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Notarielle Niederschrift über die Hauptversammlung einer AG

BGH 10.10.2017, II ZR 375/15

Das Ab­stim­mungs­er­geb­nis bei ei­ner Haupt­ver­samm­lung ei­ner AG ist mit den Ja- und Nein-Stim­men in die no­ta­ri­elle Nie­der­schrift auf­zu­neh­men. Wer­den statt­des­sen Pro­zent­zah­len auf­ge­nom­men, führt dies nicht zur Nich­tig­keit, wenn sich aus den An­ga­ben das zah­lenmäßige Ab­stim­mungs­er­geb­nis er­rech­nen lässt.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­klagte ist eine nicht börsen­no­tierte Ak­ti­en­ge­sell­schaft mit einem Grund­ka­pi­tal von 50.000 € ver­teilt auf 50.000 Ak­tien. Im Jahr 2004 war die M-AG die al­lei­nige Ak­tionärin der Be­klag­ten. Der Auf­sichts­rat der Be­klag­ten be­stellte den Kläger (Herr R.) zum Vor­stand der Be­klag­ten. Nach dem Vor­trag des Klägers veräußerte die M-AG im Ok­to­ber 2004 an eine M. Con­sul­ting AG 5.000 Ak­tien, die der Kläger vom Li­qui­da­tor die­ser Ge­sell­schaft im Som­mer 2011 er­warb. Am 2.10.2013 ermäch­tigte das AG die M-AG, eine Haupt­ver­samm­lung ein­zu­be­ru­fen, u.a. mit den Be­schlus­santrägen, den Auf­sichts­rat ab­zu­be­ru­fen und ihn neu zu wählen. Auf der Grund­lage die­ser ge­richt­li­chen Ermäch­ti­gung fand am 8.10.2013 eine außer­or­dent­li­che Haupt­ver­samm­lung der Be­klag­ten statt, auf der Be­schlüsse zur Ab- und Neu­wahl des Auf­sichts­rats ge­fasst wur­den.

Der neu gewählte Auf­sichts­rat be­rief den Kläger am sel­ben Tag als Vor­stand aus wich­ti­gem Grund ab und be­stellte Herrn P. zum neuen Vor­stand der Be­klag­ten. Das AG lehnte die Ein­tra­gung des P als Vor­stand mit Be­schluss vom 23.1.2014 ab, da die Be­schlüsse man­gels form- und frist­ge­rech­ter Ein­la­dung nich­tig seien. Im Ja­nuar 2014 lud die M-AG, ver­tre­ten durch ih­ren Vor­stand P, auf der Grund­lage der ge­richt­li­chen Ermäch­ti­gung vom 2.10.2013 er­neut zu ei­ner außer­or­dent­li­chen Haupt­ver­samm­lung auf den 10.3.2014 ein, u.a. mit den Be­schlus­santrägen, den Auf­sichts­rat ab­zu­be­ru­fen und ihn neu zu wählen. Das no­ta­ri­elle Pro­to­koll der Haupt­ver­samm­lung lau­tet u.a. wie folgt:

"TOP 1: Ab­be­ru­fung der Mit­glie­der des Auf­sichts­rat

Herr R. wen­det sich ge­gen eine Ab­be­ru­fung. Der Vor­sit­zende lässt ins­ge­samt ab­stim­men. Herr P. (90 %) ist dafür, Herr R. (10 %) da­ge­gen. Der Vor­sit­zende verkündet den Be­schluss, dass die Mit­glie­der des Auf­sichts­rats ab­be­ru­fen sind. Herr R. er­hebt Wi­der­spruch.

TOP 2: Neu­wah­len zum Auf­sichts­rat

Der Vor­sit­zende lässt ins­ge­samt ab­stim­men. Herr P. (90 %) stimmt zu. Herr R. (10 %) stimmt da­ge­gen.

TOP 3:

Der Ver­samm­lungs­lei­ter stellte fest, dass alle Be­tei­lig­ten während al­ler Ab­stim­mun­gen un­un­ter­bro­chen an­we­send wa­ren, dass sämt­li­che Ab­stim­mun­gen in der vom Ver­samm­lungs­lei­ter be­stimm­ten Form er­folgt sind und dass die Be­schlüsse je­weils so­fort von ihm fest­ge­stellt und verkündet wur­den. Herr R. erklärt, dass er Ein­spruch ge­gen alle Be­schlüsse ein­lege."

Der im An­schluss neu gewählte Auf­sichts­rat be­rief den Kläger am sel­ben Tag als Vor­stand aus wich­ti­gem Grund ab und be­stellte P zum neuen Vor­stand der Be­klag­ten. Die no­ta­ri­elle Ur­kunde vom 10.3.2014 wurde durch den be­ur­kun­den­den No­tar durch Nie­der­schrift am 4.4.2014 "gem. § 44a Be­urkG in fol­gen­der Weise zur Be­rich­ti­gung ergänzt": "Vor Ein­tritt in die Be­schluss­fas­sung er­teilt der Vor­sit­zende nach Erörte­rung der Stimm­rechts­verhält­nisse den Hin­weis, dass die Ab­stim­mung der bei­den Teil­neh­mer auf der Grund­lage des Be­schlus­ses des Amts­ge­richts C. vom 2.10.2013 im Übri­gen auf Zu­ruf er­folgt." Die Be­stel­lung des neuen Vor­stands P wurde in das Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen. Der Kläger er­hob An­fech­tungs­klage ge­gen alle Be­schlüsse der Haupt­ver­samm­lung der Be­klag­ten vom 10.3.2014.

