Das arbeitsrechtliche Verständnis und die steuerbilanzielle Auffassung zur Gewährung eines finanziellen Ausgleichsanspruchs gleichen sich hierbei an – im Gegensatz zur handelsbilanziellen Interpretation des Urlaubsanspruchs als Erholungszeit.
Urlaubsabgeltungsanspruch im Todesfall
Der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG entsteht, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr genommen werden kann. Nach bisheriger Rechtsprechung erlischt der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaub mit dessen Tod ersatzlos, da eine Freistellung nicht mehr möglich ist.
Im Jahr 2014 entschied der EuGH, dass diese Rechtsprechung gegen Art. 7 der Richtlinie 2003/88 verstößt (EuGH-Urteil vom 12.6.2014, Rs. C-118/13, NJW 2014, S. 2415). Nach dieser Rechtsauffassung, der sich mittlerweile auch nationale Gerichte angeschlossen haben, entsteht der Urlaubsabgeltungsanspruch also auch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers. Ob der Anspruch auch vom Erben geltend gemacht werden kann, ist Gegenstand eines Vorlagebeschlusses des BAG an den EuGH (BAG-Beschluss vom 18.10.2016, Az. 9 AZR 196/16 (A)).
Hinweis
Da erwartet wird, dass der EuGH die Vererblichkeit bejaht, ist aus Vorsichtsgründen auch im Falle des Versterbens des Arbeitnehmers eine Rückstellung in der Handels- und/oder Steuerbilanz für den Urlaubsabgeltungsanspruch unter Berücksichtigung der noch nicht genutzten Urlaubstage zu berücksichtigen. Als selbstständiger finanzieller Anspruch unterliegt der Urlaubsabgeltungsanspruch einer ggf. vereinbarten oder geltenden Ausschlussfrist, so dass das Risiko zeitlich begrenzt ist.
Erhöhter Urlaubsanspruch beim Wechsel von Voll- in Teilzeit
Wechselt ein Arbeitnehmer unterjährig von einer Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung mit weniger Arbeitstagen pro Woche, darf der noch bestehende Urlaubsanspruch nicht proportional gekürzt werden (EuGH-Urteil vom 13.6.2013, Rs. C-415/12, NZA 2013, S. 775). Folglich besteht nach dieser Rechtsprechung des EuGH ein Quotierungsverbot. Das BAG hat sich dieser Rechtsauffassung mit seinem Urteil vom 10.2.2015 angeschlossen (BAG-Urteil vom 10.2.2015, Az. 9 AZR 53/14). Im Ergebnis, so führt auch das BAG aus, könne daraus folgen, dass ein Arbeitnehmer, der z. B. von einer Fünf-Tage-Woche in eine Zwei-Tage-Woche wechsele und noch 30 Tage Resturlaub habe, die er aufgrund vorhergehender Elternzeit nicht nehmen konnte, insgesamt 15 Wochen Urlaub nehmen könnte.
Hinweis
Wenn diese Rechtsprechung auch fragwürdig erscheinen mag, ist es dennoch erforderlich, entsprechende bilanzielle Dispositionen im Hinblick auf diesen Urlaubsanspruch und korrespondierend damit auch einen eventuellen späteren Urlaubsabgeltungsanspruch der Arbeitnehmer zu berücksichtigen.
Veränderung des Urlaubsanspruchs beim Wechsel von Teil- in Vollzeit
Bei einem unterjährigen Wechsel des Arbeitnehmers von Teil- in Vollzeit soll es nach dem EuGH jedenfalls nicht zu einer rückwirkenden Hochrechnung des Urlaubsanspruchs kommen (EuGH-Urteil vom 11.11.2015, Rs. C-219/14, NZA 2015, S. 1501). Für das restliche Kalenderjahr scheint der EuGH dagegen eine proportionale Erhöhung des Anspruchs zu verlangen.
Hinweis
Nach unserer Interpretation des Urteils würde ein Arbeitnehmer, der z. B. zum 1.7. von einer 20 %-igen Teilzeitbeschäftigung (ein Tag pro Woche) in eine Vollzeitbeschäftigung (fünf Tage pro Woche) wechselt, nicht rückwirkend so gestellt sein, wie ein von Beginn des Jahres vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, der einen Urlaubsanspruch von 20 Tagen hat. Vielmehr hätte der von Teilzeit in Vollzeit wechselnde Arbeitnehmer für die ersten sechs Monate einen Urlaubsanspruch von zwei Tagen und für die weiteren sechs Monate einen Anspruch von zehn Tagen, somit insgesamt 12 Urlaubstage. Der entsprechend noch nicht gewährte Urlaubsanspruch wirkt sich bei der Ermittlung des Rückstellungsbetrags aus.
Urlaubsabgeltungsanspruch bei Elternzeit
Für Zeiten, die ein Arbeitnehmer in Elternzeit ist, kann der Jahresurlaub vom Arbeitgeber nach § 17 BEEG ratierlich gekürzt werden Das BAG verlangt, dass zur Reduzierung des Urlaubsabgeltungsanspruchs die Kürzungserklärung vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegeben wird. Wird dies versäumt, kann der Arbeitgeber den Urlaubsabgeltungsanspruch nicht mehr kürzen (BAG-Urteil vom 19.5.2015, Az. 9 AZR 725/13, NZA 2015, S. 989).
Hinweis
Mangels Kürzungserklärung wäre eine entsprechend höhere Rückstellung zu bilden.
Analysebedarf bei der Rückstellungsermittlung in Handels- und Steuerbilanz
Wenngleich aufgrund der abweichenden Bilanzierung der Urlaubsrückstellung in Handels- und Steuerbilanz regelmäßig die Wertkomponente eine prominentere Betrachtung im Rahmen der Rückstellungsermittlung erfährt und die Anzahl der Urlaubstage vermeintlich leicht zu ermitteln ist, unterstreicht die oben dargestellte aktuelle Rechtsentwicklung auch hierfür einen besonderen Analysebedarf.
Dabei ist zu beachten, dass vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten nur im Hinblick auf den übergesetzlichen, vertraglichen Urlaubsanspruch bestehen, wobei das Diskriminierungsverbot von Teilzeitbeschäftigten zu beachten ist.