Hintergründe der Novellierung
Anlass der Novellierung war das Urteil des BGH vom 10.01.2024 (Az. 6 StR 133/22), wonach der objektive Straftatbestand der Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) erfüllt sein kann, wenn Personen mit Vermögensbetreuungspflichten im Unternehmen (etwa deren Organe oder Prokuristen) unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot gemäß § 78 Satz 2 BetrVG einem Mitglied des Betriebsrats ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewähren.
Im Streitfall wurden Zahlungen an die freigestellten Betriebsräte veranlasst, die Zahlungen an die betriebsverfassungsrechtlich zutreffenden Vergleichsgruppen erheblich überstiegen. Als Rechtfertigung für die hypothetische Gehaltsentwicklung wurde - wie häufig in der Praxis - auf den Aufstieg im Betriebsrat als Sonderkarriere abgestellt. Eine solche ist laut BGH aber generell unbeachtlich und verstößt gegen das Begünstigungsverbot. Der BGH begründete seine Auffassung damit, dass die Betriebsratsmitglieder ihr Amt gemäß § 37 Abs. 1 BetrVG unentgeltlich als Ehrenamt führen, weswegen das Arbeitsentgelt während der Freistellung nach dem Lohnausfallprinzip fortzuzahlen ist, d. h. so, wie es ohne die Betriebsratstätigkeit zu beanspruchen gewesen wäre.
Gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.
Daneben ist die Regelung des § 78 S. 2 BetrVG zu beachten, wonach Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden dürfen; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung.
Inhalt und Umfang der Änderung
Die Novellierung sieht eine Ergänzung und Präzisierung der §§ 37 und 78 BetrVG in Klarstellung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor.
So wird nun in § 37 Abs. 4 BetrVG ergänzend geregelt, dass zur Bestimmung der mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbaren Arbeitnehmer nach Satz 1 grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen ist. Die von § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG vorgegebene Vergleichsgruppenbildung kann jedoch während der Amtszeit eines Betriebsratsmitglieds tatsächlichen Änderungen unterliegen, weshalb bei Vorliegen eines sachlichen Grundes auch eine Neubestimmung der Vergleichsgruppe möglich sein soll.
Zudem sollen die Betriebsparteien in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln können. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in der Betriebsvereinbarung soll künftig nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden können. Diese Regelungen sollen für die Betriebsparteien Anreize setzen, die Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern transparent im Voraus festzulegen.
Darüber hinaus wird § 78 BetrVG dahingehend konkretisiert, dass eine Begünstigung oder Benachteiligung im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vorliegt, wenn das Betriebsratsmitglied die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.
In der Rechtsprechung wurde bereits festgestellt, dass ein Betriebsratsmitglied, das nur infolge der Amtsübernahme oder Freistellung nicht in eine Position mit höherer Vergütung aufgestiegen ist, vom Arbeitgeber die Zahlung einer entsprechend höheren Vergütung durch Zuerkennung eines „fiktiven Beförderungsanspruchs“ verlangen kann. Dieser fiktive Beförderungsanspruch knüpft dabei stets an die Besetzung einer konkreten Stelle an.
In der Gesetzesbegründung wird nun klargestellt, dass der bloße Zuwachs an Kompetenzen, Kenntnissen und Fähigkeiten während der Ausübung des Amtes als Betriebsrat, für sich allein, ohne Bezug zu einer konkreten Stelle im Betrieb und deren Anforderungsprofil, jedoch keinen Anspruch nach § 78 Satz 2 BetrVG auf eine höhere Vergütung begründet.
Praxishinweise
Aufgrund der Strafbarkeitsrisiken sollten Arbeitgeber die Vergütung der Betriebsratsmitglieder, vor allem bei gehobenen Vergütungen, unter Berücksichtigung der vorgenannten Maßstäbe eingehend auf den Prüfstand stellen. Insbesondere ist dabei auf eine korrekte Vergleichsgruppenbildung bereits bei Amtsübernahme sowie den konkreten Stellenbezug bei der hypothetischen Karriereentwicklung zu achten. Sofern die Überprüfung ergibt, dass eine überhöhte Vergütung gewährt wird, sollte diese zumindest für die Zukunft entsprechend gekürzt werden.
In mitbestimmten Unternehmen dürfte es sich aus Transparenzgründen zudem anbieten, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, in einer Betriebsvereinbarung das Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer zu regeln. In diesem Fall wäre die Konkretisierung der Vergleichbarkeit nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfbar.