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Steuerberatung

Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch Sachverständigengutachten

BFH v. 5.12.2019 - II R 9/18

§ 198 BewG eröff­net dem Steu­er­pflich­ti­gen die Möglich­keit, einen nied­ri­ge­ren ge­mei­nen Wert nach­zu­wei­sen, als er sich aus den ty­pi­sie­ren­den Be­wer­tungs­vor­schrif­ten des BewG ergäbe. Die Nach­weis­last geht über die Dar­le­gungs- und Fest­stel­lungs­last hin­aus. Soll der Nach­weis ei­nes nied­ri­ge­ren ge­mei­nen Werts durch Vor­lage ei­nes Gut­ach­tens er­bracht wer­den, muss das Gut­ach­ten ent­we­der durch den ört­lich zuständi­gen Gut­ach­ter­aus­schuss oder einen öff­ent­lich be­stell­ten und ver­ei­dig­ten Sach­verständi­gen für die Be­wer­tung von Grundstücken er­stellt sein.

Der Sach­ver­halt:
Mit no­ta­ri­el­lem Ver­trag vom 1.3.2016 über­trug die bis­he­rige Ei­gentüme­rin ein mit einem Ein­fa­mi­li­en­haus be­bau­tes Grundstück in B im Wege der Schen­kung an die Kläger zu An­tei­len von 6/10 (Kläge­rin zu 2) und zwei­mal 2/10 (Kläger zu 1) und 3)). Der Grund­be­sitz war be­las­tet mit einem in Abt. II des Grund­buchs ein­ge­tra­ge­nen le­bens­lan­gen Wohn­recht für Dritte.

Das Fi­nanz­amt stellte für Zwecke der Schen­kung­steuer den Grund­be­sitz­wert auf rd. 460.000 € und die ent­spre­chen­den An­teile der Kläger fest. Für die Be­rech­nung legte es die Bo­den­richt­werte und die Ver­gleichs­fak­to­ren des Gut­ach­ter­aus­schus­ses zu­grunde. Im Ein­spruchs­ver­fah­ren erklärte sich das Fi­nanz­amt be­reit, die an­zu­set­zende Brut­to­grundfläche zu re­du­zie­ren und einen Grund­be­sitz­wert von rd. 440.000 € an­zu­set­zen. Im Hin­blick auf wei­tere Dif­fe­ren­zen leg­ten die Kläger ein Ver­kehrs­wert­gut­ach­ten des C vor. Die­ser er­mit­telte auf den 1.3.2016 einen Ver­kehrs­wert i.H.v. 330.000 € als ge­wo­ge­nes Mit­tel aus Sach­wert­ver­fah­ren und Er­trags­wert­ver­fah­ren.

C ist seit 1987 als Ar­chi­tekt bei der Ar­chi­tek­ten­kam­mer B re­gis­triert. Seit dem 24.6.2000 verfügt er zu­dem über ein un­be­fris­te­tes Zer­ti­fi­kat als "Sach­verständi­ger für Wert­er­mitt­lung und Bau­kos­ten­pla­nung", das den Klägern zu­folge den Maßga­ben des Ge­set­zes über die Ak­kre­di­tie­rungs­stelle (Akk­Stel­leG) und der Ver­ord­nung über die Be­lei­hung der Ak­kre­di­tie­rungs­stelle nach dem Ak­kre­di­tie­rungs­stel­len­ge­setz (Akk­Stel­leGBV) für die Durchführung von Zer­ti­fi­zie­run­gen nach DIN EN ISO/IEC 17024:2012 ent­spre­chen soll.

Mit Ein­spruchs­ent­schei­dun­gen setzte das Fi­nanz­amt den Grundstücks­wert auf ins­ge­samt rd. 370.000 € herab und wies die Ein­sprüche im Übri­gen als un­begründet zurück. Es folgte der Me­thode und den Wert­ansätzen des Gut­ach­tens mit Aus­nahme des Bo­den­werts. C hatte den Bo­den­wert mit Rück­sicht auf die tatsäch­li­che Ge­schossflächen­zahl (GFZ) re­du­ziert, während das Fi­nanz­amt die ma­xi­mal mögli­che Grundstücks­aus­nut­zung für zu­tref­fend er­ach­tete.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Die Re­vi­sion der Kläger hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht er­kannt, dass bei der Wert­fest­stel­lung nach § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 157 BewG der be­wer­tungs­recht­lich ty­pi­sierte Wert an­zu­set­zen ist. Das Gut­ach­ten des C kann nicht zum Nach­weis des nied­ri­ge­ren ge­mei­nen Werts die­nen, da C nicht öff­ent­lich be­stell­ter und ver­ei­dig­ter Sach­verständi­ger ist.

Der Wert ei­nes mit einem Ein­fa­mi­li­en­haus be­bau­ten Grundstücks ist in ers­ter Li­nie gem. §§ 157 Abs. 3 Satz 1, 177, 180 Abs. 1 Satz 1, 181 Abs. 1 Nr. 1, 182 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BewG nach dem ty­pi­sier­ten Ver­gleichs­wert­ver­fah­ren zu er­mit­teln. Dem­ge­genüber lässt § 198 BewG un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen den Nach­weis des nied­ri­ge­ren ge­mei­nen Werts (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BewG) zu. Weist der Steu­er­pflich­tige nach, dass der ge­meine Wert der wirt­schaft­li­chen Ein­heit am Be­wer­tungs­stich­tag nied­ri­ger ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 BewG er­mit­telte Wert, so ist die­ser Wert an­zu­set­zen (§ 198 Satz 1 BewG). Für den Nach­weis des nied­ri­ge­ren ge­mei­nen Werts gel­ten grundsätz­lich die auf Grund des § 199 Abs. 1 BauGB er­las­se­nen Vor­schrif­ten (§ 198 Satz 2 BewG).

