Der Sachverhalt:
Ausweislich eines notariellen Testaments war der Kläger unter I. als Alleinerbe des Erblassers eingesetzt. Darüber hinaus setzte der Erblasser unter II. zugunsten mehrerer Personen, darunter auch zugunsten des Klägers, Vermächtnisse aus, die die begünstigten Personen nach Berücksichtigung der Vermächtnisse und Ausgaben gem. Ziffern III, IV und V vom verbleibenden Nettonachlass erhalten sollten. Auf den Kläger sollte ein Anteil von 5,5 % entfallen. Die unter II. angeordneten Vermächtnisse waren "erst fällig nach vollständiger Veräußerung des Immobilienbesitzes".
Das Finanzamt ging davon aus, dass ein Erwerb durch Erbanfall i.H.v. 0 € und ein Erwerb durch Vermächtnis anzusetzen sei. Ein Erwerb durch Erbanfall i.H.v. 0 € ergab sich deshalb, weil der Beklagte den Gesamtwert der Nachlassgegenstände um den aufgrund der Veräußerung des Grundbesitzes erzielten Mehrwert erhöhte. Der Kläger macht demgegenüber geltend, dass für die Ermittlung des Erwerbs durch Erbanfall der Grundbesitz lediglich mit den festgestellten Grundbesitzwerten anzusetzen sei. Danach ergebe sich für den Erwerb durch Erbanfall ein negativer Wert, der mit dem Wert des Erwerbs durch Vermächtnis zu saldieren sei.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BFH wurde zur Fortbildung des Rechts zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt ist zutreffend davon ausgegangen, dass vorliegend zwei eigenständige Erwerbe eingetreten sind, wobei der negative Erwerb als Erbe nicht mit dem positiven Erwerb als Vermächtnisberechtigter saldiert werden darf, § 14 Abs. 1 S. 5 ErbStG.
Bereits zivilrechtlich handelt es sich um zwei eigenständige Erwerbstatbestände. Gem. § 1922 BGB ist der Kläger infolge der Erbeinsetzung Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers geworden, dessen Vermögen als Ganzes auf ihn übergegangen ist. Als Vermächtnisnehmer hat er einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Nachlass auf Auskehrung von Geld in der in II. des Testaments bezifferten Höhe erhalten, § 2174 BGB. Grundsätzlich fallen sowohl die Erbschaft als auch das Vermächtnis mit dem Tod des Erblassers an.
Dabei kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob das dem Kläger zustehende Vermächtnis gem. § 2177 BGB aufschiebend bedingt oder unter der Bestimmung eines Anfangstermins angeordnet und deshalb erst mit Eintritt der Bedingung bzw. des Termins angefallen ist. Denn für Zwecke der Erbschaftsteuer gilt, dass verschiedene Steuerentstehungszeitpunkte zu selbständigen Erwerbsvorgängen führen, für die grundsätzlich jeweils gesondert Erbschaftsteuer unter Berücksichtigung des § 14 ErbStG festzusetzen ist.
Demnach liegen hier zwei Erwerbsvorgänge vor. Der Kläger ist Erbe geworden. Maßgeblich ist insoweit gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Todestag des Erblassers. Darüber hinaus ist der Kläger nach dem eindeutigen, nicht auslegbaren Wortlaut des Testaments Vermächtnisnehmer geworden. Hierbei handelt es sich um einen aufschiebend betagten Erwerb, da die Fälligkeit des Vermächtnisses durch ein ungewisses Ereignis - nämlich die vollständige Veräußerung des Grundbesitzes - hinausgeschoben war.
Insofern liegt ein Fall des § 9 Abs. 1 Nr. 1a 1. Halbs. ErbStG vor. Denn der Erwerb an sich - das Vermächtnis - ist von einem ungewissen künftigen Ereignis abhängig. § 9 Abs. 1 Nr. 1a 2. Halbs. ErbStG bezieht sich demgegenüber nur auf einzelne, zu einem Erwerb gehörige Erwerbsgegenstände. Diese Konstellation liegt hier allerdings nicht vor.
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