Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GbR. Sie verpachtete ein im Gesamthandsvermögen befindliches Grundstück an die in Deutschland ansässige H-GmbH, die im Maschinen- und Anlagenbau (nachfolgend auch: Produktion) tätig war. Gesellschafter der Klägerin sind die Eheleute P und R zu je 50 %. P hielt außerdem 53,33 % der Anteile an der H-GmbH und R 46,67 % der Anteile. Die Anteile des P und der R an der H-GmbH waren ertragsteuerrechtlich bei der Klägerin als (notwendiges) Sonderbetriebsvermögen bilanziert. Geschäftsführer der H-GmbH waren P (als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer) sowie W und H, jeweils gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer oder Gesamtprokuristen.
Die Klägerin sowie das Finanzamt gingen (vor Ergehen der BFH-Urteile v. 22.4.2010 - V R 9/09, und v. 1.12.2010 - XI R 43/08) übereinstimmend davon aus, dass zwischen der Klägerin und der H-GmbH eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft bestehe. Sie rechneten daher übereinstimmend die Umsätze der H-GmbH der Klägerin zu und gingen davon aus, dass die Verpachtung des Betriebsgrundstücks ein nicht steuerbarer Innenumsatz sei.
Mit notariellem Vertrag vom 17.2.2005 erwarb ein Dritter einen unselbständigen Teil des einheitlichen Produktionsunternehmens. Übertragungsstichtag war der 1.4.2005. Der Kaufpreis für die Geschäftsanteile an der H-Beteiligungs-GmbH und das Betriebsgrundstück betrug 20 Mio. €. Der auf das Betriebsgrundstück entfallende Kaufpreisanteil von 5 Mio. € war fällig, der übrige Betrag fünf Tage nach Eintritt der aufschiebenden Bedingungen. Mit Wirkung zum 18.2.2005 wurde die H-GmbH formwechselnd in die H-GmbH & Co. KG umgewandelt und später umbenannt. Die Eintragung der formwechselnden Umwandlung erfolgte am 22.3.2005.
In ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Streitjahr 2005 errechnete die Klägerin (unter Einbeziehung der ihr noch zuzurechnenden Umsätze der H-GmbH infolge der angenommenen Organschaft) eine festzusetzende Umsatzsteuer von 192.000 €; es ergab sich ein Erstattungsanspruch. Nach einer Außenprüfung bei der Klägerin vertrat der Prüfer die Auffassung, dass der Verkauf des Betriebsgrundstücks mangels Option nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei sei. Er löse eine Vorsteuerberichtigung gem. § 15a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 6 UStG in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung (UStG a.F.) i.H.v. 243.047 € aus, da innerhalb des Zehn-Jahres-Zeitraums (01.04.1995 bis 01.04.2005) nachträgliche Anschaffungs- und Herstellungskosten für das Betriebsgebäude angefallen seien. Die Klägerin habe insoweit den Vorsteuerabzug geltend gemacht und erhalten.
Eine Geschäftsveräußerung liege nicht vor; es habe nur die Einzelveräußerung eines Grundstücks stattgefunden. Die von der Klägerin gehaltenen Anteile seien an einen anderen Erwerber verkauft worden. Dem stehe die zwischen der Klägerin und der H-GmbH bestehende Organschaft nicht entgegen; denn diese sei mit der Beendigung der personellen Verflechtung, spätestens mit dem Verkauf der Anteile an der H-Beteiligungs-GmbH, entfallen. Eine nachträgliche Option sei ebenfalls nicht möglich.
Das Finanzamt folgte der Rechtsauffassung des Prüfers im Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für das Streitjahr. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH allerdings die Entscheidung auf und gab der Klage statt.
Gründe:
Es war keine Berichtigung des Vorsteuerabzugs vorzunehmen.
Für die Frage, ob eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs vorzunehmen ist, ist entscheidungserheblich, ob die Übertragung des Betriebsgrundstücks eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG ist. Im Streitfall fand § 15a UStG a.F. Anwendung; denn der zum 1.1.2005 in Kraft getretene § 15a UStG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (BGBl I 2004, 3310) ist gem. § 27 Abs. 11 UStG nur auf Vorsteuerbeträge anzuwenden, deren zugrunde liegende Umsätze erst nach dem 31.12.2004 ausgeführt wurden. Hieran fehlte es hier allerdings, da die Klägerin die Eingangsleistungen zur Errichtung des Geschäftshauses in den Jahren 1999 bis 2003 bezogen hatte. Bei einer Geschäftsveräußerung wird nach § 15a Abs. 6a Satz 1 UStG a.F. (jetzt: § 15a Abs. 10 UStG) der für das Wirtschaftsgut maßgebliche Berichtigungszeitraum nicht unterbrochen. Dadurch werden Geschäftsveräußerungen i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG von einer Berichtigung nach § 15a UStG ausgenommen.
Zu Unrecht hat das FG die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung verneint; denn in Bezug auf das Produktionsunternehmen der Steuerpflichtigen liegt eine vertraglich vereinbarte, nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vor, obwohl keine Gesamtbetrachtung (i.S. eines "Gesamtplans") anzustellen ist. Voraussetzung für das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung ist gem. § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird.
Der Tatbestand der Geschäftsveräußerung erfasst die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Übertragen werden muss ein Gesamt oder "Teilvermögen". Bei Letzterem handelt es sich um einen autonomen unionsrechtlichen Begriff, der eine einheitliche Auslegung finden muss, um eine unterschiedliche Anwendung der Mehrwertsteuerregelung in den Mitgliedstaaten zu verhindern. Der Erwerber muss außerdem beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben; nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit. Der Erwerber darf aber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb z.B. aus betriebswirtschaftlichen oder kaufmännischen Gründen in seinem Zuschnitt ändern oder modernisieren. Auch der Name des Unternehmens darf geändert werden.
Im vorliegenden Fall hatte die Erwerberin die unternehmerische Tätigkeit der Klägerin fortgeführt. Dass zwischen dem schuldrechtlichen Abschluss des Vertrags vom 17.2.2005 und der Lieferung des Grundstücks am 2.4.2005 die Organschaft endete, änderte an dieser Beurteilung nichts. Rechtsfolge des Wegfalls der Organschaft war zwar, dass die Steuerpflichtige bei Lieferung des Grundstücks am 2.4.2005 nicht mehr mit Hilfe der Erwerberin ein Produktionsunternehmen betrieb, die Umsätze der Erwerberin nicht mehr der Steuerpflichtigen zuzurechnen waren und die Lieferung des Grundstücks kein Innenumsatz mehr war. Die Erwerberin (oder die neue Organträgerin der Erwerberin) war aber an diesem Tag selbständige Unternehmerin. Sie führte daher spätestens seit dem 1.4.2005 das Produktionsunternehmen tatsächlich fort. Dass die Fortführung des Produktionsunternehmens durch die Erwerberin vor der Übertragung des Grundstücks erfolgt war, so dass bei Übertragung die Produktionstätigkeit der Steuerpflichtigen schon beendet war, blieb für die Fortführung unschädlich.
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