Vor dem 26.06.2021 fanden auf Wertpapierinstitute die Vorschriften des Kreditwesengesetzes (KWG) und der Capital Requirement Regulation (CRR) sowie verschiedene Durchführungsverordnungen Anwendung. Mit dem Erlass der Investment Firm Regulation (IFR) und der Investment Firm Directive (IFD) hat der europäische Gesetzgeber ein eigenes Regelungswerk für Wertpapierinstitute geschaffen. Hierdurch wird den Unterschieden der Geschäftsmodelle und den damit verbundenen Risiken von Banken einerseits und Wertpapierinstituten andererseits Rechnung getragen und bei ihrer aufsichtsrechtlichen Behandlung berücksichtigt.
Die Regelungen der IFD wurden mit dem Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG) in nationales Recht überführt. Seit 2021 ersetzen damit das WpIG und die IFR für Wertpapierinsitute die Regelungen des KWG und der CRR und regeln nunmehr die Geschäftstätigkeit von mittleren und kleinen Wertpapierfirmen. Nur für große Wertpapierfirmen gelten zusätzlich bzw. bei Fiktion als Kreditinstitut ausschließlich die für die Banken geltenden Bestimmungen des KWG und der CRR.
Hinweis: Nahezu parallel zur Veröffentlichung der Verordnungen wurde am 22.12.2023 das Kreditzweitmarktförderungsgesetz verkündet und führte zu einzelnen Anpassungen des WpIG. Hierbei handelt es sich u. a. um Folgendes:
- Ausdrückliche Untersagung der Bestellung ungeeigneter Mitglieder für die Geschäftsleitung sowie für den Verwaltungs- und Aufsichtsrat sowie ein Gebot zur Schaffung solider Regelungen für die Unternehmensführung, um hier einen Bußgeldtatbestand schaffen zu können,
- Ausweitung der Anzeigepflichten des § 67 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1, 2, 4 und 5 WpIG auf gemischte Finanzholding-Gesellschaften,
- Erweiterung der jährlichen Sammelanzeigepflichten der Investmentholdinggesellschaften und gemischten Finanzholdinggesellschaften um vertraglich gebundene Vermittler,
- Verankerung eines Rechts der BaFin, die Dauer der Mandatslaufzeit des Abschlussprüfers bei kleinen und mittleren Wertpapierinstituten auf zehn Jahre zu begrenzen, indem sie ohne Anlass die Bestellung eines anderen Abschlussprüfers verlangen darf,
- Ausweiterung der Prüfpflichten des Abschlussprüfers in § 78 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 WpIG hinsichtlich des Anzeigewesens und
- Erweiterung der Bußgeldtatbestände in § 83 WpIG.
Ziel der Regelungen des WpIG ist u. a. die Schaffung einer verstärkten Proportionalität. Die Wertpapierinstitute sind nunmehr in folgende vier Kategorien zu unterteilen:
Institutskategorie | Wertpapierinstitute, die als CRR-Kreditinstitut gelten | Große Wertpapierinstitute | Mittlere Wertpapierinstitute | Kleine Wertpapierinstitute |
Anwendbare Regelungen | CRR / KWG | IFR/IFD/WpIG sowie CRR/KWG | IFR/IFD/WpIG | IFR/IFD/WpIG mit Ausnahme- und Sonderregelungen |
Zur weiteren Konkretisierung des vorstehenden Rahmenwerks hat der deutsche Gesetzgeber für Wertpapierinstitute nun folgende Verordnungen erlassen:
- Wertpapierinstituts-Anzeigenverordnung (WpI-AnzV),
- Wertpapierinstituts-Prüfungsberichtsverordnung (WpIPrüfbV),
- Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung (WpIVergV),
- Wertpapierinstituts-Inhaberkontrollverordnung (WpI-InhKontrollV).
Wertpapierinstituts-Anzeigenverordnung (WpI-AnzV)
Die Konkretisierung der Meldeanforderungen für Wertpapierinstitute erfolgte bereits durch die seit 11.01.2022 geltende Durchführungsverordnung der EU-Kommission sowie nun durch die WpI-AnzV, welche am 12.12.2023 in Kraft getreten ist, wodurch jetzt auch spezifische deutsche Regelungen für die Wertpapierinstitute in Kraft getreten sind.
