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Steuerberatung

Organschaft: Zur wirtschaftlichen Eingliederung im Umsatzsteuerrecht

BFH v. 13.11.2019 - V R 30/18

Zu ei­ner wirt­schaft­li­chen Ein­glie­de­rung durch Dar­le­hen kann es nur kom­men, wenn diese im Rah­men ei­nes Un­ter­neh­mens gewährt wer­den. Dar­le­hen durch ent­gelt­li­ches Ste­hen­las­sen von An­sprüchen rei­chen nicht. Hat der Mehr­heits­ge­sell­schaf­ter die Umsätze der Toch­ter­ge­sell­schaft für das FA er­kenn­bar in sei­ner Steu­er­an­mel­dung er­fasst, ob­wohl die Vor­aus­set­zun­gen für eine Or­gan­schaft nicht ge­ge­ben sind, be­ginnt die Fest­set­zungs­frist bei der Toch­ter­ge­sell­schaft gem. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ab­lauf des Ka­len­der­jahrs, in dem der Mehr­heits­ge­sell­schaf­ter die Steu­er­an­mel­dung ab­ge­ge­ben hat.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist eine GmbH. Ihr Un­ter­neh­mens­ge­gen­stand war die Pro­duk­tion von Funk­wer­be­spots, die Syn­chro­ni­sa­tion oder Ver­to­nung von Film- und Vi­deo­ma­te­rial so­wie die Mu­sik­pro­duk­tion von Tonträgern. Un­ter­neh­mens­ge­gen­stand der M-GmbH war der Han­del mit so­wie die Ver­mie­tung von elek­tro­ni­schen und elek­tro­tech­ni­schen Geräten al­ler Art und die Be­tei­li­gung an an­de­ren Un­ter­neh­men al­ler Art so­wie das Hal­ten und Ver­wal­ten sol­cher Be­tei­li­gun­gen. Die M-GmbH hielt zunächst 80 % und seit 2.8.2007 alle Ge­sell­schafts­an­teile an der Kläge­rin. Am 18.6.2003 hat­ten die Kläge­rin und die M-GmbH einen Be­herr­schungs- und Ge­winn­abführungs­ver­trag ab­ge­schlos­sen. Das Fi­nanz­amt ging für die Streit­jahre 2006 bis 2009 zunächst da­von aus, dass die Kläge­rin als Or­gan­ge­sell­schaft in die M-GmbH als Or­ganträger ein­ge­glie­dert sei.

Mit Ver­ein­ba­rung vom 1.7.2007 ver­pflich­te­ten sich die Kläge­rin, die M-GmbH, die P-GmbH und die PM-GmbH, un­ter­ein­an­der im Wege von Bu­chun­gen auf Ver­rech­nungs­kon­ten Dar­le­hen zu gewähren, und zwar zu einem Zins­satz von 2 % p.a. über dem je­weils gülti­gen Ba­sis­zins­satz. Die der Kläge­rin von der M-GmbH gewähr­ten Dar­le­hen setz­ten sich aus von der Kläge­rin ge­genüber der M-GmbH ge­schul­de­ten, aber nicht ge­leis­te­ten Um­satz­steu­er­zah­lun­gen so­wie aus von der Kläge­rin an die M-GmbH nicht aus­ge­zahl­ten Ge­winn­abführun­gen zu­sam­men. Zu­dem über­nah­men die M-GmbH so­wie ihr Ge­schäftsführer meh­rere Bürg­schaf­ten für Bank­dar­le­hen der Kläge­rin. Für die Bürg­schaf­ten wurde keine Vergütung ver­ein­bart.

Die Kläge­rin veräußerte Ge­genstände ih­res An­la­ge­vermögens mit Rech­nung vom 4.12.2006 für 242.200 € an die MD-GmbH. Fer­ner veräußerte sie wei­tere Ge­genstände ih­res An­la­ge­vermögens mit Rech­nung vom 6.12.2006 für 27.500 € an die GG-GmbH. Die bei­den Un­ter­neh­men veräußer­ten diese Ge­genstände an die M-GmbH, die sie mit Rech­nung vom 21.12.2006 an die L-GmbH & Co. KG wei­ter­veräußerte. Die L-GmbH & Co. KG ver­leaste diese Ge­genstände wie­derum an die Kläge­rin zurück.

