Mit dem sog. „Winterpaket“ sind u. a. in den EU-Richtlinien 2018/2001 und 2018/2002 Vorgaben für die Mitgliedsstaaten aufgestellt worden, wie die Betreiber von Fernwärme- und Fernkältenetzen künftig die Abrechnung und die Kundeninformation zu gestalten haben. Das Wirtschaftsministerium hat dazu den Entwurf einer Verordnung zur Umsetzung der Vorgaben zu Fernwärme und Fernkälte in der Richtlinie (EU) 2018/2002 sowie in der Richtlinie (EU) 2018/2001 (BR-Drs. 310/21 vom 14.04.2021) vorgelegt. Die Verordnung bedarf der Zustimmung des Bundesrates, die wahrscheinlich in der nächsten Sitzung am 25.06.2021 erteilt werden dürfte. Die Verordnung wird mit Inkrafttreten unmittelbar gelten.
Ab Inkrafttreten der Verordnung dürfen nur noch Messeinrichtungen für die Fernwärme- und Fernkälteversorgung installiert werden, die fernablesbar sind (§ 3 Abs. 3 der Verordnung). Die Definition der Fernablesbarkeit ist weit gefasst, um unterschiedliche Technologien einbeziehen zu können. Bereits installierte Messeinrichtungen müssen bis Ende 2026 auf Fernablesbarkeit nachgerüstet werden.
Aufbau der Verordnung
Der Entwurf der Verordnung besteht aus drei Artikeln:
- Artikel 1 Verordnung über die Verbrauchserfassung und Abrechnung bei der Versorgung mit Fernwärme oder Fernkälte (Fernwärme- oder Fernkälte-Verbrauchserfassungs- und -Abrechnungsverordnung – FFVAV),
- Artikel 2 Änderung der AVBFernwärmeV und
- Artikel 3 Inkrafttreten.
Kerninhalt der geplanten Verordnung: die FFVAV
Die FFVAV regelt in bislang fünf Paragraphen, welche Vorgaben die Lieferanten von Fernwärme oder Fernkälte in Bezug auf die Verbrauchserfassung und Abrechnung sowie die in diesem Zusammenhang erforderliche Bereitstellung von Informationen einzuhalten haben.
In § 2 enthält die Verordnung Begriffsbestimmungen. Definiert werden die Begriffe fernablesbar, Fernkälte, Fernwärme und Versorgungsunternehmen. „Fernwärme“ ist definiert als thermische Energie, die in Form von Dampf oder Heizwasser über ein Netz von zentralen oder dezentralen Produktionsquellen an mehrere Gebäude oder Anlagen zur Nutzung von Raum- oder Prozesswärme verteilt wird.
Hinweis: Angesichts dieser Definition ist es fraglich, ob die Verordnung auch für Wärmeerzeugungsanlagen gilt, durch die nur ein Gebäude mit Wärme versorgt wird. Unklar ist in diesem Zusammenhang, wann Wärme an „mehrere Anlagen“ verteilt wird.
Messeinrichtungen müssen fernablesbar werden
Nach § 3 FFVAV-E sind Versorgungsunternehmen verpflichtet, zur Ermittlung des verbrauchsabhängigen Entgelts Messeinrichtungen zu verwenden, die mess- und eichrechtlichen Vorschriften entsprechen. Der Verbrauch ist durch Messung festzustellen. Nur wenn das Versorgungsunternehmen aus Gründen, die es nicht zu vertreten hat, an der Messung gehindert ist, darf die Verbrauchserfassung auch mittels Schätzung erfolgen. Messeinrichtungen, die nach dem Inkrafttreten der Verordnung installiert werden, müssen fernablesbar sein. Bereits installierte, nicht fernablesbare Messeinrichtungen müssen bis Ende 2026 mit der Funktion der Fernablesbarkeit nachgerüstet oder durch fernablesbare Messeinrichtungen ersetzt werden. Fernablesbar ist gemäß § 2 Abs. 1 FFVAV-E jede Messeinrichtung, die ohne Zugang zu den einzelnen Nutzereinheiten abgelesen werden kann.
Neue Informationspflichten für Versorgungsunternehmen
In § 4 FFVAV-E ist geregelt, in welchem Turnus das Versorgungsunternehmen dem Kunden welche Informationen übermitteln muss. Die Verordnung differenziert zwischen Abrechnungen, Abrechnungsinformationen und Verbrauchsinformationen. Alle diese Informationen sind dem Kunden unentgeltlich zu übermitteln.
