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Rechtsberatung

Nachträgliche naturschutzrechtliche Anordnungen bei genehmigten Windenergieanlagen

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) hat mit Ur­teil vom 19.12.2023 (Az. 7 C 4.22) ent­schie­den, dass eine Na­tur­schutz­behörde den Be­trieb ge­neh­mig­ter Wind­en­er­gie­an­la­gen zur Nacht­zeit durch nachträgli­che An­ord­nun­gen auf­grund na­tur­schutz­recht­li­cher Vor­schrif­ten be­schränken darf, wenn sich die Sach- oder Rechts­lage nachträglich we­sent­lich ändert.

Die Be­trei­be­rin ei­nes im Jahre 2006 im­mis­si­ons­schutz­recht­lich ge­neh­mig­ten Wind­en­er­gie­parks klagte ge­gen den Be­scheid ei­ner Na­tur­schutz­behörde, in dem nächt­li­che Ab­schalt­zei­ten ih­rer Wind­en­er­gie­an­la­gen während der Som­mer­mo­nate zum Schutz be­stimm­ter Fle­der­maus­ar­ten an­ge­ord­net wur­den.

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Hin­ter­grund der An­ord­nung war der Hin­weis ei­ner Um­welt­or­ga­ni­sa­tion an die Na­tur­schutz­behörde, dass im Ge­biet der be­trof­fe­nen Wind­en­er­gie­an­la­gen ver­mehrt tote Fle­dermäuse auf­ge­fun­den wur­den, so­wie eine daran an­schließende Be­stands­er­fas­sung, die eine hohe Fle­der­maus­ak­ti­vität an den Stand­or­ten der Wind­en­er­gie­an­la­gen nach­wies.

Die Kläge­rin war der Auf­fas­sung, dass die be­klagte Behörde die nachträgli­che Maßnahme schon nicht auf Grund­lage der na­tur­schutz­recht­li­chen Ge­ne­ralklau­sel des § 3 Abs. 2 BNatSchG an­ord­nen durfte, son­dern es ei­ner spe­zi­al­ge­setz­li­chen Rechts­grund­lage be­durft hätte. Je­den­falls sei ihr eine Aus­nahme nach § 45 Abs. 7 Nr. 5 BNatSchG zu gewähren, da die Er­rich­tung und der Be­trieb von Wind­en­er­gie­an­la­gen im zwin­gen­den öff­ent­li­chen In­ter­esse lägen.

Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Lüne­burg (Az. 12 KS 121/21) hat die Klage erst­in­stanz­lich ab­ge­wie­sen. Die nachträgli­che An­ord­nung auf­grund des § 3 Abs. 2 BNatSchG sei zulässig ge­we­sen, da sich die an­ge­ord­nete Maßnahme bei Ge­neh­mi­gungs­er­tei­lung nicht als in­halt­li­che Ein­schränkung, son­dern als Ne­ben­be­stim­mung dar­ge­stellt hätte und mit ihr da­her kein Ein­griff in den „Ge­neh­mi­gungs­kern“ der An­lage ver­bun­den sei. Darüber hin­aus han­dele es sich bei dem nachträgli­chen Ein­schrei­ten auf der Ba­sis der na­tur­schutz­recht­li­chen Ge­ne­ralklau­sel, um einen Ver­stoß ge­gen das Tötungs- und Ver­let­zungs­ver­bot des § 44 Abs. 1 BNatSchG zu ver­hin­dern, der Sa­che nach um Ge­fah­ren­ab­wehr und da­mit grade um einen klas­si­schen An­wen­dungs­fall der son­der­ord­nungs­recht­li­chen Ge­ne­ralklau­sel des § 3 Abs. 2 BNatSchG. Eine Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung sei in die­sem Fall nur zu er­tei­len, wenn die Vor­aus­set­zun­gen hierfür nach § 45 Abs. 7 BNatSchG of­fen­kun­dig vor­lie­gen. Dies sei vor­lie­gend nicht der Fall, da die Be­triebs­be­schränkung le­dig­lich zu ei­ner Er­trags­min­de­rung von 3 % führe.

Das BVerwG wies nun auch die Re­vi­sion der Kläge­rin zurück. Eine be­standskräftige im­mis­si­ons­schutz­recht­li­che Ge­neh­mi­gung stehe nachträgli­chen ar­ten­schutz­recht­li­chen An­ord­nun­gen auf der Grund­lage von § 3 Abs. 2 BNatSchG nicht ge­ne­rell ent­ge­gen.

  • 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG begründe eine un­mit­tel­bare und dau­er­hafte Ver­hal­tens­pflicht, die auch bei Er­rich­tung und Be­trieb im­mis­si­ons­schutz­recht­lich ge­neh­mi­gungs­bedürf­ti­ger Wind­en­er­gie­an­la­gen zu be­ach­ten sei. Die Fest­stel­lungs­wir­kung ei­ner Ge­neh­mi­gung des An­la­gen­be­triebs im Hin­blick auf ihre Ver­ein­bar­keit mit öff­ent­lich-recht­li­chen und ins­be­son­dere na­tur­schutz­recht­li­chen Vor­schrif­ten sei auf den Zeit­punkt der Ge­neh­mi­gungs­er­tei­lung be­grenzt und er­stre­cke sich da­her nicht auf nachträgli­che Ände­run­gen der Sach- oder Rechts­lage wie im vor­lie­gen­den Fall.

Die An­ord­nung be­wirke zu­dem auch keine – der im­mis­si­ons­schutz­recht­li­chen Ge­neh­mi­gungs­behörde vor­be­hal­tene – (Teil-)Auf­he­bung der Ge­neh­mi­gung.

Schließlich sei es auch nicht zu be­an­stan­den, dass das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im vor­lie­gen­den Fall einen Ver­stoß ge­gen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG be­jaht habe, weil durch den Be­trieb der Wind­en­er­gie­an­la­gen das Tötungs- und Ver­let­zungs­ri­siko von Ex­em­pla­ren der be­son­ders ge­schütz­ten Fle­der­maus­ar­ten si­gni­fi­kant erhöht sei.

Die Veröff­ent­li­chung der Ent­schei­dungsgründe des BVerwG steht noch aus. Doch schon jetzt soll­ten sich An­la­gen­be­trei­ber künf­tig auf mögli­che nachträgli­che An­ord­nun­gen und Be­schränkun­gen durch die zuständi­gen Na­tur­schutz­behörden ein­stel­len.

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