Hinweis: Folge hiervon ist u. a., dass der BaFin nun die nach § 64 Abs. 1 Nr. 13 WpIG anzeigepflichtigen Umstände betrieblicher Auslagerungen bis zum 30.06.2024 über das MVP-Portal nachzumelden sind, nachdem diese die bereits seit dem 26.06.2021 geltende Pflicht zur Einreichung der Auslagerungsanzeigen vorübergehend ausgesetzt hatte. Anzuzeigen sind die Absicht, der Vollzug, wesentliche Änderungen sowie schwerwiegende Vorfälle im Rahmen von bestehenden oder beabsichtigten (wesentlichen) Auslagerungen.
Wertpapierinstituts-Prüfungsberichtsverordnung (WpIPrüfbV)
Die WpIPrüfbV ist ebenfalls am 12.12.2023 in Kraft getreten und damit für den Abschlussprüfer für die Prüfung des Geschäftsjahres 2023 bereits anzuwenden. Die Ausgestaltung und der Inhalt der WpIPrüfbV orientiert sich an den Grundsätzen der IFR und des WpIG bzw. der IFD. Sie ist spezifisch auf kleine und mittlere Wertpapierinstitute zugeschnitten.
Kleine und mittlere Wertpapierinstitute müssen gemäß § 76 WpIG einen Jahresabschluss aufstellen, der durch einen bestellten Abschlussprüfer zu prüfen ist. Die WpIPrüfbV regelt Gegenstand und Zeitpunkt der Prüfung nach § 78 WpIG sowie Inhalt der Prüfungsberichte und Form, in der Prüfungsberichte bei der BaFin und der Deutschen Bundesbank einzureichen sind.
Hinweis: Die WpIPrüfbV sieht Änderungen bei der abgestuften qualitativen Bewertung von Prüfungsfeststellungen vor. Bereits seit 2021 gab es über die analog für Wertpapierinstitute anwendbaren Regelungen der PrüfbV für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute abgestufte qualitative Bewertungen für die Bereiche Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstige strafbare Handlungen. Neu ist, dass diese nun nach § 6 WpIPrüfbV auch die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftstätigkeit und die Risiken nach § 45 Abs. 1 WpIG erfassen. Damit wird mit der vorliegenden WpIPrüfbV Neuland betreten. Die Klassifizierung (F0 - F5) ist im Bericht im Rahmen der Darstellung des Mangels vorzunehmen. Offen ist derzeit noch die konkrete Ausgestaltung des Klassifizierungsverfahrens. Der IDW PS 526 (10.2023) hat in Abstimmung mit der BaFin für Kreditinstitute und bspw. Leasing- und Factoringunternehmen die Feststellung in der untersten Feststellungsstufe (F1) nochmals aufgeteilt in „nicht nennenswerte Beanstandung“ und „nennenswerte Feststellung“. Für WpIG-Prüfungen gilt der IDW PS 526 nicht. Wir gehen aber davon aus, dass die Praxis, soweit aufsichtliche Regelungen dem nicht entgegenstehen, den IDW PS 526 künftig regelmäßig für WpIG-Prüfungen analog anwenden wird.
Hinweis: Bei der Darstellung der Ertragslage muss der Prüfer neben den wichtigsten Erfolgsquellen und Erfolgsfaktoren sowie den möglichen Auswirkungen von Risiken nach § 33 WpIPrüfbV nun auch wesentliche Planungsannahmen darstellen. Der Prüfer muss bei der Darstellung des Verfahrens zur Ermittlung der Risikovorsorge ferner nach § 34 WpIPrüfbV auch auf die institutsspezifischen Grundsätze und Verfahren für die Bildung von Pauschalwertberichtigungen eingehen.
Hinweis: Die nachfolgend erläuterte WpIVergV ist noch nicht Gegenstand der Abschlussprüfung für das Geschäftsjahr 2023, da sie erst im Januar 2024 in Kraft getreten ist.
Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung (WpIVergV)
Die WpIVergV ist am 12.01.2024 in Kraft getreten. Allerdings besteht mit § 19 WpIVergV eine Übergangsregelung für einen erheblichen Teil der Vergütungsanforderungen, wonach diese erst erstmals mit Beginn des auf das Inkrafttreten dieser Verordnung folgenden Geschäftsjahres und somit ab 2025 anzuwenden sind.
