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Pflegeleistungen durch Mitglieder eines Vereins können von der Umsatzsteuer befreit sein

BFH 18.8.2015, V R 13/14

Pfle­ge­leis­tun­gen sind un­ter Be­ru­fung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwSt­Sys­tRL steu­er­frei. Vor­aus­set­zung ist, dass die Pfle­ge­kraft die Möglich­keit hat, Verträge nach § 77 Abs. 1 S. 1 SGB XI mit Pfle­ge­kas­sen ab­zu­schließen.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin war Mit­glied ei­nes ein­ge­tra­ge­nen Ver­eins, für den sie im Rah­men des sog. "B-Mo­dells" Pfle­ge­leis­tun­gen er­brachte. Im Rah­men die­ses Mo­dells schloss der Ver­ein Verträge mit pfle­ge­bedürf­ti­gen Per­so­nen und Pfle­ge­kas­sen. Die Kläge­rin war für den Ver­ein als Pfle­ge­hel­fe­rin tätig, ohne über eine Aus­bil­dung als Kran­ken- oder Al­ten­pfle­ge­rin zu verfügen. Pfle­ge­hel­fer wie die Kläge­rin schlos­sen mit dem Ver­ein Qua­litätsver­ein­ba­run­gen ab und wur­den so zu sog. ak­ti­ven Ver­eins­mit­glie­dern.

Die Kläge­rin war für den Ver­ein in zwei "Teams" tätig. Nach Auf­stel­lun­gen des Ver­eins wur­den die Kos­ten der Leis­tun­gen des "Teams II" in 2007 zu 96 Pro­zent und in 2008 zu 82 Pro­zent von den Pfle­ge­kas­sen ge­tra­gen. Für einen wei­te­ren Ver­ein er­brachte die Kläge­rin eben­falls Pfle­getätig­kei­ten. Das Fi­nanz­amt stufte die Leis­tun­gen der Kläge­rin ge­genüber den Ver­ei­nen als um­satz­steu­er­pflich­tig ein. Es er­ließ dar­auf­hin erst­ma­lige Um­satz­steu­er­be­scheide für beide Streit­jahre, in de­nen es auch einen sich aus der Steu­er­pflicht er­ge­ben­den Vor­steu­er­ab­zug so­wie eine pri­vate Wert­ab­gabe berück­sich­tigte.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das FG hat die Leis­tun­gen der Kläge­rin zu Recht und un­ter Be­ru­fung auf das EU-Recht als steu­er­frei an­ge­se­hen.

Die Pfle­ge­leis­tun­gen der Kläge­rin sind zwar nicht nach § 4 Nr. 16 Buchst. d und e UStG a.F. steu­er­frei. Da es sich bei die­sen Vor­schrif­ten um ab­schließend spe­zi­elle Steu­er­be­frei­un­gen für Pfle­ge­leis­tun­gen han­delt, kommt eine ergänzende An­wen­dung von § 4 Nr. 18 UStG nicht in Be­tracht. Die Kläge­rin kann sich für die Steu­er­frei­heit ih­rer Leis­tun­gen je­doch auf die wei­ter­ge­hen­den Steu­er­be­frei­ungs­tat­bestände des Uni­ons­rechts be­ru­fen, die das na­tio­nale Recht nur un­genügend um­ge­setzt hat.

Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwSt­Sys­tRL be­freien die Mit­glied­staa­ten eng mit der So­zi­alfürsorge und der so­zia­len Si­cher­heit ver­bun­dene Dienst­leis­tun­gen und Lie­fe­run­gen von Ge­genständen, ein­schließlich der­je­ni­gen, die durch Al­ten­heime, Ein­rich­tun­gen des öff­ent­li­chen Rechts oder an­dere von dem be­tref­fen­den Mit­glied­staat als Ein­rich­tun­gen mit so­zia­lem Cha­rak­ter an­er­kannte Ein­rich­tun­gen be­wirkt wer­den.

In Be­zug auf Pfle­ge­leis­tun­gen durch an­dere Un­ter­neh­mer als Ein­rich­tun­gen des öff­ent­li­chen Rechts knüpft diese Be­stim­mung an leis­tungs- wie auch an per­so­nen­be­zo­gene Vor­aus­set­zun­gen an: Es muss sich um eng mit der So­zi­alfürsorge und der so­zia­len Si­cher­heit ver­bun­dene Dienst­leis­tun­gen han­deln, der leis­tende Un­ter­neh­mer muss als Ein­rich­tung mit so­zia­lem Cha­rak­ter an­er­kannt sein. Diese Vor­aus­set­zun­gen sind vor­lie­gend ge­ge­ben.

Für die nach dem Uni­ons­recht er­for­der­li­che An­er­ken­nung reicht es aus, dass für die Kläge­rin die Möglich­keit be­stand, Leis­tun­gen nach § 77 Abs. 1 S. 1 SGB XI an Pfle­ge­kas­sen er­brin­gen zu können. Zu berück­sich­ti­gen war fer­ner auch der ge­richts­be­kannte Pfle­ge­not­stand und das sich hier­aus er­ge­bende hohe Ge­mein­woh­lin­ter­esse, das an der Er­brin­gung steu­er­freier Pfle­ge­leis­tun­gen be­steht.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dun­gen ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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