Der Sachverhalt:
Der Kläger bezieht seit Oktober 2003 wegen Berufsunfähigkeit Versorgungsleistungen aus der Bayerischen Ärzteversorgung (Versorgungswerk). Er war seit 1970 bis zu seiner Verrentung im Wesentlichen als angestellter Arzt, zeitweise auch freiberuflich tätig. In dieser Zeit hatte er Beiträge an das Versorgungswerk geleistet, davon während seiner Auslandstätigkeit in den 80er-Jahren und nachfolgend wegen Überschreitens der Altersgrenze als freiwilliges Mitglied. Ausweislich der Übersicht des Versorgungswerks lagen die Beiträge für neun Jahre (1985, 1987, 1995, 1997, 1998, 1999, 2000, 2001 und 2003) über dem Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung. Im Jahr 2003 waren es Einzahlungen i.H.v. insgesamt 52.676 €. Hiervon waren laut Überweisungsträger freiwillige Mehrzahlungen i.H.v. insgesamt 25.776 € für das Kalenderjahr 2002 bestimmt.
Das Versorgungswerk setzte als freiwillige Mehrzahlungen für 2002 einen Betrag von 23.711 € und für 2003 einen Betrag von 16.800 € fest. Es teilte dem Kläger mit, die Voraussetzungen der sog. Öffnungsklausel gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG seien nicht erfüllt, da er vor 2005 nur in neun Jahren Einzahlungen oberhalb des Höchstbeitrags geleistet habe. Die freiwilligen Mehrzahlungen für 2002 seien daher ebenfalls dem bereits berücksichtigten Zahlungsjahr 2003 zuzuordnen.
Das Finanzamt besteuerte die Versorgungsleistungen in den Streitjahren 2009, 2010 und 2012 mit ihrem Besteuerungsanteil gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst.aa EStG. Dagegen beantragte der Kläger die Anwendung der Öffnungsklausel auf die Versorgungsleistungen, da der Höchstbeitrag bei zutreffender Sichtweise zehn Jahre überschritten worden sei. Somit seien 22,11 % der Rente mit dem Ertragsanteil zu versteuern.
Das FG gab der Klage statt. Auf die Revision des Finanzamtes hob der BFH die Entscheidung auf und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung zurück.
Gründe:
Die Feststellungen des FG tragen nicht dessen Entscheidung, dass der Höchstbeitrag in dem für die Anwendung der Öffnungsklausel erforderlichen Umfang von (mindestens) zehn Jahren überschritten wurde.
Der vorliegende Fall, der dadurch gekennzeichnet ist, dass der Kläger zwar in rentenrechtlich zulässiger Weise Nachzahlungen für ein vorangegangenes Kalenderjahr leisten konnte, diese aber erst im nachfolgenden Zahlungsjahr rentenrechtlich wirksam wurden, ist bei der Prüfung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG mit der Konstellation einer Nachversicherung in die gesetzliche Rentenversicherung vergleichbar. Nach Sinn und Zweck der Öffnungsklausel sind diese Nachzahlungen bei der Ermittlung des Zehnjahreszeitraums ebenfalls als Beiträge des Jahres zu berücksichtigen, für das sie zulässigerweise geleistet wurden. Behandelt demnach das Versorgungswerk aufgrund seiner Satzungsbestimmungen einen Teil der freiwilligen Mehrzahlungen in einem Jahr - mit Ausnahme des Zeitpunkts der Rentenwirksamkeit - wie eine Nachversicherung für das vorherige Jahr, ähnelt dies - wirtschaftlich betrachtet - einer Verrentung nach dem Für- Prinzip. Jedenfalls ist es geboten, im Jahr 2002, für das in rentenrechtlich zulässiger und rentenerhöhender Weise freiwillige Zahlungen geleistet wurden, im Rahmen der Öffnungsklausel auch die Nachzahlungen zu berücksichtigen.
Ein Sonderausgabenabzug war für die vom Kläger für 2002 nachgezahlten freiwilligen Mehrzahlungen, die wie Pflichtbeiträge verrentet werden, somit nicht möglich. Er konnte sie im Jahr 2002 wegen des Abflussprinzips (§ 11 Abs. 2 Satz 1 EStG) steuerlich nicht geltend machen. In dem Zahlungsjahr haben sie sich wegen des bereits im Regelfall üblicherweise ausgeschöpften Höchstbetrags zur gesetzlichen Rentenversicherung ebenfalls steuerlich nicht ausgewirkt. Somit stammen die auf den für 2002 nachgezahlten freiwilligen Beiträgen beruhenden Renten aus versteuertem Einkommen.
Diese Auslegung eröffnet gerade nicht die Möglichkeit, missbräuchlich in den Geltungsbereich der Öffnungsklausel zu gelangen, da nur Zahlungen vor 2005 berücksichtigt werden können. Außerdem waren nach der Satzung des Versorgungswerks freiwillige Mehrzahlungen lediglich für ein abgelaufenes Kalenderjahr möglich. Die Feststellungen des FG tragen jedoch nicht dessen Entscheidung, dass der Höchstbeitrag nachweislich in dem für die Anwendung der Öffnungsklausel erforderlichen Umfang von (mindestens) zehn Jahren überschritten wurde.
Da der Senat anhand der vorliegenden Unterlagen nicht beurteilen kann, bezüglich welcher Jahre und in welcher Höhe Beitragsleistungen des Steuerpflichtigen an das Versorgungswerk den jeweils geltenden jährlichen Höchstbeitrag überschritten haben, war der Streitfall an das FG zur weiteren Sachaufklärung zurückzuverweisen. Soweit beim Versorgungswerk keine Bescheide über die Festsetzung von Beiträgen und freiwilligen Mehrzahlungen für die Jahre vor 2002 mehr vorhanden sind, könnte das FG zur Aufklärung des Sachverhalts den Steuerpflichtigen zur Vorlage der bei ihm vorhandenen Beitragsbescheide auffordern, die der Steuerpflichtige angesichts deren Bedeutung aufbewahrt haben dürfte. Seine Mitwirkung liegt im wohlverstandenen Eigeninteresse, zumal ihm der Nachweis obliegt, dass der Betrag des Höchstbeitrags mindestens zehn Jahre überschritten wurde.
Konnte der Steuerpflichtige in rentenrechtlich zulässiger Weise Nachzahlungen von Vorsorgebeiträgen für ein vorangegangenes Kalenderjahr leisten, die jedoch erst im Zahlungsjahr rentenrechtlich wirksam werden, sind diese Beiträge im Rahmen der Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG als Beiträge für das Jahr zu berücksichtigen, für das sie zulässigerweise geleistet wurden.