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Rechtsberatung

Die BImSchG-Novelle - ein Beschleunigungspaket für Erneuerbaren Energien?

Die Dauer und Kom­ple­xität von Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren sind ein oft ver­nom­me­ner Kri­tik­punkt bei der Rea­li­sie­rung von En­er­gie- und In­fra­struk­tur­pro­jek­ten. Mit der Über­ar­bei­tung des Bun­des-Im­mis­si­ons­schutz­ge­set­zes (BImSchG) sol­len nun Ver­fah­ren schnel­ler und unbüro­kra­ti­scher wer­den. Pro­fi­tie­ren sol­len hier­von ins­be­son­dere Wind­en­er­gie­pro­jekte, aber auch an­dere In­dus­trie­an­la­gen. Am 06.06.2024 wurde die No­velle im Bun­des­tag be­schlos­sen, der Bun­des­rat hat am 14.06.2024 zu­ge­stimmt. Das Ge­setz tritt am Tag nach sei­ner Verkündung im Bun­des­ge­setz­blatt in Kraft.

Das Bun­des-Im­mis­si­ons­schutz­ge­setz (BImSchG) mit sei­nen zahl­rei­chen flan­kie­ren­den Ver­ord­nun­gen sieht um­fas­sende Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren für in­dus­tri­elle An­la­gen ver­schie­dens­ter Art be­reit. Es be­trifft den in­dus­tri­el­len Kern der deut­schen Wirt­schaft (z. B. che­mi­sche In­dus­trie, Me­tall­ver­ar­bei­tung, Ma­schi­nen­bau) ge­nauso wie die wei­ten Be­rei­che der En­er­gie­er­zeu­gung oder der Ab­fall­ent­sor­gung. Die Kom­ple­xität und der Um­fang von Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren sind da­bei im We­sent­li­chen dem Um­stand ge­schul­det, dass diese Ver­fah­ren dem Schutz von Men­schen, Um­welt und Klima in ho­hem Maße Rech­nung tra­gen sol­len.

Aus die­sem Grund ist das Im­mis­si­ons­schutz­recht über die letz­ten Jahr­zehnte im­mer um­fang­rei­cher ge­wor­den. Die Re­gie­rungs­ko­ali­tion will die­sen ge­wach­se­nen Rechts­rah­men nun „zurück­schnei­den“ und ef­fi­zi­en­ter ge­stal­ten und hat sich nun auf eine Reihe von ein­zel­nen Maßnah­men im „Ge­setz zur Ver­bes­se­rung des Kli­ma­schut­zes beim Im­mis­si­ons­schutz, zur Be­schleu­ni­gung im­mis­si­ons­schutz­recht­li­cher Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren und zur Um­set­zung von EU-Recht“ verständigt.

Beschleunigung und Digitalisierung von Genehmigungsverfahren

Un­abhängig von der Art der zu ge­neh­mi­gen­den An­lage soll durch eine Reihe von An­pas­sun­gen künf­tig ein schnel­le­res und ef­fi­zi­en­te­res Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren gewähr­leis­tet wer­den.

  • Die Frist für die Ent­schei­dung über einen An­trag auf Er­tei­lung ei­ner BImSchG-Ge­neh­mi­gung (grundsätz­lich sie­ben Mo­nate) kann durch die Ge­neh­mi­gungs­behörde künf­tig nur noch ein­mal verlängert wer­den. An­sons­ten muss der An­trag­stel­ler ei­ner Verlänge­rung zu­stim­men (§ 10 Abs. 6a BImSchG).
  • Zur Be­schleu­ni­gung sol­len auch die Neu­re­ge­lun­gen über die Möglich­keit des sog. vor­zei­ti­gen Be­ginns ei­nes Vor­ha­bens (§ 8a Abs. 1 S. 2 und 3 BImSchG) die­nen. Dem­nach kann der Vor­ha­benträger be­reits vor Er­tei­lung der Ge­neh­mi­gung mit der Um­set­zung des Vor­ha­bens be­gin­nen, wenn er
    • ein öff­ent­li­ches bzw. be­rech­tig­tes In­ter­esse an dem vor­zei­ti­gen Be­ginn dar­legt,
    • er sich zur Wie­der­her­stel­lung und Er­satz von Schäden im Falle der Nicht­ge­neh­mi­gung ver­pflich­tet und
    • re­le­vante öff­ent­lich-recht­li­che Be­lange nicht ent­ge­gen­ste­hen.

Al­ler­dings be­trifft die Re­ge­lung nur Vor­ha­ben an einem be­reits be­ste­hen­den An­la­gen­stand­ort so­wie Fälle von Ände­rungs­anträgen zu be­ste­hen­den Ge­neh­mi­gun­gen.

