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Rechtsberatung

Netzsperren statt Störerhaftung

Mit Ur­teil vom 26.7.2018 (Az. I ZR 64/17) hat der Bun­des­ge­richts­hof ein wich­ti­ges Ur­teil im Zu­sam­men­hang mit der Störer­haf­tung und den zum 13.10.2017 in Kraft ge­tre­te­nen neuen Re­ge­lun­gen der §§ 7 und 8 des Te­le­me­di­en­ge­set­zes (TMG) für Be­trei­ber öff­ent­lich zugäng­li­cher WLAN-An­schlüsse ge­trof­fen.

Der Sachverhalt

Die Kläge­rin ist die In­ha­be­rin der aus­schließli­chen Nut­zungs­rechte an dem Com­pu­ter­spiel „Dead Is­land“. Der Be­klagte un­ter­hielt einen In­ter­net­an­schluss, über den am 6.1.2013 das Pro­gramm „Dead Is­land“ in ei­ner In­ter­nett­auschbörse zum Down­load an­ge­bo­ten wurde. Die Kläge­rin mahnte den Be­klag­ten im März 2013 ab und for­derte ihn zur Ab­gabe ei­ner straf­be­wehr­ten Un­ter­las­sungs­erklärung auf. Im Jahr 2011 hatte die Kläge­rin den Be­klag­ten be­reits zwei­mal we­gen über sei­nen In­ter­net­an­schluss be­gan­ge­ner, auf an­dere Werke be­zo­ge­ner Ur­he­ber­rechts­ver­let­zun­gen durch File­sha­ring an­walt­lich ab­ge­mahnt.

So­wohl das Land­ge­richt Düssel­dorf (Ur­teil vom 13.1.2016, Az. 12 O 101/15) als auch das OLG Düssel­dorf (Ur­teil vom 13.3.2017, Az. U 17/16) ga­ben der Kläge­rin Recht. Dem­ge­genüber hob der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) die Ver­ur­tei­lung zur Un­ter­las­sung auf und ver­ur­teilte den Be­klag­ten le­dig­lich als so­ge­nann­ter Störer auf den Er­satz der Ab­mahn­kos­ten.

Kontext des Urteils

Ver­let­zun­gen der Ur­he­ber­rechte, die über In­ter­net­an­schlüsse von Un­be­tei­lig­ten be­gan­gen wer­den, konn­ten bis zum In­kraft­tre­ten der neuen Re­ge­lun­gen in §§ 7 und 8 des Te­le­me­di­en­ge­set­zes (TMG) nach den von der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten Grundsätzen zur so­ge­nann­ten Störer­haf­tung von den Rech­te­in­ha­bern gel­tend ge­macht wer­den. Dies be­deu­tete, dass die Rech­te­in­ha­ber Un­ter­las­sungs­an­sprüche nicht nur di­rekt ge­genüber den Ver­let­zern gel­tend ma­chen konn­ten, die in der Re­gel kaum oder nur schwer auf­zu­fin­den sind, son­dern auch ge­genüber den In­ha­bern der WLAN-An­schlüsse oder -Hots­pots. 

Vor­aus­set­zung hierfür war, dass die Rechts­ver­let­zung nicht nur über den WLAN-An­schluss be­gan­gen wurde, son­dern dass der An­schlus­sin­ha­ber auf die Rechts­ver­let­zung hin­ge­wie­sen wor­den war und den­noch keine zu­mut­ba­ren Si­che­rungsmaßnah­men ge­trof­fen hatte, um wei­tere Rechts­ver­let­zun­gen zu ver­hin­dern. 

Sinn und Zweck der Neuregelungen

Die Grundsätze der Störer­haf­tung gefähr­de­ten nach An­sicht des deut­schen Ge­setz­ge­bers den wei­te­ren Aus­bau des Breit­ban­des und die Ver­brei­tung öff­ent­lich zugäng­li­cher WLAN-An­schlüsse, da In­ha­ber die­ser An­schlüsse und Hots­pots befürch­ten muss­ten, für fremde Rechts­ver­let­zun­gen in An­spruch ge­nom­men zu wer­den. 

