deen

Steuerberatung

Nachträglicher Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung

FG Baden-Württemberg 14.11.2017, 11 K 1102/15

Be­standskräftig fest­ge­setzte Ein­fuhr­um­satz­steuer ist zu er­las­sen, wenn und so­weit der Steu­er­pflich­tige nach­weist, dass er nach Deutsch­land ein­geführte Wa­ren im un­mit­tel­ba­rem An­schluss für eine in­ner­ge­mein­schaft­li­che Lie­fe­rung ver­wen­det hat.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist ein Schwei­zer Bau­un­ter­neh­men, das im Streit­jahr 2009 an der Er­rich­tung ei­ner Wohn- und Ge­schäfts­im­mo­bi­lie in Lon­don be­tei­ligt war. In die­sem Zu­sam­men­hang mel­dete sie beim deut­schen Zoll mehr­fach Wa­ren zur Überführung in den zoll­recht­lich freien Ver­kehr mit un­mit­tel­bar an­schließender in­ner­ge­mein­schaft­li­cher Lie­fe­rung an (Ver­fah­ren 4200). Bei den Wa­ren han­delte es sich um vor­ge­fer­tigte Kon­struk­tio­nen, die von der Schweiz über Deutsch­land an die Bau­stelle in Lon­don trans­por­tiert und dort von der Kläge­rin mon­tiert wer­den soll­ten.

Das Zoll­amt gab die Wa­ren zunächst ohne Er­he­bung von Ein­fuhr­ab­ga­ben frei. Nach­dem das Haupt­zoll­amt Feh­ler in den Zol­lan­mel­dun­gen fest­ge­stellt hatte, er­ließ es einen Ein­fuhr­ab­ga­ben­be­scheid. Darin wur­den für 85 Zol­lan­mel­dun­gen aus dem Jahr 2009 Ein­fuhr­um­satz­steuer i.H.v. ins­ge­samt rd. 650.000 € gem. Art. 220 Abs. 1 der Ver­ord­nung (EWG) Nr. 2913/92 des Ra­tes vom 12.10.1992 zur Fest­le­gung des Zoll­ko­dex der Ge­mein­schaf­ten (ZK) nach­er­ho­ben. Der Nach­er­he­bungs­be­scheid wurde be­standskräftig. Un­ter Vor­lage von Fracht­brie­fen und an­de­rer Un­ter­la­gen stellte die Kläge­rin einen Er­las­san­trag nach Art. 236 ZK, den das Haupt­zoll­amt ab­lehnte.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage teil­weise statt. Die beim BFH anhängige Re­vi­sion wird dort un­ter dem Az. VII R 4/18 geführt.

Die Gründe:
Das Haupt­zoll­amt wird ver­pflich­tet die fest­ge­setzte Ein­fuhr­um­satz­steuer i.H.v. rd. 230.000 € zu er­las­sen. In die­sem Um­fang hat die Kläge­rin nach­ge­wie­sen, dass sie die Ein­fuh­ren un­mit­tel­bar zur Ausführung von in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Lie­fe­run­gen nach § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG ver­wen­det hat. Das führt nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG zur Steu­er­frei­heit die­ser Ein­fuh­ren und begründe einen Er­las­san­spruch.

Zwar schließt Art. 236 ZK die Er­stat­tung bzw. den Er­lass der Ein­fuhr­um­satz­steuer (un­mit­tel­bar) nicht ein, da es sich bei ihr nicht um eine Ein­fuhr­ab­gabe i.S.d. Art. 236 i.V.m. Art. 4 Nr. 10 ZK han­delt. Art. 236 ZK ist aber sinn­gemäß an­zu­wen­den, wenn eine Ein­fuhr i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG im In­land vor­liegt. Das ist vor­lie­gend der Fall, weil die streit­ge­genständ­li­chen Wa­ren aus der Schweiz über den Land­weg mit dem Lkw nach Deutsch­land ein­geführt wor­den sind. Dass die ein­geführ­ten Bau­teile letzt­lich nicht in den inländi­schen Wirt­schafts­kreis­lauf, son­dern in den Großbri­tan­ni­ens ein­ge­gan­gen sind, ändert nichts an der Steu­er­bar­keit der Ein­fuhr im In­land. Für den Tat­be­stand der Ein­fuhr ist es aus­rei­chend, dass die Ge­genstände in den Wirt­schafts­kreis­lauf der Union ge­lang­ten. Da­von zu un­ter­schei­den ist die Frage, in wel­chem Mit­glied­staat die Ein­fuhr er­folgt ist. Das war Deutsch­land, weil hier die Wa­ren in den zoll­recht­lich freien Ver­kehr überführt wor­den sind.

Die von der Kläge­rin ge­schul­dete Ein­fuhr­um­satz­steuer ist nur steu­er­frei, so­weit der ein­geführte Ge­gen­stand im An­schluss an die Ein­fuhr un­mit­tel­bar zur Ausführung ei­ner in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Lie­fe­rung ver­wen­det wird. Wie und in wel­cher Form der Nach­weis ei­ner an die Ein­fuhr an­schließen­den in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Lie­fe­rung ge­genüber der Zoll­stelle zu er­brin­gen ist, re­gelt § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG erst in sei­ner ab 1.1.2011 gülti­gen Neu­fas­sung. Für das Streit­jahr 2009 ist der Nach­weis da­her durch die in §§ 17a Abs. 2 bis 4 UStDV ge­nann­ten, leicht nachprüfba­ren Be­lege (Rech­nung, Lie­fer­schein usw.) zu führen, so­fern diese im Zeit­punkt der Ein­fuhr­ab­fer­ti­gung be­reits zur Verfügung stünden.

Diese Nach­weis­pflich­ten hat die Kläge­rin nur teil­weise erfüllt. Die Steu­er­be­frei­ung ist trotz Nichterfüllung for­mel­ler Nach­weis­pflich­ten auch zu gewähren, wenn auf­grund der ob­jek­ti­ven Be­weis­lage fest­steht, dass die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Lie­fe­rung vor­lie­gen. Die­ser Grund­satz ist auch auf die Be­ur­tei­lung der Steu­er­frei­heit bei der Ein­fuhr nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG über­trag­bar. Eine Er­stat­tung oder ein Er­lass der Ein­fuhr­um­satz­steuer darf nicht un­ter Hin­weis auf for­male Verstöße zum Zeit­punkt der Ein­fuhr ab­ge­lehnt wer­den, wenn (nachträglich) der Nach­weis ei­ner im An­schluss durch­geführ­ten in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Lie­fe­rung er­bracht wird. Auf Grund­lage der vor­lie­gen­den Un­ter­la­gen war hier je­doch nur hin­sicht­lich ei­nes Teils der Ein­fuh­ren da­von aus­zu­ge­hen, dass die be­tref­fen­den Wa­ren im An­schluss an die Ein­fuhr tatsäch­lich nach Großbri­tan­nien ver­sen­det wur­den.

Link­hin­weis:

nach oben