  • Fer­ner soll die Di­gi­ta­li­sie­rung verstärkt Ein­zug in das Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren hal­ten. Hierzu sieht die No­velle Re­ge­lun­gen über die di­gi­tale An­trag­stel­lung (§ 10 Abs. 1, 4 BImSchG), den On­line-Erörte­rungs­ter­min (§ 10 Abs. 6 BImSchG) so­wie die öff­ent­li­che Be­kannt­ma­chung (§ 10 Abs. 3, 8 BImSchG) vor.
  • Wei­ter fin­den sich in der No­velle auch Re­ge­lun­gen über die Straf­fung der Behörden­be­tei­li­gung (§ 10 Abs. 5 BImSchG), die Vollständig­keits­fik­tion für den Frist­be­ginn (§ 7 Abs. 2 9. BIm­SchV) so­wie die Einführung ei­nes Pro­jekt­ma­na­gers als Ver­wal­tungs­hel­fer (§ 2a und § 2b 9. BIm­SchV). Be­mer­kens­wert ist hier die Möglich­keit der Ge­neh­mi­gungs­behörde, in je­der Stufe des Ver­fah­rens - mit Zu­stim­mung und auf Kos­ten des An­trags­stel­lers - einen ex­ter­nen Hel­fer mit der Vor­be­rei­tung und Durchführung von Ver­fah­rens­schrit­ten zu be­auf­tra­gen. Behörden mit an­ge­spann­ter Per­so­nal­si­tua­tion können sich so­mit ent­las­ten und un­ter Rück­griff auf einen Drit­ten eine Be­schleu­ni­gung und Ef­fi­zi­enz­stei­ge­rung im Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren er­zie­len.

Weitere Erleichterungen für den Ausbau der Onshore-Windenergie

Ob­wohl die No­velle sich grundsätz­lich an alle Ar­ten in­dus­tri­el­ler An­la­gen rich­tet, ist doch an ver­schie­de­nen Stel­len er­kenn­bar, dass der Ge­setz­ge­ber den Aus­bau der Er­neu­er­ba­ren En­er­gien be­son­ders be­schleu­ni­gen will. Deut­lich wird dies ins­be­son­dere hin­sicht­lich des Aus­baus der Ons­hore-Wind­en­er­gie:

  • Mit dem In­sti­tut des Vor­be­scheids nach § 9 BImSchG kann der An­trag­stel­ler ein­zelne Ge­neh­mi­gungs­vor­aus­set­zun­gen (z. B. die Berück­sich­ti­gung mi­litäri­scher Si­cher­heits­be­lange) her­auslösen und vorab klären las­sen, ohne be­reits ein vollständi­ges und kost­spie­li­ges Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren durch­lau­fen zu müssen. Der Er­halt ei­nes Vor­be­scheids wird in § 9 Abs. 1a BImSchG nun wei­ter be­schleu­nigt, so dass schnel­ler Pla­nungs­si­cher­heit für Wind­kraft­pro­jekte her­ge­stellt wer­den kann. Ob mit Blick auf die oft an­zu­tref­fende Per­so­nal­knapp­heit bei den Ge­neh­mi­gungs­behörden ein sol­ches vor­ge­schal­te­tes Ver­fah­ren auf Er­tei­lung ei­nes Vor­be­scheids aus Ef­fi­zi­enzgründen emp­feh­lens­wert ist, muss je­doch stets im Ein­zel­fall be­ur­teilt wer­den. Ein Vor­be­scheid wird ins­be­son­dere dann hilf­reich sein, wenn sich ein­zelne pro­jekt­spe­zi­fi­sche Fra­gen be­reits im Vor­feld als be­son­ders kri­ti­sch ab­zeich­nen.
  • Fer­ner wird das sog. Re­powering (d. h. der Er­satz älte­rer durch neue und leis­tungsstärkere Wind­en­er­gie­an­la­gen) durch eine Reihe von An­pas­sun­gen ver­ein­facht, u. a. mit dem Ver­zicht auf den Erörte­rungs­ter­min oder der Ermögli­chung schnel­le­rer Ty­penände­rung während lau­fen­der Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren (§ 16b BImSchG).

Fazit und Ausblick

Die Ge­set­zes­no­velle ist so­mit ein plau­si­bles Maßnah­men­pa­ket, das an un­ter­schied­li­chen Stell­schrau­ben des Ge­neh­mi­gungs­rechts an­setzt, um Ef­fi­zi­enz- und Be­schleu­ni­gungs­po­ten­tiale zu he­ben. Ob da­durch der im Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren im­mer wie­der be­schwo­rene „Ge­neh­mi­gungs-Turbo“ tatsäch­lich gezündet wer­den kann, muss sich je­doch im Pra­xis­test be­wei­sen. Denn ein zen­tra­ler Fak­tor für eine zügige Ge­neh­mi­gungs­er­tei­lung sind stets die per­so­nel­len Res­sour­cen der Ge­neh­mi­gungs­behörden. Diese zu gewähr­leis­ten wird eine per­ma­nente Her­aus­for­de­rung für die öff­ent­li­che Hand blei­ben.

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