Der Sachverhalt:
In ihrer Einkommensteuererklärung 2016 erklärte die Klägerin einen Bruttoarbeitslohn i.H.v. rd. 200.000 €. Der Erklärung waren zwei Lohnsteuerbescheinigungen beigefügt. Eine betraf ein Arbeitsverhältnis bei der A, welches vom 1.1. bis 31.5.2016 dauerte. Hierfür ist ein Bruttoarbeitslohn i.H.v. rd. 160.000 € ausgewiesen. Die zweite Lohnsteuerbescheinigung betraf ein anderes Arbeitsverhältnis ab dem 1.6.2016. Hier ist ein Bruttoarbeitslohn i.H.v. rd. 40.000 € ausgewiesen. Unter dem Punkt "Entschädigungen" wies die Klägerin auf eine beigefügte Anlage hin. Dazu waren der Steuererklärung ein Aufhebungsvertrag zwischen der Klägerin und ihrem Arbeitgeber A vom 8.3.2016 und ein Kündigungsschreiben der Klägerin vom 10.5.2016 beigefügt.
"Das Arbeitsverhältnis wird zum Beendigungszeitpunkt ausschließlich wie folgt abgerechnet: 1. Bis zum Beendigungszeitpunkt zahlt das Unternehmen der Mitarbeiterin ein Bruttomonatsgehalt von rd. 4.700 €. Ferner zahlt das Unternehmen der Mitarbeiterin mit der November-Gehaltsabrechnung ein 13. Monatsgehalt für das Jahr 2016 i.H.v. brutto 4.700 €. Zur Abgeltung etwaiger bis zum Beendigungszeitpunkt entstehende variable Vergütungsansprüche für das Jahr 2016 erhält die Mitarbeiterin gemäß Regelung im Sozialplan eine einmalige Kompensation i.H.v. brutto rd. 1.400 €, die mit der letzten Gehaltsabrechnung ausgezahlt wird."
Weiterhin ist vereinbart:
"Die Mitarbeiterin wird im Übrigen mit Wirkung ab 1.5.2016 bis zum Beendigungszeitpunkt unter Anrechnung etwaiger noch offener Urlaubsansprüche und Freizeitguthaben von ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung unwiderruflich freigestellt. Die Mitarbeiterin erhält als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung i.H.v. brutto rd .100.000 €. Die Mitarbeiterin hat das Recht, das Anstellungsverhältnis vor dem Beendigungszeitpunkt durch einseitige schriftliche Erklärung gegenüber dem Unternehmen mit einer Vorankündigungsfrist von 7 Tagen vorzeitig zu beenden, frühestens jedoch zum Zeitpunkt des Wegfalls der Beschäftigung (1.5.2016). Die Abrechnung erfolgt zum Ende des Kalendermonats in dem die Beendigung fällt. In diesem Fall erhöht sich die Abfindung gem. § 4.1 um 100 % der von dem Unternehmen für die Zeit von der vorzeitigen Beendigung bis zum gem. § 1 vereinbarten Beendigungszeitpunkt eingesparten Bruttovergütung."
Im Kündigungsschreiben vom 10. Mai 2016 an die A heißt es:
"Ich nehme Bezug auf den Aufhebungsvertrag vom 4.3.2016 § 5 Vorzeitige Beendigung.
Hiermit kündige ich das Anstellungsverhältnis fristgerecht zum 31.5.2016."
Im Einkommensteuerbescheid vom 16. Mai 2017 unterwarf das Finanzamt einen Betrag i.H.v. rd. 100.000 € der ermäßigten Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG. Die Klägerin ist der Ansicht, die Berechnung der Abfindung sei nicht korrekt erfolgt. Aus dem Aufhebungsvertrag gehe hervor, dass die Abfindungszahlung 100.000 € betrage. Aufgrund der vorzeitigen Beendigung des Anstellungsverhältnisses zum 31.5.2016 habe sich diese Summe aber um 100 % der bis zum Beendigungszeitpunkt eingesparten Bruttovergütung erhöht. Der Beendigungszeitpunkt sei auf den 31.12.2016 festgelegt. Somit erhöhe sich die Abfindungssumme um 7 Monatsgehälter i.H.v. jeweils 4.700 € und das 13. Monatsgehalt i.H.v. ebenfalls 4.700 €. Insgesamt ergebe sich eine begünstigt zu besteuernde Abfindungssumme i.H.v. rd. 140.000 €.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Bei den von der A gezahlten Vergütungen für die Monate Juni bis Dezember 2016, dem 13. Monatsgehalt sowie der nach § 2 Ziffer 3 des Aufhebungsvertrages geleisteten Zahlung zur Abgeltung der bis zum 31.12.2016 entgehenden variablen Vergütungsansprüche handelt es sich nicht um außerordentliche Einkünfte, die nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuern sind.
Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist nach § 34 Abs. 1 EStG die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem gem. § 34 Abs. 1 S. 2 bis 4 EStG zu ermittelnden ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte Entschädigungen i.S.d. § 24 Nr. 1 EStG und nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht. Der streitige Betrag sowie die sowie die nach § 2 Ziffer 3 des Aufhebungsvertrages geleistete Zahlung zur Abgeltung der bis zum 31.12.2016 entgehenden variablen Vergütungsansprüche stellen keine Entschädigungen gem. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG dar. Eine Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG setzt voraus, dass der Steuerpflichtige bei Aufgabe seiner Rechte unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt hat. Der Steuerpflichtige darf das schadenstiftende Ereignis nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben.
Entschädigungen, die aus Anlass der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses als Ersatz für entgehende Einnahmen gewährt werden, sind einheitlich zu beurteilen. Sie müssen, um tarifbegünstigt gem. § 34 Abs. 1 EStG besteuert zu werden, grundsätzlich in einem Veranlagungszeitraum zufließen. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. Werden in einer Abfindungsvereinbarung neben Entschädigungen für künftig entgehende Einnahmen auch Zahlungen einbezogen, die bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses zustanden, so sind diese, selbst wenn sie noch nicht fällig sein sollten, als nicht tarifermäßigte Einnahmen von den Entschädigungen zu trennen. Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei den von der A gezahlten Vergütungen für die Monate Juni bis Dezember 2016, dem 13. Monatsgehalt sowie der nach § 2 Ziffer 3 des Aufhebungsvertrages geleisteten Zahlung zur Abgeltung der bis zum 31.12.2016 entgehenden variablen Vergütungsansprüche anders als bei der Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes nicht um Abfindungen i.S.v. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG.
Die entscheidende Ursache für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.5.2016 statt zum 31.12.2016 hat nicht die A, sondern die Klägerin gesetzt. Die Zahlung der Beträge erfolgte nicht aufgrund des zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossenen Aufhebungsvertrages, sondern aufgrund der von der Klägerin einseitig ausgesprochenen Kündigung. Sie hat mit ihrer Kündigung die (weitere) Einschränkung des Arbeitsverhältnisses aus eigenem Antrieb unmittelbar herbeigeführt. Auch der Grundsatz der Einheitlichkeit der Entschädigung rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Es trifft zwar zu, dass sich die in § 4 Ziffer 1 des Aufhebungsvertrages zunächst vereinbarte Abfindung i.H.v. rd. 100.000 € durch die Kündigung der Klägerin aufgrund § 5 des Aufhebungsvertrages um den streitigen Betrag erhöhte und der Klägerin ein entsprechender Gesamtbetrag mit Ablauf des Monats Mai 2016 zufloss. Allein die Zusammenfassung der Zahlungen zu einem Betrag rechtfertigt aber nicht die Annahme einer einheitlichen Entschädigungsleistung.
Der Gesamtbetrag mag sich auch tatsächlich aus dem einen Aufhebungsvertrag ergeben. Auslöser für den Anfall der Gesamtleistung waren jedoch zwei unterschiedliche schadenstiftende Ereignisse. So ergibt sich der unbedingte Anspruch auf die Abfindungszahlung i.H.v. 100.000 € direkt aus dem zwischen der Klägerin und ihrem ehemaligen Arbeitgeber geschlossenen Aufhebungsvertrag, während der Anspruch auf die streitigen Zahlungen nur aufschiebend bedingt vereinbart war und erst mit Eintritt der Bedingung - der Kündigung der Klägerin - wirksam geworden ist. Gelten Zahlungen unterschiedliche schadenstiftende Ereignisse ab, sind sie auch ungeachtet eines zusammengefassten Zuflusses getrennt zu betrachten.
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