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Niedersächsisches FG zur Rechtmäßigkeit von Sammelauskunftsersuchen der Finanzbehörden

Urteil des Niedersächsischen FG vom 23.2.2011 - 5 K 397/10

Aus­kunfts­er­su­chen der Fi­nanz­behörden un­ter­lie­gen all­ge­mei­nen rechts­staat­li­chen Gren­zen; d.h. u.a. die Pflich­terfüllung muss für den Be­trof­fe­nen möglich sein. Eine Aus­kunft über den In­halt elek­tro­ni­sch ge­spei­cher­ter per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten ist möglich, wenn der um Aus­kunft Er­suchte tatsäch­lich über die Spei­cher­me­dien, auf de­nen die Da­ten ge­spei­chert sind, verfügen kann oder einen recht­li­chen An­spruch auf Her­aus­gabe der Da­ten oder auf Aus­kunft hat.

Der Sach­ver­halt:
Die Klage rich­tet sich ge­gen ein Sam­me­laus­kunfts­er­su­chen nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO. Das Fi­nanz­amt für Fahn­dung und Straf­sa­chen er­suchte die Kläge­rin, eine inländi­sche Ka­pi­tal­ge­sell­schaft, im Mai 2010 um Aus­kunft über Verkäufe nie­dersäch­si­scher Un­ter­neh­men in den Jah­ren 2007 bis 2009 als Dritt­an­bie­ter über eine In­ter­nethan­dels­platt­form.

Die Web­site, de­ren Do­main­in­ha­be­rin die Kläge­rin ist, war früher von der Kläge­rin be­trie­ben wor­den. 2007 bis 2009 war je­doch die lu­xem­bur­gi­sche Mut­ter­ge­sell­schaft der Kläge­rin Be­trei­be­rin der Web­site. Das Dritt­an­bie­ter­ge­schäft über die­sen In­ter­net­markt­platz wurde von ei­ner lu­xem­bur­gi­schen Schwes­ter­ge­sell­schaft ab­ge­wi­ckelt. Die Kläge­rin er­brachte ge­genüber Mut­ter- und Schwes­ter­ge­sell­schaft eine Viel­zahl von Dienst­leis­tun­gen im Zu­sam­men­hang mit dem Be­trieb der In­ter­nethan­dels­platt­form.

Das FG gab der ge­gen das Aus­kunfts­er­su­chen ge­rich­te­ten Klage statt. Die Re­vi­sion zum BFH wurde we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Sa­che zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Das Fi­nanz­amt hat die Kläge­rin zu Un­recht durch das an­ge­foch­tene Sam­me­laus­kunfts­er­su­chen um Aus­kunft über Verkäufe nie­dersäch­si­scher Un­ter­neh­men er­sucht.

Die Aus­kunfts­rechte der Fi­nanz­behörden un­ter­lie­gen all­ge­mei­nen rechts­staat­li­chen Gren­zen: Die ver­langte Aus­kunft muss zur Sach­ver­halts­aufklärung ge­eig­net und not­wen­dig, die Pflich­terfüllung für den Be­trof­fe­nen möglich und seine In­an­spruch­nahme er­for­der­lich, verhält­nismäßig und zu­mut­bar sein. Eine Aus­kunft über den In­halt elek­tro­ni­sch ge­spei­cher­ter per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten ist möglich, wenn der um Aus­kunft Er­suchte tatsäch­lich über die Spei­cher­me­dien, auf de­nen die per­so­nen­be­zo­ge­nen Da­ten ge­spei­chert sind, verfügen kann oder wenn er ge­gen den Verfügungs­be­rech­tig­ten einen recht­li­chen An­spruch auf Her­aus­gabe der Da­ten oder ent­spre­chende Aus­kunft hat.

Da­nach ist der Kläge­rin die Er­tei­lung der er­such­ten Auskünfte nicht möglich. In tatsäch­li­cher Hin­sicht ist die Aus­kunft unmöglich, weil die Kläge­rin nach den Fest­stel­lun­gen des FG man­gels Zu­griffs­be­rech­ti­gung über kei­nen ei­ge­nen Zu­griff auf die im Aus­land be­find­li­chen Ser­ver verfügt, auf de­nen die zur Aus­kunfts­er­tei­lung benötig­ten Da­ten ge­spei­chert sind. Einen recht­li­chen An­spruch ge­gen die Schwes­ter­ge­sell­schaft als Be­trei­be­rin des Dritt­an­bie­ter­ge­schäfts auf Her­aus­gabe der Da­ten, Er­tei­lung ei­ner Aus­kunft oder auf Ver­schaf­fung ei­ner Be­rech­ti­gung zum Zu­griff auf die elek­tro­ni­schen Spei­cher­me­dien hat die Kläge­rin nicht.

Ein sol­cher An­spruch er­gibt sich we­der aus dem zwi­schen ih­nen ge­schlos­sen Da­ten­ver­ar­bei­tungs­ver­trag noch aus dem Um­stand, dass es sich bei der Be­trei­be­rin des Dritt­an­bie­ter­ge­schäfts um eine ausländi­sche Schwes­ter­ge­sell­schaft der Kläge­rin han­delt. Kon­krete ge­sell­schafts­recht­li­che Ein­flussmöglich­kei­ten der Kläge­rin konn­ten nicht fest­ge­stellt wer­den. Al­lein der Um­stand, dass die Kläge­rin und die lu­xem­bur­gi­sche Schwes­ter­ge­sell­schaft Teil ei­nes Kon­zerns sind, begründet keine sol­chen Ein­flussmöglich­kei­ten (siehe auch BFH 10.5.2001, I S 3/01).

Link­hin­weis:

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