Aktueller Regelungsstand
Mit Urteil vom 10.04.2018 (Az. 1 BvL 11/14 u. a.) bewertete das BVerfG die bisherige Einheitsbewertung für Grundsteuerzwecke als verfassungswidrig und forderte den Gesetzgeber zur Neuregelung auf. Dem kam der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts vom 26.11.2019 (BGBl. I 2019, S. 1794) nach. Auf Grund einer Öffnungsklausel war es allerdings den Bundesländern möglich, abweichend von der bundeseinheitlichen Regelung die Grundstücksbewertung nach landesspezifischen Vorgaben zu regeln. Hiervon machten Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen Gebrauch. Das Saarland und Sachsen wenden zwar grundsätzlich das Bundesmodell an, verwenden aber abweichende Steuermesszahlen.
Die neu ermittelten Grundstückswerte wurden auf den 01.01.2022 als ersten Hauptfeststellungstermin ermittelt und sind ab dem 01.01.2025 der Ermittlung der Grundsteuer zugrunde zu legen. Maßgeblich für die Höhe der dann zu zahlenden Grundsteuer sind die Steuerhebesätze, die durch die jeweiligen Gemeinden festgelegt sind.
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren zum Reformgesetz wurde zwar die politische Absicht geäußert, die Grundsteuerreform aufkommensneutral zu gestalten. Ob dies tatsächlich gelingt, ist angesichts der Vielzahl von involvierten Playern fraglich. Dazu müssten sich letztlich alle Gemeinden offen für eine Anpassung ihrer Hebesätze zeigen, was sich derzeit aber noch nicht abzeichnet. Selbst wenn die Grundsteuerreform tatsächlich aufkommensneutral wäre, würde dies aber eine Verschiebung der Grundsteuer zwischen den Steuerpflichtigen nicht ausschließen.
Verfassungskonformität der Ermittlung der Grundstückswerte
Gegenüber dem Bundesmodell äußerte bereits das FG Rheinland-Pfalz verfassungsrechtliche Bedenken. Es zweifelt daran, ob die Bewertungsregelungen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sind (Beschlüsse vom 23.11.2023, Az. 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23). Weitere Verfahren sind vor dem FG Düsseldorf (Az. 11 K 2310/23 Gr und 11 K 2309/23 Gr) anhängig, in denen ebenso verfassungsrechtliche Fragen zu klären sein werden. Verfassungsrechtliche Bedenken verworfen haben hingegen das FG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 01.09.2023, Az. 3 V 3080/23) sowie kürzlich erst das FG Köln (Beschluss vom 19.09.2024, Az. 4 K 2189/23).
Das Landesmodell in Baden-Württemberg wurde zwar vom FG Baden-Württemberg (Urteile vom 11.06.2024, Az. 8 K 2368/22 und 8 K 1582/23) ebenso wie das Bayerische Landesmodell vom FG Nürnberg (Beschluss vom 08.08.2023, Az. 8 V 300/23) als verfassungsrechtlich unbedenklich bewertet. Beim Bayerischen Verfassungsgericht ist allerdings eine Popularklage gegen das Bayerische Grundsteuergesetz anhängig (Az. Vf. 17-VII-2022). Gegenüber dem Niedersächsischen Landesmodell wurden in einem beim Niedersächsischen Finanzgericht anhängigen Verfahren unter dem Az. 1 K 38/24 verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht. Mit Hinweis darauf fasste das Landesamt für Steuern Niedersachsen eine Allgemeinverfügung vom 04.09.2024, wonach in Einspruchsverfahren, in denen ebenso die Verfassungskonformität des Niedersächsischen Landesmodells in Frage gestellt wird, das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts angeordnet wird.
