstelle zu erbringen ist, regelt § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG erst in seiner ab 1.1.2011 gültigen Neufassung. Für das Streitjahr 2009 ist der Nachweis daher durch die in §§ 17a Abs. 2 bis 4 UStDV genannten, leicht nachprüfbaren Belege (Rechnung, Lieferschein usw.) zu führen, sofern diese im Zeitpunkt der Einfuhrabfertigung bereits zur Verfügung stünden.
Diese Nachweispflichten hat die Klägerin nur teilweise erfüllt. Die Steuerbefreiung ist trotz Nichterfüllung formeller Nachweispflichten auch zu gewähren, wenn aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen. Dieser Grundsatz ist auch auf die Beurteilung der Steuerfreiheit bei der Einfuhr nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG übertragbar. Eine Erstattung oder ein Erlass der Einfuhrumsatzsteuer darf nicht unter Hinweis auf formale Verstöße zum Zeitpunkt der Einfuhr abgelehnt werden, wenn (nachträglich) der Nachweis einer im Anschluss durchgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung erbracht wird. Auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen war hier jedoch nur hinsichtlich eines Teils der Einfuhren davon auszugehen, dass die betreffenden Waren im Anschluss an die Einfuhr tatsächlich nach Großbritannien versendet wurden.
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