Für die Unternehmer stellt sich die Frage, was sich im Steuer-, Sozialversicherungs- und Aufenthaltsrecht Post-Brexit verändert hat.
Steuerrecht
Die gute Nachricht: Aus steuerrechtlicher Sicht ändert sich bei der Beschäftigung britischer Arbeitnehmer in Deutschland durch den Brexit nichts. Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich blieb vom Brexit unberührt. Die bereits bekannten Regelungen gelten fort: Wird ein britischer Staatsangehöriger im deutschen Unternehmen beschäftigt, hat Deutschland das Besteuerungsrecht, wenn
- der Aufenthalt in Deutschland mehr als 183 Tage innerhalb eines Zwölfmonatszeitraums andauert,
- der wirtschaftliche Arbeitgeber in Deutschland ist oder
- hier eine Betriebsstätte besteht.
Weiterhin Anwendung findet auch der Fremdvergleichsgrundsatz, d. h. Transaktionen zwischen Verbundunternehmen sind wie unter fremden Dritten zu verrechnen.
Sozialversicherungsrecht
In sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht ist zwischen Bestands- und Neufällen zu unterscheiden. Bestandsfälle sind solche, die bereits vor dem 31.12.2020 einen grenzüberschreitenden Bezug aufwiesen. Neufälle sind demgegenüber solche, bei denen vor dem 31.12.2020 kein grenzüberschreitender Bezug bestand.
In Bestandsfällen findet die EU-Verordnung (VO 883/2004) weiterhin Anwendung. Es sollten jedoch die bestehenden A1-Bescheinigungen verlängert werden, da diese in der Regel nur bis zum 31.12.2020 gültig waren.
In Neufällen sind die Regelungen des Handels- und Kooperationsabkommens, die im Wesentlichen der EU-Verordnung (VO 883/2004) entnommen wurden, zu beachten. Es gilt daher grds. das Prinzip „pay where you work“. Danach fällt Sozialversicherung jeweils im Tätigkeitsstaat an. Beschäftigt also ein deutsches Unternehmen in Deutschland britische Arbeitnehmer, unterliegen diese der deutschen Sozialversicherungspflicht.
Auch die Ausnahmen bei Entsendungen und Mehrstaatentätigkeiten sind inhaltsgleich mit den bisherigen EU-Verordnungen. Allerdings enthält das Handels- und Kooperationsabkommen keine Rechtsgrundlage zum Abschluss von Ausnahmevereinbarungen, das bedeutet, dass Auslandseinsätze, die von den im Abkommen geregelten Ausnahmen für Entsendungen und Mehrstaatentätigkeiten abweichen, so zu behandeln sind wie Auslandseinsätze in das vertragslose Ausland. Sind die Voraussetzungen einer Entsendung also nicht erfüllt (z. B. wegen Überschreitens der 24 Monate oder wegen des Ablösens einer zuvor entsandten Person), gelten die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates. Bei einer Beschäftigung britischer Staatsangehöriger in einem deutschen Unternehmen ist demzufolge das deutsche Sozialversicherungsrecht zu beachten.
Aufenthaltsrecht
Auch im Aufenthaltsrecht ist zwischen Bestands- und Neufällen zu unterscheiden.
In Bestandsfällen, also für britische Staatsbürger, die bis zum 31.12.2020 zum Aufenthalt (Wohnsitz in Deutschland) und zum Arbeiten in Deutschland berechtigt waren und von diesem Recht Gebrauch gemacht hatten, ist das am 01.02.2020 in Kraft getretene Austrittsabkommen anwendbar. Danach haben diese Personen im Wesentlichen dieselben Rechte wie vor dem Brexit. Die Rechte werden also "eingefroren“. Das Vorliegen eines Bestandsfalles ist der zuständigen Aufenthaltsbehörde allerdings in Form einer Aufenthaltsanzeige nachzuweisen. Wichtig: Die Frist zur Vornahme dieser Anzeige endet am 30.06.2021.
Britische Staatsbürger, die keinen Wohnsitz in Deutschland unterhalten, jedoch bereits vor dem 01.01.2021 in Deutschland arbeiteten, können unter bestimmten Voraussetzungen auch Rechte aus dem Austrittsabkommen haben (Grenzgängerregelung).
Britische Staatsangehörige, die bereits vor dem 01.01.2021 in Deutschland aufhielten und berechtigt sind, bis zum 31.03.2021 ihre Tätigkeit in Deutschland auszuüben, etwa mangels Wohnsitzes jedoch keine Rechte aus dem Austrittsabkommen haben, dürfen ihre Tätigkeit auch weiterhin bis zum 31.03.2021 ausüben. Soll die Tätigkeit nach dem 31.03.2021 fortgesetzt werden, ist bis zum 31.03.2021 ein Aufenthaltstitel zu beantragen. Bei rechtzeitiger Antragstellung ist das Ausüben auch nach dem 31.03.2021 bis zur Entscheidung über den Antrag gem. § 80a AufenthV erlaubt.
In Neufällen, d.h. bei britischen Staatsbürgern, die nicht unter das Austrittsabkommen fallen und somit keinen Bestandsschutz genießen, werden diese seit dem 01.01.2021 grds. wie Angehörige von Drittstaaten behandelt. Zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ist daher ein Aufenthaltstitel erforderlich. Weiterhin visumfrei möglich sind im Rahmen einer Geschäftsreise erlaubten Aktivitäten wie die Teilnahme an Konferenzen, die Teilnahme an Messen und Ausstellungen oder das Leisten von After-Sale-Services für einen Zeitraum von 90 Tagen je Sechsmonatszeitraum.
Arbeitgeber, die britische Staatsangehörige bereits vor dem 31.12.2020 beschäftigt haben, sollten sich mit Ablauf des 30.06.2021 einen Nachweis vorlegen lassen, dass der Mitarbeiter der Anzeigepflicht nachgekommen ist. Wird die Erwerbstätigkeit nach dem 31.12.2020 begonnen, muss sich der Arbeitgeber zwingend den Aufenthaltstitel vorlegen lassen, da die illegale Beschäftigung von Personen zumindest eine Ordnungswidrigkeit seitens des Arbeitgebers darstellt.
Hinweis: Bei Unsicherheiten, ob Rechte aus dem Austrittsabkommen bestehen und es sich daher um Bestandsfälle handelt oder nicht, empfiehlt es sich, zweigleisig zu verfahren und eine Aufenthaltsanzeige sowie einen Aufenthaltstitel zu beantragen. Dies sollte möglichst zeitnah, spätestens bis zum 31.03.2021. Somit wird eine legale Weiterbeschäftigung nach dem 31.03.2021 - zumindest bis zur Entscheidung der Behörde über den Antrag - in jedem Fall ermöglicht.
Fazit: Aufenthaltsrechtlich ist regelmäßig eine detaillierte Einzelfallprüfung erforderlich.
Im Allgemeinen gestaltet sich die Dienstleistungserbringung von Briten in der EU sehr viel komplizierter und bürokratischer, sofern diese nicht unter den Bestandsschutz des Austrittsabkommens fallen.
Einzig die im Rahmen einer Geschäftsreise erlaubten Aktivitäten sind weiterhin unproblematisch und visumfrei möglich. Hier ist allerdings die Begrenzung von 90 Tagen je Sechsmonatszeitraum zu beachten.