Des­halb führte er die ge­nann­ten Vor­schrif­ten ein. Diese be­gren­zen die Haf­tung der Be­trei­ber öff­ent­lich zugäng­li­cher Hots­pots, in­dem in § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG neu ge­re­gelt wurde, dass die Be­trei­ber für fremde In­for­ma­tio­nen, die über ih­ren An­schluss ver­mit­telt wer­den, nicht ver­ant­wort­lich sind, so­fern sie die Über­mitt­lung nicht selbst ver­an­lasst, den Adres­sa­ten der über­mit­tel­ten In­for­ma­tio­nen nicht aus­gewählt und die über­mit­tel­ten In­for­ma­tio­nen nicht aus­gewählt oder verändert ha­ben. In die­sen Fällen können sie nach § 8 Abs. 2 Satz 2 TMG nicht we­gen ei­ner rechts­wid­ri­gen Hand­lung ei­nes Nut­zers auf Scha­dens­er­satz oder Be­sei­ti­gung oder Un­ter­las­sung ei­ner Rechts­ver­let­zung oder auf Zah­lung der Kos­ten für die Gel­tend­ma­chung und Durch­set­zung die­ser An­sprüche in An­spruch ge­nom­men wer­den. 

Da­mit die Rech­te­in­ha­ber ih­rer­seits nicht völlig recht­los ge­stellt wer­den, wurde ih­nen in § 7 Abs. 4 TMG ein An­spruch auf Sper­rung der Nut­zung von In­for­ma­tio­nen ge­gen den Diens­te­an­bie­ter ein­geräumt. Vor­aus­set­zung hierfür ist, dass die ver­letz­ten Rechte sol­che des geis­ti­gen Ei­gen­tums sind und der Rech­te­in­ha­ber keine an­dere Möglich­keit hat, der Ver­let­zung sei­nes Rech­tes ab­zu­hel­fen. Des Wei­te­ren muss die Sper­rung für den An­schlus­sin­ha­ber zu­mut­bar und verhält­nismäßig sein. 

Bedeutung des Urteils des BGH

Der BGH hat mit sei­nem Ur­teil nun­mehr klar­ge­stellt, dass Be­trei­ber öff­ent­lich zugäng­li­cher WLAN-Hots­pots oder Tor-Netz­werke auf­grund der Neu­re­ge­lung des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG nicht auf Un­ter­las­sung in An­spruch ge­nom­men wer­den können. Es kommt je­doch ein Sperr­an­spruch nach § 7 Abs. 4 Sätze 1 und 2 TMG in Be­tracht. 

Von maßgeb­li­cher Be­deu­tung ist diese Ent­schei­dung des­halb, weil der BGH zum einen bestätigt hat, dass die Neu­re­ge­lun­gen eu­ro­pa­rechts­kon­form sind und zum an­de­ren fest­stellte, dass der Sperr­an­spruch auch ge­genüber An­bie­tern draht­ge­bun­de­ner In­ter­net­zugänge gel­tend ge­macht wer­den kann. 

Als zu­mut­bare Sperrmaßnah­men kom­men laut BGH eine Pflicht zur Re­gis­trie­rung von Nut­zern so­wie zur Ver­schlüsse­lung des Zu­gangs mit einem Pass­wort oder im äußers­ten Fall die vollständige Sper­rung in Be­tracht.

Folgen für die Praxis

Für die Pra­xis be­deu­tet dies, dass An­bie­ter öff­ent­lich zugäng­li­cher WLAN-Hots­pots oder Tor-Netz­werke über­le­gen müssen, ob sie ihre Nut­zer re­gis­trie­ren oder den Zu­gang grundsätz­lich ver­schlüsseln. Da­bei sind im Falle der Re­gis­trie­rung die neuen In­for­ma­ti­ons­pflich­ten nach Art. 13 DS­GVO zu be­ach­ten, in de­ren Rah­men Art, Um­fang und Zweck der Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten der re­gis­trier­ten Nut­zer klar und verständ­lich be­schrie­ben wer­den müssen. 

Es bleibt ab­zu­war­ten, ob und in­wie­weit Sperrmaßnah­men die­ser Art in der Pra­xis um­ge­setzt wer­den und ob dies den Aus­bau des Breit­ban­des und die Ver­brei­tung öff­ent­lich zugäng­li­cher WLAN-An­ge­bote nicht doch wie­der be­hin­dern und ein­schränken könnte.
 

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