Die nach die­ser Vor­schrift dem Steu­er­pflich­ti­gen zu­ge­wie­sene Nach­weis­last geht über die reine Dar­le­gungs- und Fest­stel­lungs­last hin­aus. Wie der Nach­weis zu er­brin­gen ist, re­gelt die Vor­schrift nicht. Der Steu­er­pflich­tige muss den Nach­weis selbst er­brin­gen, etwa durch Vor­lage ei­nes ge­eig­ne­ten Gut­ach­tens. Ob das Gut­ach­ten den Nach­weis er­bringt, un­ter­liegt in­so­weit der freien Be­weiswürdi­gung durch das Fi­nanz­amt und ggf. das FG, als zu prüfen ist, ob der Nach­weis ge­lun­gen ist. Dies setzt vor­aus, dass dem Gut­ach­ten ohne wei­tere Aufklärungs- und Er­mitt­lungsmaßnah­men ge­folgt wer­den kann. Der Nach­weis kann nicht da­durch geführt wer­den, dass der Steu­er­pflich­tige die Be­weis­er­he­bung, etwa durch ge­richt­li­che Ein­ho­lung ei­nes Sach­verständi­gen­gut­ach­tens, be­an­tragt. Das vor­zu­le­gende Gut­ach­ten ist als Pri­vat­gut­ach­ten ur­kund­lich be­leg­tes Par­tei­vor­brin­gen. Der Nach­weis ver­langt, dass es der Be­stel­lung wei­te­rer Sach­verständi­ger nicht mehr be­darf, da an­dern­falls die Nach­weis­last auf eine Dar­le­gungs- und Fest­stel­lungs­last re­du­ziert würde.

Ab­ge­se­hen von dem Fall des zeit­na­hen Ver­kaufs kommt als Nach­weis grundsätz­lich nur die Vor­lage des Gut­ach­tens ei­nes öff­ent­lich be­stell­ten und ver­ei­dig­ten Sach­verständi­gen i.S.d. §§ 36, 36a GewO in Be­tracht. In neu­erer Recht­spre­chung ver­langt der BFH, dass es sich bei dem Sach­verständi­gen um einen öff­ent­lich be­stell­ten und ver­ei­dig­ten Sach­verständi­gen han­dele. Bei Gut­ach­ten an­de­rer Per­so­nen muss das FG zunächst Fest­stel­lun­gen zur fach­li­chen Eig­nung die­ser Per­so­nen tref­fen und sich zur Überprüfung der Fest­stel­lun­gen ggf. ei­nes wei­te­ren Sach­verständi­gen be­die­nen. Die Fi­nanz­ver­wal­tung folgt die­ser Recht­spre­chung nicht und hält an ih­rer Auf­fas­sung fest, dass der Steu­er­pflich­tige den Nach­weis des nied­ri­ge­ren ge­mei­nen Werts re­gelmäßig durch ein Gut­ach­ten des zuständi­gen Gut­ach­ter­aus­schus­ses oder ei­nes Sach­verständi­gen für die Be­wer­tung von Grundstücken er­brin­gen könne. Dies gelte nicht zu­letzt aus ver­fas­sungs- und eu­ro­pa­recht­li­chen Gründen.

Es ist da­her nun­mehr ausdrück­lich klar­zu­stel­len, dass der Nach­weis i.S.d. § 198 BewG, so­weit er durch ein Gut­ach­ten geführt wer­den soll, das Gut­ach­ten ei­nes öff­ent­lich be­stell­ten und ver­ei­dig­ten Sach­verständi­gen vor­aus­setzt. So­weit die Fi­nanz­ver­wal­tung zu­guns­ten der Steu­er­pflich­ti­gen auch an­dere Gut­ach­ten dem Grunde nach berück­sich­tigt, bin­det dies die Ge­richte nicht. Es wird nicht ver­kannt, dass im Ein­zel­fall auch ein Gut­ach­ten ei­nes öff­ent­lich be­stell­ten und ver­ei­dig­ten Sach­verständi­gen un­zu­rei­chend sein kann, dass um­ge­kehrt auch ein Gut­ach­ten ei­nes nicht öff­ent­lich be­stell­ten und ver­ei­dig­ten Sach­verständi­gen fach­lich be­an­stan­dungs­frei und in­te­ger sein kann. Es stellt je­doch eine zulässige Ty­pi­sie­rung dar, an die öff­ent­li­che Be­stel­lung und Ver­ei­di­gung eine ent­spre­chende Ver­mu­tung zu knüpfen. Dies be­deu­tet nicht, dass das Gut­ach­ten ei­nes öff­ent­lich be­stell­ten und ver­ei­dig­ten Sach­verständi­gen be­reits den Be­weis der in­halt­li­chen Rich­tig­keit in sich trüge. Fi­nanz­amt und FG ha­ben auch ein sol­ches Gut­ach­ten in­halt­lich zu prüfen, zu würdi­gen und ggf. Lücken zu schließen, wenn und so­weit dies ohne wei­tere Be­weis­er­he­bung, ins­be­son­dere ohne wei­tere Sach­verständige, im übli­chen Rah­men ei­ner Be­weiswürdi­gung möglich ist.

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