Die Abrechnung muss, wie bisher auch, mindestens einmal im Jahr erfolgen. Davon zu unterscheiden ist die Pflicht, Abrechnungsinformationen und Verbrauchsinformationen zur Verfügung zu stellen. Gemäß § 4 Abs. 3 FFVAV-E müssen, wenn fernablesbare Messeinrichtungen installiert sind, Abrechnungsinformationen einschließlich Verbrauchsinformationen auf Verlangen des Kunden oder wenn der Kunde seine Abrechnung elektronisch erhält, mindestens vierteljährlich und ansonsten mindestens zweimal im Jahr zur Verfügung gestellt werden.
Ab dem 01.01.2022 müssen Abrechnungsinformationen und Verbrauchsinformationen monatlich zur Verfügung gestellt werden. Von dieser Pflicht sind jeweils die Zeiträume ausgenommen, in denen üblicherweise kein Verbrauch erfolgt. Das ist bei der Belieferung mit Fernkälte der Zeitraum vom 01.10. bis zum 30.04. des Folgejahres und bei der Versorgung mit Fernwärme der Zeitraum vom 01.05. bis 30.09. eines Jahres.
Die Informationspflichten werden im Wesentlichen denen bei der Belieferung mit Strom und Gas angeglichen. Neben den Informationen über die für den Kunden geltenden Preise und dem tatsächlichen, abgerechneten Verbrauch müssen künftig Informationen über den aktuellen Anteil der eingesetzten Energieträger und der eingesetzten Wärme- oder Kältegewinnungstechnologien im Gesamtenergiemix übermittelt werden. Ausweislich der Begründung zur Verordnung soll der gesamte Energie- und Technologiemix angegeben werden, der zur Wärme- oder Kältegewinnung genutzt wird. Die einzelnen Technologien sollen anteilig in der zeitaktuellen Reihenfolge des Einsatzes angegeben werden, die Anteile müssen nicht prozentual aufgelistet werden.
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 b) FFVAV-E müssen die mit dem Energiemix verbundenen jährlichen Treibhausgasemissionen angegeben werden. Bei Systemen mit einer thermischen Gesamtleistung unter 20 MW gilt die Verpflichtung allerdings erst ab dem 01.01.2022.
Anzugeben sind schließlich die auf Wärme oder Kälte erhobenen Steuern, Abgaben oder Zölle. Dabei geht es ausdrücklich nicht um die Abgaben, die auf einzelne Energieträger erhoben werden, sondern diejenigen, die auf die Endprodukte Wärme und Kälte erhoben werden.
Hinweis: Darunter fällt allenfalls ein etwaiges Gestattungsentgelt, dass das Versorgungsunternehmen für die Nutzung von Straßen und Wegen an die Kommune entrichtet.
Vergleich mit Vorjahresverbrauch und mit Referenzkundenverbrauch
Dem Kunden muss weiterhin mit der Abrechnung ein Vergleich des aktuellen Wärme- oder Kälteverbrauchs mit dem Wärme- oder Kälteverbrauch im gleichen Vorjahreszeitraum übermittelt werden. Der Vergleich hat witterungsbereinigt zu erfolgen und muss in grafischer Form vorliegen.
Schließlich soll dem Kunden ein Vergleich mit normierten oder durch Vergleichstests ermittelten Durchschnittskunden derselben Nutzerkategorie bereitgestellt werden. Wenn es keine gängigen Nutzerkategorien gibt, kann, so die Begründung, auf den Durchschnittsverbrauch pro Wohnfläche abgestellt werden. Wenn Abrechnungen elektronisch zur Verfügung gestellt werden, kann ein solcher Vergleich auch auf der Internetseite des Versorgers veröffentlicht werden. In der Abrechnung soll jedoch darauf hingewiesen werden.
Information über Primärenergiefaktor wird Pflicht
Das Versorgungsunternehmen muss dem Kunden Informationen über den Primärenergiefaktor eines technisch zusammenhängenden Fernkälte- oder Fernwärmesystems zugänglich machen und darüber informieren, wie hoch in dem technisch zusammenhängenden System der prozentuale Anteil der eingesetzten erneuerbaren Energien ist. Diese Informationen müssen nicht zwingend in der Abrechnung enthalten sein, es ist ausreichend, sie auf der Internetseite vorzuhalten. In der Abrechnung sollte jedenfalls darauf hingewiesen werden, wo der Kunde die Informationen finden kann.