Der Sachverhalt
Die Klägerin ist die Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel „Dead Island“. Der Beklagte unterhielt einen Internetanschluss, über den am 6.1.2013 das Programm „Dead Island“ in einer Internettauschbörse zum Download angeboten wurde. Die Klägerin mahnte den Beklagten im März 2013 ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Im Jahr 2011 hatte die Klägerin den Beklagten bereits zweimal wegen über seinen Internetanschluss begangener, auf andere Werke bezogener Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing anwaltlich abgemahnt.
Sowohl das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 13.1.2016, Az. 12 O 101/15) als auch das OLG Düsseldorf (Urteil vom 13.3.2017, Az. U 17/16) gaben der Klägerin Recht. Demgegenüber hob der Bundesgerichtshof (BGH) die Verurteilung zur Unterlassung auf und verurteilte den Beklagten lediglich als sogenannter Störer auf den Ersatz der Abmahnkosten.
Kontext des Urteils
Verletzungen der Urheberrechte, die über Internetanschlüsse von Unbeteiligten begangen werden, konnten bis zum Inkrafttreten der neuen Regelungen in §§ 7 und 8 des Telemediengesetzes (TMG) nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur sogenannten Störerhaftung von den Rechteinhabern geltend gemacht werden. Dies bedeutete, dass die Rechteinhaber Unterlassungsansprüche nicht nur direkt gegenüber den Verletzern geltend machen konnten, die in der Regel kaum oder nur schwer aufzufinden sind, sondern auch gegenüber den Inhabern der WLAN-Anschlüsse oder -Hotspots.
Voraussetzung hierfür war, dass die Rechtsverletzung nicht nur über den WLAN-Anschluss begangen wurde, sondern dass der Anschlussinhaber auf die Rechtsverletzung hingewiesen worden war und dennoch keine zumutbaren Sicherungsmaßnahmen getroffen hatte, um weitere Rechtsverletzungen zu verhindern.
Sinn und Zweck der Neuregelungen
Die Grundsätze der Störerhaftung gefährdeten nach Ansicht des deutschen Gesetzgebers den weiteren Ausbau des Breitbandes und die Verbreitung öffentlich zugänglicher WLAN-Anschlüsse, da Inhaber dieser Anschlüsse und Hotspots befürchten mussten, für fremde Rechtsverletzungen in Anspruch genommen zu werden.
Deshalb führte er die genannten Vorschriften ein. Diese begrenzen die Haftung der Betreiber öffentlich zugänglicher Hotspots, indem in § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG neu geregelt wurde, dass die Betreiber für fremde Informationen, die über ihren Anschluss vermittelt werden, nicht verantwortlich sind, sofern sie die Übermittlung nicht selbst veranlasst, den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben. In diesen Fällen können sie nach § 8 Abs. 2 Satz 2 TMG nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf Schadensersatz oder Beseitigung oder Unterlassung einer Rechtsverletzung oder auf Zahlung der Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung dieser Ansprüche in Anspruch genommen werden.
Damit die Rechteinhaber ihrerseits nicht völlig rechtlos gestellt werden, wurde ihnen in § 7 Abs. 4 TMG ein Anspruch auf Sperrung der Nutzung von Informationen gegen den Diensteanbieter eingeräumt. Voraussetzung hierfür ist, dass die verletzten Rechte solche des geistigen Eigentums sind und der Rechteinhaber keine andere Möglichkeit hat, der Verletzung seines Rechtes abzuhelfen. Des Weiteren muss die Sperrung für den Anschlussinhaber zumutbar und verhältnismäßig sein.
Bedeutung des Urteils des BGH
Der BGH hat mit seinem Urteil nunmehr klargestellt, dass Betreiber öffentlich zugänglicher WLAN-Hotspots oder Tor-Netzwerke aufgrund der Neuregelung des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen werden können. Es kommt jedoch ein Sperranspruch nach § 7 Abs. 4 Sätze 1 und 2 TMG in Betracht.
Von maßgeblicher Bedeutung ist diese Entscheidung deshalb, weil der BGH zum einen bestätigt hat, dass die Neuregelungen europarechtskonform sind und zum anderen feststellte, dass der Sperranspruch auch gegenüber Anbietern drahtgebundener Internetzugänge geltend gemacht werden kann.
Als zumutbare Sperrmaßnahmen kommen laut BGH eine Pflicht zur Registrierung von Nutzern sowie zur Verschlüsselung des Zugangs mit einem Passwort oder im äußersten Fall die vollständige Sperrung in Betracht.
Folgen für die Praxis
Für die Praxis bedeutet dies, dass Anbieter öffentlich zugänglicher WLAN-Hotspots oder Tor-Netzwerke überlegen müssen, ob sie ihre Nutzer registrieren oder den Zugang grundsätzlich verschlüsseln. Dabei sind im Falle der Registrierung die neuen Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO zu beachten, in deren Rahmen Art, Umfang und Zweck der Verarbeitung personenbezogener Daten der registrierten Nutzer klar und verständlich beschrieben werden müssen.
Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit Sperrmaßnahmen dieser Art in der Praxis umgesetzt werden und ob dies den Ausbau des Breitbandes und die Verbreitung öffentlich zugänglicher WLAN-Angebote nicht doch wieder behindern und einschränken könnte.