Organisatorische Eingliederung einer Aktiengesellschaft als Organgesellschaft
Der BFH nimmt in einem aktuellen Beschluss zu den Voraussetzungen der organisatorischen Eingliederung einer Aktiengesellschaft Stellung: Die personelle Verflechtung über Mitarbeiter des Organträgers genügt für die organisatorische Eingliederung nicht.
In seinem Beschluss vom 13.03.2024 (Az. V B 67/22) hatte der BFH zu klären, inwiefern zwei Mitarbeiter des potentiellen Organträgers als Vorstände einer Aktiengesellschaft deren organisatorische Eingliederung als Organgesellschaft in den Organträger begründen können. Das Finanzgericht hatte dies abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wurde nun vom BFH als unbegründet zurückgewiesen.
Hintergrund
Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt vor, wenn eine juristische Person (Organgesellschaft) nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen (Organträger) eingegliedert ist.
Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht und seinen Willen in der Organgesellschaft durchsetzen kann. Dabei setzt die organisatorische Eingliederung in aller Regel die personelle Verflechtung der Geschäftsführungen von Organträger und Organgesellschaft voraus.
Gemäß Urteil des BFH vom 20.08.2009 (Az. V R 30/06, BStBl. II 2010, S. 863) kann sich neben dem Regelfall der personellen Verflechtung der Geschäftsführungen die organisatorische Eingliederung auch daraus ergeben, dass (leitende) Mitarbeiter des Organträgers als Geschäftsführer der (GmbH-)Organgesellschaft tätig sind. Diesen Grundsatz hat die Finanzverwaltung in Abschn. 2.8 Abs. 9 Satz 1 UStAE übernommen, wobei nach Auffassung der Finanzverwaltung die organisatorische Eingliederung auch über nichtleitende Angestellte vermittelt werden kann.
Aktueller Beschluss des BFH
In dem Streitfall waren Mitarbeiter des Anteilseigners einer Aktiengesellschaft zu deren Vorständen berufen.
In dem vorliegenden Beschluss führt der BFH zunächst aus, dass es auch unter Berücksichtigung aktueller EuGH-Rechtsprechung weiterhin der organisatorischen Eingliederung mit Durchgriffsrechten zur Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft bedarf.
Zudem seien die für GmbHs als Organgesellschaften durch den BFH unter Berücksichtigung der nach dem Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) bestehenden Besonderheiten für die organisatorische Eingliederung einer GmbH bei teilweiser personeller Verflechtung aufgestellten Grundsätze nicht auf Aktiengesellschaften als Organgesellschaften übertragbar.
Denn die organisatorische Eingliederung durch personelle Verflechtung über leitende Mitarbeiter des Organträgers bedingt im Kontext der Organ-GmbH ‑ ebenso wie bei einer personellen Verflechtung über einen Geschäftsführer des Organträgers ‑ die gesellschaftsrechtlich abgesicherte Durchsetzbarkeit der Weisungsrechte gegenüber dem Leitungsorgan der Organgesellschaft. Darüber hinaus muss als weitere Voraussetzung das Recht bestehen, dieses Leitungsorgan - gesellschaftsrechtlich - bei weisungswidrigem Verhalten abberufen zu können. Diese Rechte müssen nebeneinander bestehen und nur ein bestehendes, gesellschaftsrechtlich abgesichertes Recht könne nicht das andere ersetzen.
Bei einer Aktiengesellschaft leitet aber nach § 76 Abs. 1 AktG das für die Geschäftsführung zuständige Organ - anders als bei einer GmbH - die Geschäfte unter eigener Verantwortung und ist dementsprechend weisungsfrei.
Dass daneben der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft den Vorstand bestellt und - unter anderem auch aufgrund eines Vertrauensentzugs der Hauptversammlung ‑ abberuft (§ 84 AktG) sowie die Geschäftsführung zu überwachen hat (§ 111 AktG), verschaffte dem Aktionär als Gesellschafter der Aktiengesellschaft keine wie bei einer GmbH bestehenden gesellschaftsrechtlichen Weisungsbefugnisse gegenüber dem Vorstand. Anders als bei einer GmbH ist also der Gesellschafter einer Aktiengesellschaft nicht in der Lage, seinen Willen in der laufenden Geschäftsführung durchzusetzen.
Nach Auffassung des BFH waren die durch den Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen nicht klärungsbedürftig und die Beschwerde wurde daher insgesamt als unbegründet zurückgewiesen.
Was bedeutet der Beschluss für Sie in der Praxis?
Generell sollte der Beschluss keine unmittelbare Ausstrahlwirkung auf bestehende Organschaften haben. Vielmehr bestätigt der BFH nur, dass die Rechtsprechung zur organisatorischen Eingliederung von GmbHs nicht auf Aktiengesellschaften oder andere vergleichbare Rechtformen übertragbar ist.
Regelmäßig erfordert hier die organisatorische Eingliederung die Personenidentität der Leitungsgremien.
Soweit in der Literatur teilweise die Meinung vertreten wurde, dass die organisatorische Eingliederung einer Aktiengesellschaft auch über leitende Angestellte des Organträgers im Vorstand der Aktiengesellschaft begründet werden kann, ist dies nach dem nun vorliegenden Beschluss fraglich.
Soweit Organschaften mit Aktiengesellschaften als Organgesellschaft bestehen, sollte der Beschluss zum Anlass genommen werden, das Vorliegen der Eingliederungsvoraussetzungen, insb. der organisatorischen Eingliederung, zu überprüfen.
Falls nicht andere Gründe dagegen sprechen, ist über Beherrschungsverträge oder die Herbeiführung einer direkten Personenidentität der Geschäftsleitungsorgane nachzudenken.
Zu bedenken ist ebenfalls, dass aufgrund der anhängigen EuGH-Verfahren die Überprüfung von bisher erklärten Organschaften stärker in den Fokus der Finanzverwaltung rücken könnte (z. B. BFH-Beschluss vom 26.01.2023, Az. V R 20/22 (V R 40/19), anhängig unter Rs. Finanzamt T II, C-184/23).