Nach ei­ner Außenprüfung zur Um­satz­steuer 2006 bis 2009 ging der Prüfer da­von aus, dass es für die bis da­hin an­ge­nom­mene Or­gan­schaft an der wirt­schaft­li­chen Ein­glie­de­rung fehle. Mit Be­schluss vom 23.4.2014 wurde das In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen der M-GmbH eröff­net. Im An­schluss an die Außenprüfung setzte das Fi­nanz­amt die Um­satz­steuer für die Streit­jahre erst­ma­lig fest, da man­gels wirt­schaft­li­cher Ein­glie­de­rung keine Or­gan­schaft zur M-GmbH be­stan­den habe. Eine im Juni 2015 für die Kläge­rin an­ge­ord­nete vorläufige In­sol­venz­ver­wal­tung wurde noch im glei­chen Mo­nat wie­der auf­ge­ho­ben.

Das FG wies die ge­gen den Um­satz­steu­er­be­scheid ge­rich­tete Klage ab. Auch die Re­vi­sion der Kläge­rin vor dem BFH blieb er­folg­los.

Gründe:
Das FG hat die Or­gan­schaft man­gels wirt­schaft­li­cher Ein­glie­de­rung zu­tref­fend ver­neint. Die Be­scheide sind auch vor Ein­tritt der Fest­set­zungs­verjährung er­gan­gen.

Zu ei­ner wirt­schaft­li­chen Ein­glie­de­rung durch Dar­le­hen kann es nur kom­men, wenn diese im Rah­men ei­nes Un­ter­neh­mens gewährt wer­den, woran es im Streit­fall fehlte. Im Streit­fall ver­mochte da­nach die Dar­le­hens­gewährung durch das ent­gelt­li­che Ste­hen­las­sen von An­sprüchen keine wirt­schaft­li­che Ein­glie­de­rung durch eine Ver­flech­tung der Un­ter­neh­mens­be­rei­che von Mut­ter- und Toch­ter­ge­sell­schaf­ten zu begründen. Es han­delte sich viel­mehr um eine Dar­le­hens­gewährung zwi­schen zwei Per­so­nen ohne Leis­tungs­an­ge­bot am all­ge­mei­nen Markt. Es lag un­ter Berück­sich­ti­gung der Kri­te­rien der EuGH-Recht­spre­chung auch kein an­der­wei­ti­ger Zu­sam­men­hang zu ei­ner un­ter­neh­me­ri­schen Tätig­keit i.S. ei­ner un­mit­tel­ba­ren, dau­er­haf­ten und not­wen­di­gen Er­wei­te­rung ei­ner steu­er­ba­ren Tätig­keit vor. Die Kre­dit­gewährung spielte sich le­dig­lich im Verhält­nis von Ge­sell­schaf­ter und Ge­sell­schaft ab. Auf die vom FG an­ge­stellte Verhält­nis­rech­nung von Zin­sen und Umsätzen kam es da­her nicht an.

Auch die Über­nahme der Bürg­schaf­ten begründete nicht die für die wirt­schaft­li­che Ein­glie­de­rung er­for­der­li­che Ver­flech­tung der Un­ter­neh­mens­be­rei­che von Or­ganträger und Or­gan­ge­sell­schaft. Hier­ge­gen sprach ins­be­son­dere die Un­ent­gelt­lich­keit die­ser Leis­tun­gen. Ein über die bloße Ge­sell­schaf­ter­stel­lung hin­aus­ge­hen­des Un­ter­neh­mens­in­ter­esse an dem Ein­ge­hen von Bürg­schaf­ten zu­guns­ten der Kläge­rin ist nicht er­sicht­lich. Wei­ter er­gab sich eine Ver­flech­tung der Un­ter­neh­mens­be­rei­che von M-GmbH und Kläge­rin auch nicht aus den Sale-and-lease-back-Ge­schäften. Ge­gen eine sich hier­aus fol­gende Ver­flech­tung sprach be­reits, dass das Feh­len un­mit­tel­ba­rer Ver­trags­be­zie­hun­gen zeigt, dass diese Ge­schäfte mit be­lie­bi­gen Drit­ten ab­ge­schlos­sen wer­den konn­ten und an­ders als z.B. eine Grundstücks­ver­mie­tung we­der be­son­dere Be­deu­tung für die M-GmbH noch für die Kläge­rin hat­ten.

Die an­ge­foch­te­nen Steu­er­be­scheide sind auch vor Ein­tritt der Fest­set­zungs­verjährung er­gan­gen. Denn hat der Mehr­heits­ge­sell­schaf­ter die Umsätze der Toch­ter­ge­sell­schaft für das Fi­nanz­amt er­kenn­bar in sei­ner Steu­er­an­mel­dung er­fasst, ob­wohl die Vor­aus­set­zun­gen für eine Or­gan­schaft nicht ge­ge­ben sind, be­ginnt die Fest­set­zungs­frist bei der Toch­ter­ge­sell­schaft gem. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ab­lauf des Ka­len­der­jahrs, in dem der Mehr­heits­ge­sell­schaf­ter die Steu­er­an­mel­dung ab­ge­ge­ben hat.
 

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