Von der WpIVergV betroffenen sind ausschließlich mittlere Wertpapierinstitute. Für kleine Wertpapierinstitute findet die WpIVergV keine Anwendung. Große Wertpapierinstitute fallen nach § 4 Satz 1 WpIG i. V. m. § 25a Abs. 6 KWG wie bisher unter die Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV).
Die WpIVergV regelt die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme und orientiert sich hierbei an der InstitutsVergV. Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen wurden jedoch im Einklang mit den Regelungen der Art. 30 bis 34 IFD deutlich reduziert und entlasten so mittlere Wertpapierinstitute von einigen auf Kreditinstitute zugeschnittenen Vorgaben der InstitutsVergV. Insgesamt müssen die Vorgaben proportional zur Komplexität und Größe des Wertpapierinstitutes umgesetzt werden.
Die WpIVergV betrifft die Vergütung der Risikoträger eines mittleren Wertpapierinstituts.
Vergütung i. S. d. WpIVergV sind:
- sämtliche finanziellen Leistungen, gleich welcher Art, einschließlich der Leistungen zur
Altersversorgung, - sämtliche Sachbezüge, gleich welcher Art, einschließlich der Leistungen zur Altersversorgung und
- sämtliche Leistungen von Dritten,
die ein Risikoträger im Hinblick auf seine berufliche Tätigkeit für das Wertpapierinstitut erhält.
Sachbezüge nach § 2 S. 1 Nr. 2 WpIVergV, die nach dem EStG nicht als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit anzusehen sind oder nach § 8 Abs. 2 S. 11 EStG außer Ansatz bleiben, müssen nicht berücksichtigt werden.
Abweichend zur InstitutsVergV sind in § 6 Abs. 1 Ziff. 1 WpIVergV eine Unterscheidung zwischen fixer und variabler Vergütung und in § 7 Abs. 1 WpIVergV Regelungen zur Festlegung angemessener Werte enthalten. Grundlage für die fixe Vergütung ist im Wesentlichen die einschlägige Berufserfahrung und die organisatorische Verantwortung im Unternehmen, wie sie als Teil des Arbeits- oder Anstellungsvertrages in der Tätigkeitsbeschreibung der Risikoträger festgelegt ist. Demgegenüber spiegelt die variable Vergütung die nachhaltige und risikobereinigte Leistung der Risikoträger wider sowie die Leistungen, die über die Tätigkeitsbeschreibung der Risikoträger hinausgehen.
Risikoträger i. S. d. WpIVergV sind Geschäftsleiter sowie sämtliche Mitarbeiter eines Wertpapierinstituts, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil des Wertpapierinstituts oder der von diesem verwalteten Vermögenswerte auswirkt. Dies stellt eine Abweichung von der bislang und für große Wertpapierinstitute weiterhin geltenden InstitutsVergV dar, die allgemeine Regelungen für alle Mitarbeiter und besondere Vorgaben für sog. Risikoträger vorsieht.
18 WpIVergV, der ergänzende gruppenweite Regelungen zur Vergütung enthält, ist darüber hinaus von übergeordneten Unternehmen anzuwenden. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei diesen um kein Wertpapierinstitut handelt.
Hinweis: Eine „Auslegungshilfe“ zur WpIVergV, wie es sie zur InstitutsVergV gibt, wurde bislang nicht durch die BaFin veröffentlicht.
Wertpapierinstituts-Inhaberkontrollverordnung (WpI-InhKontrollV)
Am 16.01.2024 ist zudem die WpI-InhKontrollV in Kraft getreten. Zielunternehmen i. S. d. WpI-InhKontrollV sind Wertpapierinstitute i. S. d. § 2 Abs. 1 WpIG, an denen eine bedeutende Beteiligung erworben, verändert oder aufgegeben werden soll oder eine bedeutende Beteiligung unabsichtlich erworben, verändert oder aufgegeben wurde.
Anzuzeigen ist u. a. der beabsichtigte Erwerb oder die beabsichtigte Erhöhung einer bedeutenden Beteiligung sowie der unabsichtliche Erwerb oder die unabsichtliche Erhöhung einer bedeutenden Beteiligung.
Die Ausgestaltung und der Inhalt der Verordnung orientieren sich eng an der bisher für sog. Wertpapierhandelsunternehmen geltenden Inhaberkontrollverordnung. Die bestehenden Regelungen wurden jedoch an die Vorgaben der IFR und IFD angepasst.