Das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) mit seinen zahlreichen flankierenden Verordnungen sieht umfassende Genehmigungsverfahren für industrielle Anlagen verschiedenster Art bereit. Es betrifft den industriellen Kern der deutschen Wirtschaft (z. B. chemische Industrie, Metallverarbeitung, Maschinenbau) genauso wie die weiten Bereiche der Energieerzeugung oder der Abfallentsorgung. Die Komplexität und der Umfang von Genehmigungsverfahren sind dabei im Wesentlichen dem Umstand geschuldet, dass diese Verfahren dem Schutz von Menschen, Umwelt und Klima in hohem Maße Rechnung tragen sollen.
Aus diesem Grund ist das Immissionsschutzrecht über die letzten Jahrzehnte immer umfangreicher geworden. Die Regierungskoalition will diesen gewachsenen Rechtsrahmen nun „zurückschneiden“ und effizienter gestalten und hat sich nun auf eine Reihe von einzelnen Maßnahmen im „Gesetz zur Verbesserung des Klimaschutzes beim Immissionsschutz, zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren und zur Umsetzung von EU-Recht“ verständigt.
Beschleunigung und Digitalisierung von Genehmigungsverfahren
Unabhängig von der Art der zu genehmigenden Anlage soll durch eine Reihe von Anpassungen künftig ein schnelleres und effizienteres Genehmigungsverfahren gewährleistet werden.
- Die Frist für die Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer BImSchG-Genehmigung (grundsätzlich sieben Monate) kann durch die Genehmigungsbehörde künftig nur noch einmal verlängert werden. Ansonsten muss der Antragsteller einer Verlängerung zustimmen (§ 10 Abs. 6a BImSchG).
- Zur Beschleunigung sollen auch die Neuregelungen über die Möglichkeit des sog. vorzeitigen Beginns eines Vorhabens (§ 8a Abs. 1 S. 2 und 3 BImSchG) dienen. Demnach kann der Vorhabenträger bereits vor Erteilung der Genehmigung mit der Umsetzung des Vorhabens beginnen, wenn er
- ein öffentliches bzw. berechtigtes Interesse an dem vorzeitigen Beginn darlegt,
- er sich zur Wiederherstellung und Ersatz von Schäden im Falle der Nichtgenehmigung verpflichtet und
- relevante öffentlich-rechtliche Belange nicht entgegenstehen.
Allerdings betrifft die Regelung nur Vorhaben an einem bereits bestehenden Anlagenstandort sowie Fälle von Änderungsanträgen zu bestehenden Genehmigungen.
- Ferner soll die Digitalisierung verstärkt Einzug in das Genehmigungsverfahren halten. Hierzu sieht die Novelle Regelungen über die digitale Antragstellung (§ 10 Abs. 1, 4 BImSchG), den Online-Erörterungstermin (§ 10 Abs. 6 BImSchG) sowie die öffentliche Bekanntmachung (§ 10 Abs. 3, 8 BImSchG) vor.
- Weiter finden sich in der Novelle auch Regelungen über die Straffung der Behördenbeteiligung (§ 10 Abs. 5 BImSchG), die Vollständigkeitsfiktion für den Fristbeginn (§ 7 Abs. 2 9. BImSchV) sowie die Einführung eines Projektmanagers als Verwaltungshelfer (§ 2a und § 2b 9. BImSchV). Bemerkenswert ist hier die Möglichkeit der Genehmigungsbehörde, in jeder Stufe des Verfahrens - mit Zustimmung und auf Kosten des Antragsstellers - einen externen Helfer mit der Vorbereitung und Durchführung von Verfahrensschritten zu beauftragen. Behörden mit angespannter Personalsituation können sich somit entlasten und unter Rückgriff auf einen Dritten eine Beschleunigung und Effizienzsteigerung im Genehmigungsverfahren erzielen.
Weitere Erleichterungen für den Ausbau der Onshore-Windenergie
Obwohl die Novelle sich grundsätzlich an alle Arten industrieller Anlagen richtet, ist doch an verschiedenen Stellen erkennbar, dass der Gesetzgeber den Ausbau der Erneuerbaren Energien besonders beschleunigen will. Deutlich wird dies insbesondere hinsichtlich des Ausbaus der Onshore-Windenergie:
- Mit dem Institut des Vorbescheids nach § 9 BImSchG kann der Antragsteller einzelne Genehmigungsvoraussetzungen (z. B. die Berücksichtigung militärischer Sicherheitsbelange) herauslösen und vorab klären lassen, ohne bereits ein vollständiges und kostspieliges Genehmigungsverfahren durchlaufen zu müssen. Der Erhalt eines Vorbescheids wird in § 9 Abs. 1a BImSchG nun weiter beschleunigt, so dass schneller Planungssicherheit für Windkraftprojekte hergestellt werden kann. Ob mit Blick auf die oft anzutreffende Personalknappheit bei den Genehmigungsbehörden ein solches vorgeschaltetes Verfahren auf Erteilung eines Vorbescheids aus Effizienzgründen empfehlenswert ist, muss jedoch stets im Einzelfall beurteilt werden. Ein Vorbescheid wird insbesondere dann hilfreich sein, wenn sich einzelne projektspezifische Fragen bereits im Vorfeld als besonders kritisch abzeichnen.
- Ferner wird das sog. Repowering (d. h. der Ersatz älterer durch neue und leistungsstärkere Windenergieanlagen) durch eine Reihe von Anpassungen vereinfacht, u. a. mit dem Verzicht auf den Erörterungstermin oder der Ermöglichung schnellerer Typenänderung während laufender Genehmigungsverfahren (§ 16b BImSchG).
Fazit und Ausblick
Die Gesetzesnovelle ist somit ein plausibles Maßnahmenpaket, das an unterschiedlichen Stellschrauben des Genehmigungsrechts ansetzt, um Effizienz- und Beschleunigungspotentiale zu heben. Ob dadurch der im Gesetzgebungsverfahren immer wieder beschworene „Genehmigungs-Turbo“ tatsächlich gezündet werden kann, muss sich jedoch im Praxistest beweisen. Denn ein zentraler Faktor für eine zügige Genehmigungserteilung sind stets die personellen Ressourcen der Genehmigungsbehörden. Diese zu gewährleisten wird eine permanente Herausforderung für die öffentliche Hand bleiben.