LG und OLG wie­sen die Klage ab. Die Re­vi­sion des Klägers hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das OLG hat zu­tref­fend an­ge­nom­men, dass keine zu ei­ner Nich­tig­keit der Haupt­ver­samm­lungs­be­schlüsse nach § 241 Nr. 2, § 130 Abs. 2 S. 1 AktG führen­den Be­ur­kun­dungs­feh­ler vor­lie­gen.

Das OLG ist zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass das no­ta­ri­elle Haupt­ver­samm­lungs­pro­to­koll vom 10.3.2014 un­rich­tig war, da es die von § 130 Abs. 2 S. 1 AktG ge­for­derte An­gabe der Art der Ab­stim­mung nicht ent­hielt. Ebenso zu­tref­fend ist es da­von aus­ge­gan­gen, dass die no­ta­ri­elle Ur­kunde durch den be­ur­kun­den­den No­tar mit sei­ner Be­rich­ti­gung vom 4.4.2014 um die An­gabe, dass die Ab­stim­mung auf Zu­ruf er­folgte, ergänzt wer­den konnte, und da­mit die ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen des § 130 Abs. 2 S. 1 AktG erfüllt sind.

Der No­tar kann die no­ta­ri­elle Nie­der­schrift über die Haupt­ver­samm­lung ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft be­rich­ti­gen (§ 44a Abs. 2 Be­urkG). Bei der Be­rich­ti­gung durch eine ergänzende Nie­der­schrift müssen der Ver­samm­lungs­lei­ter oder die in der Haupt­ver­samm­lung an­we­sen­den Ak­tionäre nicht mit­wir­ken. Eben­falls rechts­feh­ler­frei ist die Auf­fas­sung des OLG, dass der Rechts­grund für die gewählte Ab­stim­mungs­art nicht pro­to­kol­lie­rungs­pflich­tig ist. Die ak­ti­en­recht­li­chen Pro­to­kol­lie­rungs­pflich­ten des No­tars sind in § 130 AktG ab­schließend ge­re­gelt. Dem Wort­laut des § 130 Abs. 2 S. 1 AktG lässt sich nicht ent­neh­men, dass auch der Rechts­grund der Ab­stim­mung in die Nie­der­schrift nach § 130 Abs. 2 S. 1 AktG auf­ge­nom­men wer­den muss.

Im Er­geb­nis zu­tref­fend ist auch die Auf­fas­sung des OLG, dass die bei­den an­ge­grif­fe­nen Be­schlüsse nicht gem. § 241 Nr. 2 AktG nich­tig sind, weil im Haupt­ver­samm­lungs­pro­to­koll das zah­lenmäßige Er­geb­nis der Ab­stim­mung je­weils nur mit 90 % zu 10 % an­ge­ge­ben ist. Das zah­lenmäßige Er­geb­nis der Ab­stim­mung ist zwar grundsätz­lich mit der An­zahl der Ja- und Nein-Stim­men in die no­ta­ri­elle Nie­der­schrift auf­zu­neh­men. Der Se­nat hält daran auch nach Einfügung von Satz 2 und 3 in § 130 Abs. 2 AktG durch das ARUG fest. Wer­den statt der An­zahl der Ja- und Nein-Stim­men je­doch - wie hier - Pro­zent­zah­len auf­ge­nom­men, führt die­ser Be­ur­kun­dungs­feh­ler nicht zur Nich­tig­keit, wenn sich aus den An­ga­ben in der Nie­der­schrift das zah­lenmäßige Ab­stim­mungs­er­geb­nis so er­rech­nen lässt, dass da­nach keine Zwei­fel über die Ab­leh­nung oder An­nahme des An­trags und die Ord­nungsmäßig­keit der Be­schluss­fas­sung ver­blei­ben. Wo verhält es sich im vor­lie­gen­den Fall.

Es liegt auch keine zu ei­ner Nich­tig­keit der Haupt­ver­samm­lungs­be­schlüsse nach § 241 Nr. 1, § 121 Abs. 2 S. 3, § 122 Abs. 3 S. 1 AktG führende Ein­be­ru­fung durch eine dazu nicht be­rech­tigte Per­son vor. Das OLG ist rechts­feh­ler­frei da­von aus­ge­gan­gen, dass die M-AG auf der Grund­lage der ge­richt­li­chen Ermäch­ti­gung des AG vom 2.10.2013 die außer­or­dent­li­che Haupt­ver­samm­lung am 10.3.2014 ein­be­ru­fen durfte. Da die auf der Haupt­ver­samm­lung am 8.10.2013 ge­fass­ten Be­schlüsse be­reits auf­grund ei­nes for­mel­len Ein­be­ru­fungs­man­gels nich­tig wa­ren, war die ge­richt­li­che Ermäch­ti­gung durch die Ein­la­dung zu die­ser Haupt­ver­samm­lung nicht ver­braucht.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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