Der Sachverhalt:
Die Klägerin war Mitglied eines eingetragenen Vereins, für den sie im Rahmen des sog. "B-Modells" Pflegeleistungen erbrachte. Im Rahmen dieses Modells schloss der Verein Verträge mit pflegebedürftigen Personen und Pflegekassen. Die Klägerin war für den Verein als Pflegehelferin tätig, ohne über eine Ausbildung als Kranken- oder Altenpflegerin zu verfügen. Pflegehelfer wie die Klägerin schlossen mit dem Verein Qualitätsvereinbarungen ab und wurden so zu sog. aktiven Vereinsmitgliedern.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat die Leistungen der Klägerin zu Recht und unter Berufung auf das EU-Recht als steuerfrei angesehen.
Die Pflegeleistungen der Klägerin sind zwar nicht nach § 4 Nr. 16 Buchst. d und e UStG a.F. steuerfrei. Da es sich bei diesen Vorschriften um abschließend spezielle Steuerbefreiungen für Pflegeleistungen handelt, kommt eine ergänzende Anwendung von § 4 Nr. 18 UStG nicht in Betracht. Die Klägerin kann sich für die Steuerfreiheit ihrer Leistungen jedoch auf die weitergehenden Steuerbefreiungstatbestände des Unionsrechts berufen, die das nationale Recht nur ungenügend umgesetzt hat.
Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden.
In Bezug auf Pflegeleistungen durch andere Unternehmer als Einrichtungen des öffentlichen Rechts knüpft diese Bestimmung an leistungs- wie auch an personenbezogene Voraussetzungen an: Es muss sich um eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen handeln, der leistende Unternehmer muss als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt sein. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Für die nach dem Unionsrecht erforderliche Anerkennung reicht es aus, dass für die Klägerin die Möglichkeit bestand, Leistungen nach § 77 Abs. 1 S. 1 SGB XI an Pflegekassen erbringen zu können. Zu berücksichtigen war ferner auch der gerichtsbekannte Pflegenotstand und das sich hieraus ergebende hohe Gemeinwohlinteresse, das an der Erbringung steuerfreier Pflegeleistungen besteht.
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