Die Betreiberin eines im Jahre 2006 immissionsschutzrechtlich genehmigten Windenergieparks klagte gegen den Bescheid einer Naturschutzbehörde, in dem nächtliche Abschaltzeiten ihrer Windenergieanlagen während der Sommermonate zum Schutz bestimmter Fledermausarten angeordnet wurden.
Hintergrund der Anordnung war der Hinweis einer Umweltorganisation an die Naturschutzbehörde, dass im Gebiet der betroffenen Windenergieanlagen vermehrt tote Fledermäuse aufgefunden wurden, sowie eine daran anschließende Bestandserfassung, die eine hohe Fledermausaktivität an den Standorten der Windenergieanlagen nachwies.
Die Klägerin war der Auffassung, dass die beklagte Behörde die nachträgliche Maßnahme schon nicht auf Grundlage der naturschutzrechtlichen Generalklausel des § 3 Abs. 2 BNatSchG anordnen durfte, sondern es einer spezialgesetzlichen Rechtsgrundlage bedurft hätte. Jedenfalls sei ihr eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Nr. 5 BNatSchG zu gewähren, da die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen im zwingenden öffentlichen Interesse lägen.
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (Az. 12 KS 121/21) hat die Klage erstinstanzlich abgewiesen. Die nachträgliche Anordnung aufgrund des § 3 Abs. 2 BNatSchG sei zulässig gewesen, da sich die angeordnete Maßnahme bei Genehmigungserteilung nicht als inhaltliche Einschränkung, sondern als Nebenbestimmung dargestellt hätte und mit ihr daher kein Eingriff in den „Genehmigungskern“ der Anlage verbunden sei. Darüber hinaus handele es sich bei dem nachträglichen Einschreiten auf der Basis der naturschutzrechtlichen Generalklausel, um einen Verstoß gegen das Tötungs- und Verletzungsverbot des § 44 Abs. 1 BNatSchG zu verhindern, der Sache nach um Gefahrenabwehr und damit grade um einen klassischen Anwendungsfall der sonderordnungsrechtlichen Generalklausel des § 3 Abs. 2 BNatSchG. Eine Ausnahmegenehmigung sei in diesem Fall nur zu erteilen, wenn die Voraussetzungen hierfür nach § 45 Abs. 7 BNatSchG offenkundig vorliegen. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da die Betriebsbeschränkung lediglich zu einer Ertragsminderung von 3 % führe.
Das BVerwG wies nun auch die Revision der Klägerin zurück. Eine bestandskräftige immissionsschutzrechtliche Genehmigung stehe nachträglichen artenschutzrechtlichen Anordnungen auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 BNatSchG nicht generell entgegen.
- 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG begründe eine unmittelbare und dauerhafte Verhaltenspflicht, die auch bei Errichtung und Betrieb immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Windenergieanlagen zu beachten sei. Die Feststellungswirkung einer Genehmigung des Anlagenbetriebs im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit öffentlich-rechtlichen und insbesondere naturschutzrechtlichen Vorschriften sei auf den Zeitpunkt der Genehmigungserteilung begrenzt und erstrecke sich daher nicht auf nachträgliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage wie im vorliegenden Fall.
Die Anordnung bewirke zudem auch keine – der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbehörde vorbehaltene – (Teil-)Aufhebung der Genehmigung.
Schließlich sei es auch nicht zu beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Fall einen Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bejaht habe, weil durch den Betrieb der Windenergieanlagen das Tötungs- und Verletzungsrisiko von Exemplaren der besonders geschützten Fledermausarten signifikant erhöht sei.
Die Veröffentlichung der Entscheidungsgründe des BVerwG steht noch aus. Doch schon jetzt sollten sich Anlagenbetreiber künftig auf mögliche nachträgliche Anordnungen und Beschränkungen durch die zuständigen Naturschutzbehörden einstellen.