Am 5.2.2019 stellte der Bundeswirtschaftsminister, Peter Altmaier, die „Nationale Industriestrategie 2030“ vor. Ihr Untertitel „Strategische Leitlinien für eine deutsche und europäische Industriepolitik“ verrät ihren europäischen Gestaltungswillen. Auch sonst spielt der Bundeswirtschaftsminister mit offenen Karten: gleich im Vorwort wird mit der Verweisung auf die protektionistische respektive expansive Wirtschaftspolitik anderer Staaten klargestellt, dass hier die deutsche Antwort auf „Make America great again“ und das chinesische Seidenstraßenprojekt formuliert wird.
Inhaltlich setzt der Bundeswirtschaftsminister auf die gezielte staatliche Unterstützung der Wirtschaft, genauer: der Industrie. Die hohe Bedeutung der Industrie für das heute herrschende Wohlstandsniveau wird im Rahmen einer Bestandsaufnahme hervorgehoben. Um ebendieses Niveau auch zukünftig zu erhalten, soll der Beitrag der Industrie zur Bruttowertschöpfung in Deutschland auf 25 % und in der EU auf 20 % steigen. Wie? Durch den Ausbau des industriellen Mittelstandes. „Hidden Champions“ sollen mit staatlichem Support zu europäischen und globalen Champions heranwachsen, die sich auf der Weltbühne nicht mehr verstecken müssen. „Size Matters“ heißt es dazu lapidar in dem Papier.
Organisches Wachstum dürfte dazu kaum ausreichen. Daher sollen Unternehmensübernahmen und Fusionen in Deutschland und der EU erleichtert werden, indem das jeweilige Kartellrecht einer Prüfung unterzogen wird. Explizit wird die Fokussierung auf nationale und regionale Märkte im geltenden Recht moniert. Aus rechtlicher Sicht wäre denkbar, die betroffenen Märkte extensiver zu definieren und die für die Fusionskontrolle entscheidenden Umsatzschwellen anzuheben. Diese Punkte würden sich auf das „Ob“ und damit in einer frühen Phase auf Transaktionen auswirken. Soweit zur Offensivstrategie.
Die defensive Komponente der Industriestrategie 2030 betrifft ebenfalls Unternehmensübernahmen. Namentlich grenzüberschreitende Unternehmensübernahmen, bei denen deutsche und europäische Unternehmen von Investoren aus Drittstaaten übernommen werden. Diese seien weiterhin erwünscht, da sie zu einem offenen und global vernetzten Wirtschaftssystem dazugehören. Gleichwohl sollen zukünftig staatliche Eingriffe in Übernahmeprozesse auch jenseits der nationalen Sicherheit und der kritischen Infrastruktur möglich sein, soweit der Schutz durch die primär zuständige Privatwirtschaft selbst nicht gewährleistet werden kann. Mit der Schaffung einer staatlichen Beteiligungsfazilität sollen vorübergehend und in begründeten Ausnahmefällen auch technologie- und innovationsführende Unternehmen durch den Staat erworben werden können, der Staat mithin zum „Nachtwächter“ mit (subsidiärer) Akquisitionskompetenz werden. Die konkrete Gestaltung der Beteiligungsfazilität ist noch offen. Denkbar wäre, dass analog zum Fall von 50 Hertz die KfW im Auftrag der Bundesregierung als Akquisiteur auftritt (sog. Zuweisungsgeschäft i. S. d. § 2 Abs. 4 Gesetz über die Kreditanstalt für Wiederaufbau) oder in Anlehnung an die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung eine eigens dafür zuständige Anstalt oder Körperschaft des Bundes gegründet wird. Welche konkrete Gestaltung auch gewählt werden mag, mittelfristig dürfte in jedem Fall mit weiteren Verschärfungen des deutschen und europäischen Außenwirtschaftsrechts zu rechnen sein. Dies hätte weitreichende Folgen für das „Wie“ einer Transaktion, da deren Strukturierung und zeitliche Planung unmittelbar betroffen sind.
Unstreitig dürfte sein, dass mit der Industriestrategie 2030 ein wichtiger erster Impuls für die öffentliche Diskussion gegeben wurde. Dass dieser Impuls nicht allein auf plumpe Beihilfestrategien, sondern auch auf die Kräfte des (M&A) Marktes setzt, erscheint gerade aus Sicht des deutschen Mittelstands begrüßenswert. Offen ist, ob die Industriestrategie 2030 auch durch eine Finanzstrategie 2030 flankiert wird. Die zahlreichen Eingriffe in die Kapitalmarktregulierung sind nicht spurlos an dem Markt für Unternehmensübernahmen und Fusionen vorübergegangen. Am deutlichsten ist dies vielleicht daran erkennbar, dass die Konsolidierung des deutschen Bankensektors noch längst nicht abgeschlossen ist.
Was die Umsetzung der Industriestrategie auch bringen mag, wir von Ebner Stolz stehen mit unserem integrativen Beratungsansatz aus Wirtschaftsprüfung, Steuer-, Rechts- und Unternehmensberatung dem Mittelstand jederzeit und insbesondere bei Unternehmenstransaktionen zur Seite. Denn nicht nur „Size Matters“, sondern auch Geschlossenheit.