Zwar bezogen auf die Bundesmodelle aber ggf. auch mit Wirkung für die Ländermodelle entschied der BFH zudem mit Beschlüssen vom 27.05.2024 (Az. II B 78/23 (AdV), und II B 79/23 (AdV)), dass es verfassungsrechtlich bedenklich ist, wenn keine Möglichkeit besteht, einen nachgewiesenen, wesentlich niedrigeren gemeinen Wert der Bewertung zugrunde zu legen. Hierauf reagierten bereits die obersten Finanzbehörden der Länder mit koordinierten Erlassen vom 24.06.2024 (BStBl. I 2024, S. 1073). Demnach ist in allen offenen Fällen der Ansatz eines niedrigeren gemeinen Werts anstelle des nach dem Bundesmodell ermittelten Werts möglich, wenn dieser den nachgewiesenen gemeinen Wert um mindestens 40 % übersteigt. Zumindest hinsichtlich der bundeseinheitlichen Regelung ist mit einem zeitnahen Handeln des Gesetzgebers zu rechnen, um diese bislang fehlende Nachweismöglichkeit zu kodifizieren. Abzuwarten bleibt, wie die Landesgesetzgeber hierauf reagieren werden, da auch in den Landesmodellen regelmäßig kein Nachweis eines geringeren gemeinen Werts vorgesehen ist. NRW ist hier mit dem Gesetz über die Einführung einer optionalen Festlegung differenzierender Hebesätze im Rahmen des Grundvermögens bei der Grundsteuer Nordrhein-Westfalen (Nordrhein-Westfalens Grundsteuerhebesatzgesetz - NWGrStHsG) vom 05.07.2024 bereits in Vorleistung getreten. Gemäß § 2 NWGrStHsG ist der vom BFH geforderte Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nun möglich. Zudem hat der Landesgesetzgeber hiermit einer möglichen Verschiebung der Grundsteuerbelastung von Nicht-Wohnimmobilien zu Wohnimmobilien vorgegriffen und für beide Bereiche unterschiedliche Hebesätze zugelassen.
Anpassung der Grundsteuer-Hebesätze
Abgesehen von den Unwägbarkeiten, die die dargestellten verfassungsrechtlichen Bedenken mit sich bringen, stellt sich zudem die Frage, wie hoch nun tatsächlich die Grundsteuer ab 01.01.2025 sein wird. Maßgeblich hierfür sind die gemeindlichen Hebesätze. Bislang lässt eine flächendeckende Anpassung unter Berücksichtigung der neuen Grundstückswerte auf sich warten, obwohl diese zum Teil deutlich höher sind als die zuvor aus den Einheitswerten abgeleitete Bemessungsgrundlage und dies durch die niedrigere Steuermesszahl nicht gänzlich ausgeglichen werden kann.
Zwar haben die Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen Hebesatz-Empfehlungen veröffentlicht, wie bestehende Hebesätze unter Berücksichtigung der neuen Grundsteuerwerte anzupassen wären, um der politisch propagierten Aufkommensneutralität gerecht zu werden. Nur wenige Gemeinden sind allerdings bereits aktiv geworden. Dabei ergibt sich aus den Empfehlungen teilweise deutlicher Anpassungsbedarf, sowohl zugunsten als auch zulasten von Grundstücksbesitzern, der zudem zwischen den Grundstücksarten variieren kann, z. B.
Grundsteuer B | Aktuell | Empfehlung |
Bonn | 680 % | 702 % (Grundvermögen) 591 % (Wohngrundstücke) 995 % (Nichtwohngrundstücke) |
Frankfurt a. M. | 500 % | 854,69 % |
Kassel | 490 % | 486,45 % |
Köln | 515 % | 464 % (Grundvermögen) 356 % (Wohngrundstücke) 702 % (Nichtwohngrundstücke) |
Mannheim | 487 % | 304 - 336 % |
Stuttgart | 520 % | 156 - 172 % |
Ob die Empfehlungen angenommen werden, bleibt abzuwarten. So schlägt z. B. die Stadtverwaltung in Köln die Beibehaltung des einheitlichen Hebesatzes von 515 % vor, worüber im November 2024 abgestimmt wird.
Fazit
Es bleibt zu hoffen, dass die Kommunen, in denen aufgrund der neuen Grundsteuerwerte eine deutliche Steuermehrbelastung droht, zeitnah das Thema Grundsteuerhebesätze angehen. Zum einen würden andernfalls Unternehmen in wirtschaftlich sehr herausfordernden Zeiten zusätzlich belastet. Zum anderen würden sowohl Eigentümer von Wohnimmobilien, die in ihrem Eigenheim wohnen, als auch regelmäßig Mieter von Wohnimmobilien mit höheren Wohnkosten belastet. Gerade in Ballungsräumen würde das die Diskussion um bezahlbaren Wohnraum befeuern.
Aus Sicht der Steuerzahler wünschenswert wäre natürlich, dass Hebesätze dann unverändert bleiben, wenn sich dadurch Steuerminderungen ab 2025 ergeben, wie z. B. in Frankfurt a. M. Hier werden betroffene Kommunen jedenfalls gefordert sein, ein Mittelmaß zwischen Belastungsausgleich und ggf. Standortattraktivität zu finden.